Pfarrer Michelis: „Aber du irrst dich auch gewaltig tu der Sachlage, wen» du meinst daß die Deutsche Nation aus einem verächtlichen Sklavensinn und nicht aus sreier Ueberzeugung den Maigesetzen gehorchte. Wir gehorchen ihnen, weil wir in ihnen nicht einen Eingriff in das Wesen der Kirche, welches du vielmehr durch Deine angemaßte Unfehlbarkeit, so weit es Menschen möglich ist, ruinirt hast, sondern eine berechtigte Nothwehr des Staates erblicken und wenn das vielen Katholiken unter dem Drucke deiner angemaßten Unfehlbarkeit bisher noch nicht hinlänglich klar geworden ist, so wird Deine letzte Eucyklica wesentlich dazu beitragen, solchen die Augen zu öffnen. Wir geborchen ihnen, weil wir klar erkennen, daß die Schuld des feindliche» Zusammenstoßes nicht aus Seiten des Staates liegt, der im Bewußtsein der fortgeschrittenen aeschichtlichcn Entwickelung sein Recht und seine Selbstständigkeit schirmt sondern aus Seilen der verblendeten Kurie. Wir gehorchen ihnen, wen» gleich eine friedliche Auseinandersetzung der entwickelten Staats- und Rechtsordnung mit den berechtigten Ansprüchen und Privilegien der Kirche unser innigster Wunsch gewesen wäre. Wir gehorchen diesen Gesetzen endlich, weil wir erfüllt sind von dem Gefühle und dem Bewußtsein, daß die deutsche Nation in ihrer jetzigen Machtstellung nach dem äußeren Siege zu einer höheren sittlichen Aufgabe für die Menschheit lurusen ist, zu der endlichen Herstellung des- rechten friedlichen Verhältnisses zwischen dem mündig gewordenen Staate und zwischen der (mittels der durchgesührtcn Reform an Haupt und Gliedern) auf ihre rechte Grunv- luge zuriickgeführtcii Kirche." (B.T.)
ivürttembrrg.
Das Regierungsblatt vom L. Juni enthält eine Königl. Verordnung» betr. die Veröffentlichung des am 2g. Dez. 1865 zwischen Württemberg und Baden über Herstellung werterer Eiscnbobnvcr dindungen abgeschlossenen Staatsverlrags.
Die Königl. Eisenbahndirektion macht bekannt: „Nachdem die für die Auf- drauchung der Frachtbriefe älteren Formulars eiiigeräumte letzte Frist mit dem 80. l. I. adläuit, sehen wir uns veranlaßt; zur Kennlnißnahme des Publikums zu bringen, daß uuscre Expeditionen angewiesen sind, die Bcriveiidung älterer Frachtbrief- sormulare vom I. Juli l. I. ab »icht mehr zuzulassen.
Zugleich machen wir darauf aufmerksam, daß Reglements, Tarife. Kilometerzeiger rc. zum Verkaufe an das Publikum vom I. Juli d. I. an bei den Güter- expeditionen nicht mehr vorräthig gehalten werden, daß aber die Güterexpeditionen, bei welchen die Preise der Tarife rc. jederzeit zu erfahren sind, etwaige Bestellungen entgegenzuuehmen und zu vermitteln beauftragt sind.
Stuttgart. 8. Juni. Ed. Mörike wurde vorgestern unter allgemeinster Therl- nahme zur Erde bestattet. Das Grabgebet sprach Prälat v. Kapff; Gedächtnitzreden wurden unter Nicderlegunq von Kränzen auf den Sarg gehalten von dem Aesthetiker
Herrn Bischer, sowie von den Herren Lchöuhart und I. G. Fischer, Erstercr im Namen des „Bergwerks", Letzterer im Namen der poetischen Freunde des Verstorbenen. — Herr Kaufmann Kletl wird seit einigen Tagen vermißt. ES scheint demselben irgend ein Unfall zugestoßen zu sein, denn die Geschäftsbücher, sowie besten finanzielle Lage sind in vollständiger Ordnung befunden worden.
Der Zahlungssatz für Pferde bei Extra- postc» und Estafetten ist vom t. Juli d. I. an aus 25 Pf. pro Pferd und Kilometer festgesetzt.
In manchen gewerblichen Kreisen hört man jetzt nicht selten die Klage laut werden daß die alte Sucht, dem Fremden sich zu- zuweiiden, wieder anfange sich geltend zu machen und daß der patriotische Grundsatz, der heimischen Industrie das heimische Geld zuzuwenden, nicht immer diejenige Berücksichtigung findet, die es verdient. Besonders soll in dieser Hinsicht das schöne Geschlecht den französischen Mode-Artikeln wieder seine Aufmerksamkeit zuwenden.
* Neuenbürg, den 8. Juni. Heute fand im Ratbhaussaal dahier seit der Einführung der Verfügung in Betreff der Vollziehung des Gesetzes über einige Abänderungen des bestehenden Eherechts die sechste Civiltrauung vor den, Oberomls- gerichte statt. Der Akt wurde von Hrn. Oberamtsrichter Römer mit einem der Wichtigkeit desselben angemessenen Vortrag über den Zweck der Verhandlung und über die rechtliche und und sittliche Bedeutung der Ehe eingcleilet, worauf die Trauung selbst vorgenvmmen wurde. Die Brautleute find Angehörige der Kirschen- hardthofgemeinde.
Zu dem Akte hatten sich auch einige Damen als Zuschauerinnen eingesunden.
MisMrn.
Me kleine Schwarze.
Soldaten-HumoreSke von A. v. Winterfell».
(Fortsetzung.)
Ihm war es so fchwindlich bei der Entdeckung des fatale» Mißverständnißes geworden, daß er sich besorgt nach einem Stuhl umblickte. Nach einigen Secunden hatte er aber die Schwäche schon wieder unterdrückt nnd versuchte, nun wenigstens eine» ehre»vollen Rückzug zu retten.
„Ja! sagte er mit hohler Stimme; „ja, ... ich werde Ihnen eine Stall- Halfter mitgeben . . mitgeben . ich werde".
Da erschien der neugierig glückliche Kopf seiner Frau in der Spalte der unhörbar geöffneten Thüre.
„Ach, Tu lieber Gott!" dachte der Oberst; „der Kelch muß nun auch noch geleert werden. ... Die Enttäuschung wird eine vernichtende Wirkung auf sie üben . . aber cS muß geschehen ... es muß geschehen . .
„Bitte einen Augenblick um Entschuldigung," wandte er sich dann an den Fähnrich; "ich bi» gleich wieder bei Ihnen."
Mit diesen Worten wankte der alte Mann aus dem Zimmer.
„Nun? . . . ist Alles in Ordnung? . . will er die Johanna jetzt sehen? fragte draußen die kleine Frau, indem sie ihn gleich beim Arm festhielt.
„Pst?"
„Wie?"
„Still!"
„Er will?"
„Nein! ... Er hat die Johanna gar nicht gemeint!"
„Auch nicht! . . Die Palmyra! . . . Meine kleine Schwarze!"
„Philipp; bist Du wahnsinnig?"
„Nicht im Geringsten. — Es ist die entsetzliche Wahrheit!"
Die Mama erstarrte für eine ganze Weile zu Eis.
Endlich löste sich die starre Kälte in tiefen Schmerz aus.
„Und das arme Kind liebt ihn!" sagte sie mit thränenerstickler Stimme; „ich habe heute Morgen ihren Traum belauscht. . . Das Herz wird ihr brechen, wenn sie erfährt .
„Wenn sie aber noch nichts davon weiß," warf der Oberst ein.
„Aber sie ahnt, Philipp, sie ahnt . . ."
Der Oberst trommelte sich mit den Fäusten auf der Stirn; dem Fähnrich aber, der im anstoßenden Zimmer jedes Wort gehört, strömte all' sein Blut im Herzen zusammen.
„O mein Gott," dachte er, „wäre es denn möglich? — Sie hätte eS bemerkt, daß ich so oft vorbeigegangen, um ihr holdes Antlitz am Fenster zu sehen. — Und dieses Mißverständlich muß zu meinem Glücke führen ? — Der Oberst Hai mir auf zarte Weise bemerkbar machen wollen, daß sie meine Liebe erwiderte, und ich Tölpel denke, er will mir ei» Pferd verkaufen! — O, welche Seligkeit, — als Fähnrich hätte ich eS ja nie gewagt, ein solches Geständniß zu machen . . . und nun . . . und nun ... das muß aber sogleich wieder gut gemacht werden."
Nach dieser kurzen Betrachtung trat er mit hochklopsendem Herzen in das Nebenzimmer, wo die beiden Alten mit traurig gesenkten Häuptern einander gegenüber- standcn.
„Na, kommen Sie mit, lieber Ploot" . . . ermannte sich der Oberst; „Sie können sie jetzt herausziehen lassen und mit nach Hause nehmen."
(Schluß folgt.)
Der König von Schweden besuchte während seines Berliner Aufenthalts in Gesellschaft des Kaisers auch das Zeughaus. Bei Besichtigung eines Geschützes von neuer Konstruktion übernahm es Kaiser Wilhelm selbst, diese in allen ihren Theilen zu erklären. Nach Beendigung dieser Erklärung aber bedeckte der Kaiser, nach der „Post", das Zündloch des Geschützes mit einer Blume, welche er zufällig in der Hand hielt, und begleitete diese» symbolischen Act mit dem Wunsch und der Hoffnung, daß das Geschütz noch recht lange Zeit seinem Kriegszweck vorenthaltm bleiben möge.
Reduktiv», Druck und Vertag von Jak. Meeh in Neuenbürg.