72
nehmen. Die britische Regierung hat in Folge dessen die nöthigen Instruktionen nach Singapore abgehen lassen.
Wie vortrefflich unsere Armee während des letzten Krieges mit Karten von Frankreich versehen war, beweist auch folgendes interessante Beispiel, welches wir in dem neuesten Heft des General st abs- Werkes angegeben finden. Ein Ordonnanzoffizier erhielt am 31. August im kaiserlichen französischen Hauptquartier zu Sedan den Befehl, daß General Vinoy sein gelammtes Corps bei Meziäres vereinigen solle, wohin sich auch die Hauptarmee zurückziehen werde. Der Kaiser Napoleon , welcher noch besonderes Gewicht darauf legte, daß den Deutschen das Vorhandensein der Straße von St. Menges und St. Albert und Vrigne aux Bois unbekannt sei und sie daher einen Abzug der französtschen Armee auf Mä- zieres nicht vermulhen würden, zeichnete in Gegenwart des Ordonanzoffiziers die eben erwähnte Straße eigenhändig in eine vorliegende Karte, auf weicher sie bisher nicht eingetragen war. Er war aber in so fern im Jrrthum — schreibt das Generalstabsmerk — als sich jene Straße auf der bei der deutschen Armee ausgegebenen Karte allerdings bereits eingezeichnet fand.
Kaiserslautern, 31. Jan. Vor dem hiesigen Zuchtpolizeigcricht wurde heute das Unheil gesprochen in dem vielgenannten Bindemittelprozeß. Das freisprechende Unheil des Polizeigerichts wurde abgeändert, indem die sieben angeschuldigtcn Metzger des Feilhaltens verfälschter Lebensmittel (begangen durch Beimischung von Stärkemehl zu Würsten) für schuldig erklärt und säiumtliche verurtheilt wurden, und zwar Jakob Veenards, der schon oster wegen solcher Dinge verurtheilt worden ist, zu 6 Tagen Haft, die übrigen, Thielmann, Seng, Liebrich, Späth, PH. Spatz und Fischer) zu je 3 Thaler Geldstrafe.
Pforzheim, 7. Febr. Die Eröffnung der höheren Bürgerschule wird in den nächsten Tagen vor sich geben. Doch wird zunächst nur die erste Klasse (Sexta) gebildet werden; für die zweite fehlt es zur Zeit an den nöthigen Lehrkräften.
Baden, 2. Febr. Die Villa Merk an der Lichtenthaler Allee, in welcher im vergangenen Jahre die Kaiserin von Oesterreich Absteigquarlier genommen hat, ist für 70,000 Frs. auf 2 Jabre an Hrn. Heeren, einen Kaufmann aus Hamburg und Peru, vermiethet.
München, I. Febr. Eine von katholischer Seite arrangirle Pilgerfahrt nach Jeru'alem haben 73 Personen, darunter 2 Pfarrersköchinnen, dieser Tage von bier aus angcrreten. Die Reise kostet jeder Person 700 fl.
Sigmaringen, 6. Febr. Soeben wird die Todteuglocke für die Mutter des vor 8 Tagen an erhaltenen Brandwunden gestorbenen Kindes geläutet. Dieselbe soll über die unglückliche Veranlassung zum Tode ihres Kindes untröstlich und so alte- rirt gewesen sein, daß sich Nervenfieber entwickelte und nach wenigen Tagen auch ihren Tod zur Folge hatte.
Württemberg.
Seine Königliche Majestät haben vermöge höchster Entschließung vom 5. d. M. die erledigte StatiousmeisterS- und Postexpeditorsstelle in Höfen dem Stationsmeister Richter in Birkenfeld gnädigst übertragen.
Stuttgart, 4. Febr. Wie wir erfahren, ist nir die Regelung der militä rischen und administrativen Verhältnisse der Festung Ulm beider Ufer eine Vereinbarung dahin getroffen worden, daß diese Festung vorbehaltlich der Souveränetäts- rechte der höchsten Territorialherren und der bestehenden Eigenthumsverhältnisse einen einheitlichen Wnffenplatz bildet unter einheitlichem Kommando und einheitlicher Verwaltung durch Organe des Deutschen Reichs. (St.-A.)
Stuttgart, 4. Febr. In der heutigen öffentlichen Sitzung des Gemeinderaths steht die Leichenverbrennungsfrage auf der Tagesordnung. Sie ,kommt aus Anlaß einer Eingabe des für die Sache gebildeten Vereins zur Erörterung. Da die Beerdigung indeß durch gesetzliche Einrichtungen begründet ist, so dürfte der Ge- meiuderath wohl nur in der Lage sein, sich gutachtlich zu äußern. Die wirkliche Entscheidung liegt in der Hand der gesetzgeberischen Faktoren des Staates. Die betreffende Abtheilung des Gemeinderaths hat sich, wie wir hören, für die fakultative Leichenverbrennuug ausgesprochen.
Am Montag den 15. Febr. beginnt in Heilbronn im Gasthaus zur Rose die alljährliche große Gerbrinden-Verstei- gerung.
Rottweil, 8. Febr. In Deißlingen wurde gestern der neue Bet - und Lehrsaal der protestantischen Gemeinde, die erst in ihren Anfängen ist, feierlich eingeweiht. Dieselbe erhielt die Mittel hiezu hauptsächlich vom Gustav. Adolf-Verein; es waren deshalb einige Mitglieder desselben anwesend; sowohl sie als die geistlichen Vorstände von Tuttlingen und Schwenningen hielten au die zahlreichen Zuhörer, worunter viele Katholiken, sehr erhebende Ansprachen und bei dem Festmahle in der Linde waren die Toaste nicht nach alltäglicher Schablone, sondern von Herzen zu Herzen dringend.
Friedrichs Hafen, 4. Febr. Die Mörder der Emilie Levinger in Laupheim haben nach vollbrachter That den Weg über hier genommen, um in die Schweiz zu entkommen. Durch zwei erprobte Diener im Dienste der öffentlichen Sicherheit, durch den Stationskomandanten Brodbeck und Polizeiwachtmeister Bauer von Ulm welche beide die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung der Mörder abschickte, wurde in Erfahrung gebracht, daß in einem hiesigen Kleiderladen eine neue Montur an- geschaffl und angezogen und ein paar alte zerissene Strümpfe ll. 8. gezeichnet und Hosen mit Blutspure» zurückgelassen wurden. Ebenso wurden in einem andern Laden ein wollenes Hemd und einige Steh
kragen gekauft und mit einem der geraubten 10 Thalerscheine bezahlt. Die beiden Polizeioffizianteu setzten ihreNachforschungen bis Zürich fort, woselbst aber alle Spur verloren gieng. Nach heute hier eingelaufener Nachricht sind die muthmaßlichen Mörder, ein Kutscher Schneider aus dem Tübinger Oberamt, und ein Steinschleifer Sänger aus Hohebach, Oberamts Künzelsau, in Basel verhaftet worden.
F r e u d e n st a d t, 4. Febr. Im Jahre 1874 wurden geboren 288 Personen, sind gestorben 175 Personen, die Einwohnerzahl von 1873 571 Personen, daher Einwohnerzahl am I. Jan. >875 5784 Personen.
Böblingen, 5. Febr. Daß beim Füllen der Bäume immer noch vielen Menschen die nöthige Vorsicht mangelt, zeigte sich dieser Tage im hiesigen Walde. Zwei verheirathete ältere Männer fällten Forchen. Während der Eine seiner fallenden Forcke zusah, kam auch die .des Andern ins Fallen, und obwohl der Letztere einen Warnungsruf ergehen ließ, will doch Er-» sterer diesen nicht gehört haben. Er wurde vom Wipfel des Baumes getroffen und mit tief klaffender Kopfwunde nach Hause befördert. Sein Zustand verspricht wenig Hoffnung.
Schweiz.
Bern, 29. Jan. Man schreibt der ,,K. Z.": Gestern Abend 6 Uhr wurden in Basel die Bewohner der an der Rheinbrücke auf Großbaseler Seite angrenzenden Häuser in großen Schrecken versetzt. Unter dem ersten Bogen der Rheinbrücke explodirten drei Tyuamitpalrouen. Dieselben haben zwar keinen weiteren Schaden angerichtet; die von dichtem Qualm begleitete Lufterschütterung war aber so groß, daß Häuser und Brücke, wie bei einem Erdbeben bis auf den Grund erbebten und Alles erschreckt auf die Straße stürzte. Hoffentlich wird man den Urhebern dieses Bubenstücks auf die Spur kommen.
Miszellen.
(Auf dem Ball.) Junger Herr (den Arm ausstreckend und zu einer jungen Danie tretend): „Dürfte ich Sie bitten, mein Fräulein! — Dame: „Ich bedaure sehr, mein Herr, ich bin leider für den nächsten Tanz schon versagt." —- Junger Herr (verlegen): Das ist es nicht, um was ich Sie bitten wollte, mein Fräulein — aber -aber Sie sitzen auf meinem Hute.
Anzeigen für den Knzthäker vermitteln: in Mörzheim: Hr. tzlto AieLer; in Wikdöad: Hr. tz. Schobert.
Redaktion, Druck und Vertag von Jak. Meeh in Neuenbürg.