Stuttgart, I. Juni. Wie hoch der Hauferwenh im Laufe der Zeit gestie- gen, wurde uns durch den Verkauf des Enßlin'schen Hauses an der Hirschstraße so recht, vor Augen geführt. Das Haus wurde im Jahre 1764 um 22,000 fl. gekauft und jetzt um mehr als 130,000 fl. wieder verkauft.
Heilbronn, 30. Mai. Trotz allen Warnungen gibt es immer noch Leute die, statt einen Arzt zu Rathe zu ziehensich lieber einem Wunderdoktor anverlrauen wie folgender Fall beweist: In Löivenstein fand vor wenigen Tagen ein junger Bursche ein tragisches Ende. Derselbe hatte ein Gewächs am Halse, welches er los haben wollte. Er gieng nun zu einem Wunderdoktor nach Waldbach, welcher ihm das Gewächs kurzweg und so gründlich vom Halse schnitt, daß er in Folge eingetretener Verblutung kurze Zeit hieraus starb. Gerichtliche Untersuchung ist eingeleitet
C a n n st a t t, 31. Mai. Dem Güterzug Nr 310, welcher 2 Uhr 18 Minuten von hier gegen Ulm abgeht, begegnete es gestern, daß sich nahe bei dem Uebergang der nach Untertürkheim führenden Straße ein Mensch quer über das Schienengeleise gelegt hatte und zwar so unmittelbar vor dem Herbcikommen des Zugs, daß an ein rechtzeitiges Hallen nicht mehr zu denken war, obschon der Lokomotivführer so starke Nothsignale gab. daß man hier auf dem Bahnhof darüber besorgt werden mußte. Es wurde daher der Mensch, der auf den Schienen den Tod suchte, augenblicklich getödtet.
Wildbad, 2. Juni. Die Saison ist in vollem Gang, die Kurgäste, darunter seit letztem Sonntag auch Hr. General v. Werder, treffen von alle« Seiten ein. Einer der treuesten Gäste seit vielen Jahren, S. K. Hoheit Prinz Peter von Oldenburg ist heute wieder eiu- getrosfm und wird für nächste Zeit der russische Reichskanzler Fürst Gortscha- koff erwartet. Unser Kur-Orchester mit seinen Solisten trägt außerordentlich viel zur angenehmsten Unterhaltung der Gäste bei. Die Badverwaltung ist fortwährend bemüht, den Rur des Bades durch immer neue comsortadle Fortschritte zu erhöhen. Die Kurtiste weist bis jetzt 1424 Personen gegen >318 des Vorjahrs auf.
* N euen dür g. Am 3V. Mai unternahm der hiesige Turnverein unter starker Betheiligung seitens der Mitglieder einen Ausflug über Schwann. Neusatz, Rothen- sol nach Herreualb. diesem von der Natur so reich ausgestatteten Luftkurort, um nach einigen Stunden Aufenthalt über Dobel nach Wildbad zu marschirsn. Dort ange- langt, hießen die Turner Wildbergs ihre hiesigen Genossen willkommen.
Nach einiger Zeit fröhlichen Beisammenseins mahnte das Tönen der Glocke zum Rückweg und auf Dampfes - Flügeln eilte die wackere Gesellschaft in fröhlichster Stimmung Neuenbürg zu. um hier den Rest des Tages zuzubringen.
Der letzte Zug führte Wildberg's tapfre Turner der Heimat entgegen.
Mögen dieselben nicht unbefriedigt die hiesige Stadt verlassen haben. Ein „Gut Heil" begleite sie.
Ausland.
Der militairische Unterricht in den höheren Unterichisanstalien Frankreichs wird mit großem Eifer wieder ausgenommen.
Die „Republique Francaise" bringt den Vorstehern der Schulanstalten in den Departement die von Cissey unter Thiers eingeführte Anordnung in Erinnerung, daß die Schüler ein Gewehr erhalten sollen, um sich für die späteren ernsteren militärischen Exerzitien früh schon vorzubereiten und sich zu soliden Soldaten auszubilden- den kriegerischen Sinn früh zu wecken, und Jugendeindrücke, die später unauslöschlich seien, mit ins Leben hinüberzunehmen.
London, 24. Mai. Lord Aberdare hat berechnet, was der Strike in Wales den Arbeitern ungefähr gekostet hat. ^ 50,000 Arbeiter sind 122 Tage außer Arbeit gewesen. Sonn- und Feiertage abgerechnet und haben dadurch, nur 5 Sh. täglich gerechnet, 1,300,000 Lstr. verloren, während die Unterstützung der Bergleute im Betrage von 12,000 Lstr. nur die Löhnung eines einzigen Tages der im Stricke befindlichen Arbeiter betrug. Dazu kommen nun noch 60,000 durch die Arbeitssperre betroffene Arbeiter, so daß die Arbeiter allein mindestens 3 Millionen Lstr. verloren haben. Der Verlust an Kapital ist unberechenbar.
Konstantinopel, 20. Mai. Das Erdbeben aus der Westküste Kleinasiens hat noch nicht ausgehört. Am II. d. um L Uhr Morgens verspürte man in Smyrna wieder einen sehr heftigen Stoß, welcher mehrere Stunden anhielt. An demselben Morgen folgten noch 2 andere Erderschütterungen. Man hält die Sporateninseln für den Herd. Grauenvoll sind die Verwüstungen in Jschiki; die in Trümmer gelegten Häuser giht man auf 1000 an und die Opfer an Menschenleben betragen mehrere Tausende. Rur 20 Wohnhäuser und 2 Moscheen stehen noch aufrecht. Im Dorfe Wvril ist von seinen 300 Häusern keines mehr stehend; aus den Trümmern find bis jetzt 450 Leichname hervorgezogen worden. Nicht weit davon hat sich die Erde gespalten und aus dem Spalt sprudelt eine Quelle heißen Wassers hervor Auch das Dorf Data hat keinen Stein auf dem andern. Alle Einwohner sind in den Häusern vergraben. In anderen Dorfen wie Savaski, Karayapli rc. ist man mit einer heftige« Erschütterung davongekommen.
Miszellen.
Me kleine Schwarze.
Sokdaten-Hrunoresks von A. Winterfell.
(Fortsetzung.)
Hier unterbrach er sich aber, weil er bedachte, daß er sich wiederum selber den größten Schaden thäte, wenn er feinem künftigen Schwiegersohn ein Donnerwetter in die Knochen wünschte, machte sogleich ein gutmüihiges Gesicht, drehte zu seiner inneren Beruhigung einen Daumen um den andern und pfiff leise einen Parade- s marsch im Schritt vor sich hin.
, Da wurde die Thür seines Zimmers von außen geöffnet, und die dicke Hanne steckte den Kopf durch die Spalte.
„Herr Oberst ... der Herr Fähnrich üon Kloot, oder wie er heißt, ist draußen und möchte gern den Herrn Obersten sprechen."
Der alte Mann sprang so plötzlich und mit so jungendlichem Eifer auf seine Beine, daß die dicke Hanne einen Schreck bekam und sich den Hirnschädel an dem Thürflügel stieß, daß es einen lauten Knall gab.
„Mir sehr angenehm !" schrie der Oberst wie auf dem Exerzierplatz.
„Das ist ihnen angenehm, wenn ich mir den Kopf stoße?" paute das Mädchen, sich die schmerzende Stelle reibend; „no, soll er denn nun kommen, oder nicht?* „Natürlich soll er kommen ! — Kehrt l
— Marsch!"
Die dicke Hanne verschwand, und eine Minute darauf trat der Fähnrich von Ploot ins Zimmer und blieb in dienstlicher Haltung an der Thüre stehen.
„Na, da sind Sie ja, junger Mann!" rief Scharrnagel ihm entgegen; „ich habe Sie eigentlich schon früher erwartet!" ,
„Der Herr Oberst werden entschuldigen^, entgegnete der junge Mann; „ich dachte das hätte ja keine Eile."
Der Alte stutzte.
„Schon wieder keine Eile!" dachte er; „gestern Abend hatte es keine Eile; heute früh hat es wieder keine Eile . . . mich wundert es eigentlich , daß er nicht erst Nachmittags gekommen ist."
Dann faßte er sich aber sogleich und fuhr mit derselben Liebenswürdigkeit fort, mit der er angefangen:
„Na ... zu großes Ungestüm ist ja auch nicht gut . . . jetzt wollen Sie ihr wohl ein Bischen in die Augen schauen; nicht wahr?"
„Wohl eigentlich lieber in die Zähne", entgegnete der Fähnrich, der seinem hohem Vorgesetzten beweisen wollte, daß er recht gut verstände, wie man ein Pferd mustern müsse.
Der Oberst bekam eiuen solchen Schreck, daß er unwillkürlich einen Schritt zurücklral.
„Das ist ja ein Grobian, infamer!" dachte er; „will meinem Kinde in den Mund gucken, um zu sehen, wie alt sie ist k
— I, da soll ein heiliges Himmeldonnerwetter ..."
Hier machte er aber nochmals eine gewaltsame Anstrengung, seinen Unmuth niederzukämpfen und mit Ruhe und Klug, heit nur den Hauptzweck im Auge zu behalten.
„Sie haben sich eiuen kleinen cavalle- ristischen Scherz gemacht^, fuhr er dann, wieder leutselig, fort; „unter uns mag so Etwas schon hingehen . .. . vor den Damen freilich ... na, das werden Sie ja auch, von selbst wissen . . . Wollen wir jetzt also zu ihr . , um . . na . . ."
„Gewiß, Herr Oberst!" entgegnete stramm der Fähnrich
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion,, Druck und Verlag von Lak. Mee h in Neuenbürg,