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abzugeben, welche einen großen Wiederhall haben wird:So lange das Oberhaupt der katholischen Kirche seine jetzige Stellung behauptet und den Klerus zur Nichtbefol- gung der Gesetze aneifert, so lange erschei­nen die diplomatischen Verbindungen Deutschlands mit dem Papste überflüssig." Aber nicht allein der Reichskanzler hat die Angriffe des ultramontaneu Redners, der sich das Recht anmaßte, Namens aller deutschen Katholiken zu sprechen, energisch zurückgewiesen, sondern mehrere Gesinnungs­genossen dieses Letztem sahenj sich veran­laßt, ihn zu desaoouiren.

München, 7. Dez. Von den seit I. Sept. außer Kurs gesetzten Zwei­gul d e n st ü ck e n sind noch immer große Mengen nicht eingeliesert, weßhalb offiziös daran erinnert wird, daß vom 3l. Dez. an diese Münzen nicht mehr zum vollen Nennwerth von den Staatskassen eingelöst werden.

Württemberg.

Stuttgart, 5. Dezember. Beider Reichstagswahl im elften württembergischen Wahlkreis wurde an Stelle des verstorbenen Weber Rechtsanwalt Hintrager (national- liberal) ohne ernstliche Gegencandidatur gewählt.

Stuttgart, 4. Dezember. Von heute an sind 3 Kilo Weißbrod auf 30 kr. ermäßigt worden.

Böblingen, 7. Dez. Gestern Nachm, ereignete sich in Schönaich ein ent­setzliches Unglück. 6 Kinder fuhren auf Schlitten einen an einen Weiher stoßenden Abhang hinab, und geriethen sämmtlich in denselben; vier davon wurden gerettet, die andern zwei, worunter ein 1 l Jahre altes Mädchen, das einzige Kind seiner Eltern ertranken, bei einem Dritten wird an der Erhaltung des Lebens gezmeiselt. Ein gleiches Unglück drohte gestern einem hie­sigen 8 Jahre alten Mädchen, welches in ein volles Güllensaß gefallen ist, glückli­cherweise aber noch gerettet werden konnte.

(Sch. M.)

Ausland.

London, 3. Dez. Die Regierung ist jetzt überzeugt, daß der Gefangene, welcher Nena Sahib sein sollte, eine andere Persönlichkeit ist. DerRadjah von Scind- hai gibt zu, daß er sich über die Identi­tät geirrt habe.

Miszellen.

Eine Predigt für Tanzlustige.

Kaum ist die Saison, in welcher die Balliäle sich häufiger öffnen, und das Tanzbein besonders gerne geschwungen wird, wieder angebrochen, so hat bereits die Zeitungsnachricht von dem jähen Hin­scheiden einer württembergischen Frauens­person auf dem Tanzboden unser Ohr wie ein greller Mißton berührt; und, da die Fälle nicht so ganz selten sind, daß der Tanzsaal sich plötzlich in ein Trauergemach verwandelt, aus dem die Fröhlichkeit mit einem Schlage auszieht oder doch die kost­bare Gesundheit verzehrender Leidenschaft

zum Opfer fällt, so dürste es an der Zeit sein, unseren tanzlustigen Paaren eine war­nende

Predigt äes bekannten p 8axkie über äen Tanz,

die zwar sehr extravagant gehalten, aber doch pikant zu lesen ist und manche Wahr­heit enthält in Erinnerung zu bringen.

Die Apostrophe lautet also:

Manches Fest, das man den Engeln veranstaltet, wird ein Feiertag des Teufels. Man soll den Teufel nicht an die Wand malen!"" Tanz und Gelage aber sind ge- chäftige Mater, die den Teufel an jede Wand Hinmalen, an der Zimmerwand, an die Saalmand, an die Zimmerwand. Der Teufel ist da nicht stolz, nicht hoch- müthig; er kommt sogleich, wenn man ihn einladct. Es braucht nicht 14 Tage früher zu sein, er will keine Einladungskarte mit Goldschnitt. Er kommt in die Scheune so gut und so gern als in den Prachtsaal und in das Boudoir. Wo Jemand den Fuß erhebt zum Tanz, da hebt der Teufel den Bocksfuß mit auf. Wo Jemand den Becher füllt zum Trunk, da schnalzt der Teufel mit der Zunge daneben.Ein Tanz in Ehren, ein Trunk in Ehren kann Niemand wehren!"" Aber die Grenze von Ehren und Unehren ist schmal, kaum zu erkennen; sie besteht nicht in breiten Flüs­sen und Gebirgsketten. Es steht auch kein Grenzstein auf ihr niit großen Lapidar­buchstaben. Die Grenze ist leicht über- tanzt, leicht übertrunken und drüben steht der Teufel als rolher Grenzjägcr.Tan­zen, tanzen!" O ja, tanze du zu, du fröh­liche Unschuld, du heilere Jugend, du züch­tiges Mädchen! Wir sind keine Grämler und Mucker, die ein unschuldiges Vergnü­gen mißgönnen. Tanzet, aber raset nicht! Tanzet, um die Zeit, aber nicht um die Gesundheit zu vertreiben! Tanzet, wenn die Geige aufspielt und die Lichter bren­nen, aber tanzet nicht schon acht Tage voraus am Nähtisch, am Herd, am Schreibtisch! Tanzet nicht schon 8 Tage früher im Schlafen und Wachen, und las­set nicht Asses andere gehe», wie es eben geht! Tanzet! denn nicht ein heiterer Tanz ist des Teufels Festtag; sondern was an dem Tanze hängt, was mit dem Tanze kommt, was nach dem Tanze folgt: Die Eitelkeit, die niit dem Tanz kommt, die Putzsucht, die an dem Tanz hängt, die Gefallsucht, die bei dem Tanz steht, die Sinnlichkeit, die durch den Tanz erwacht, nie Zerstörung, die nach dem Tanz daher­wackelt, das sind die Glocken, mit denen der Teufel seine Festtage einläutet!

Tanzen ist schon recht. Manche un­serer ehrbaren Väter und Mütter haben auch getanzt. Man hat im Tempel des Herrn getanzt. Vor der Bundeslade ist auch getanzt worden. Tanzen an sich ist recht, aber sich dem Tanz verschreiben mit Leib und Seele, mit Gesundheit und Herz­blut, ist Teufelslust. Tanzen, daß der Alhem vergeht, daß die Sinne schwinden, daß die Glieder beben, daß die Herzen pochen, daß die Augen rollen, daß die Augen rollen, daß die Haare fliegen, daß die Schweißtropfen strömen; tanzen, daß! man aussieht, wie eine zerschlagene Pappel

, im Sturm und Wolkenbruch; tanzen, daß man glüht, wie eine Wilde, keucht, wie eine Gehetzte, anssieht, wie eine Furie, wenn sie vom Besenritt kommt; so tanzen ist Teufelslust. Bei solchem Tanz steht der Teufel vor euch, die Häßlichkeit neben euch, der Tod hinter euch!

(Schluß folgt.)

Paris. Die Reinigung der Straßen von Paris ist für die Stadt die Quelle einer nickt unerheblichen Einnahme. Schon im Jahre 1823 löste die Stadt Paris aus dem Verkaufe des Straßenschmntzes 75,000 Frcs., 1831 aber bereits 166,000 und 1845 500,000 Frcs. In neuester Zeit ist der Preis, welchen die Unternehmer der Straßenreinigung zahlen, auf 600,000 Frcs. gestiegen, daneben trägt die Gesell­schaft die Kosten der Utensilien, des Reini­gens der Straßen und des Forlschaffens des Schmutzes, wozu eiu Personal von einigen tausend Leuten erforderlich ist. Der Ettrag des als Dünger verkauften Schmutzes beträgt, nachdem derselbe einige Zeit ge­lagert, nicht weniger als drei Millionen Franks.

Petersburg, 29. Nov. Im Vor­zimmer des kaiserlichen Palastes standen während eines Hoffestes die Diener, mit Mänteln und Pelzen über den Armen, um auf ihre Herrschaften zu Warten. Als der Ball zu Ende ging, die Geladenen sich nach und nach entfernten und der Fürst G. in den ihm hingehaltenen Pelz fuhr, bemerkte er, daß der Aufschlag des rechten Aermels abgeschnitten war. Das mußte ein Dieb gethan baden, und so wenig dieser auch scheinbar gestohlen, so gut hatte er sich doch auf seinen Vortheil verstanden, denn der Pelz war von schwarzem Zobel, dem allerlheuersten Rauchwerke, und der gestohlene Aufschlag wenigstens tausend Rubel werlh. Den Schaden zu ersetzen, wurde der Pelz am nächsten Morgen so­gleich zu des Fürsten Schneider geschickt; noch hatte dieser aber das fehlende Stück schwarzen Zobel in ganz Petersburg nicht auffinden können, als ein Lakai in der Livree des Fürsten G. erschien, den abge- schilittenen Acrmelausschlag brachte, trium- phirend erzählte, daß die Polizei den Dieb entdeckt hätte, und daun sagte, daß er gleich auf das Annähen warten wolle, da eer Fürst den Pelz noch an demselben Vormittage anziehen müsse. Der Schneider hielt den Lakai durch den Aufschlag hinrei­chend aceredilirt, verrichtete die Arbeit und übergab ihm den Pelz. Wie sehr sollte er aber erstaunen, als gegen Mittag der Kammerdiener des Fürsten G. kam, um den Pelz zu holen, und es sich nun herausstellte, daß der Dieb den gestohlenen Aermelaufschlag nur benutzt halte, um den ganzen Pelz zu bekommen! Dieser war und blieb übrigens verschwunden.

Ein Schnakenvertilgungsverein hat sich in Schwetzingen gebildet. Man sieht, dem jetzigen Streben nach Vereinen ist nichts unmöglich.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.