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einen tiefen Eindruck machte. Nach einer kurzen Zeit wurde ihm erlaubt, ihr mit wahrer spanischer Galanterie seine Hand und sein Herz anzubieten.
Donna Mora, die ebenfalls verwittwel war, Hörle mit Wohlgefallen auf seinen Antrag.
„Sie sind mir nicht zuwider, Tenor," sagte sie, „und ich theile das Ihnen aufrichtig mit; ober Sie haben bisher seltsame Brautnächte gehabt. Ich bin des Lebens nicht überdrüssig und wünsche mich desselben noch eine Zeitlang zu erfreuen.
Lassen Sie mich wissen, woran Ihre beide» Frauen starben. Sie müssen es wissen."
„Bei meiner Seele, ich weiß es nicht", erwiederte der Herr.
„Ich glaube Ihren Worten", sagte die Dame. „Hören Sie mich also an. Ich - bin bereit. Ihnen meine Hand zu reichen, aber ehe ich das thue, müssen Sie mir erlauben, Ihr Haus vom Speicher bis zum Keller anzusehen. Sie müssen es ganz räumen und mir die Schlüssel übergeben und dann werde ich mich mit meiner Schwester in dasselbe begeben. Ich werde das Geheimniß entdecken, wenn es ein solches giebl."
„Donna Mora", sagte der Herr, „thun Sie ganz wie Sie wollen. Ich werde die Wohnung sofort räumen. Hier sind die Schlüssel. Der lange Schlüssel von Stahl öffnet das Unglückszimmer, worin meine Bräute starben, und ich bitte Sie, in dasselbe nicht einzutreten. Leben Sie wohl! Ich danke Ihnen für Ihr Versprechen, das zu halten ich Sie bitten werde, sobald Sie mich rufen lassen."
Er küßte ihr die Hand und ritt fort.
Donna Mora bereitete sich sofort vor, die Wohnung zu besuchen, von der sie so viel gehört hatte. Ein geräumiger Familienmagen nahm sie, ihre Schwester, zwei Brüder, ein Kammermädchen, einen Bedienten und einen kleinen Pudel auf. Zuletzt kamen sie in Sicht eines alten maurischen Gebäudes, und der Wagen hielt, damit sie das Aeußere desselben genau betrachten konnten.
„Ich fange an zu zittern," sagte Donna Anna.
„Ich habe keine Furcht", erwiederte Donna Mora.
Dann befahl sie dem Kutscher, näher zu fahren, und als das geschehen war, stieg sie aus und schloß das Thor eigenhändig auf. Alles war still, nur die Echos hießen sie willkommen.
Ihre Fußtritte wurden auf der Treppe lauter, was Donna Anna ängstlicher machte. Donna Mora war so muthig wie ein Mann.
Sie sahen in jedes Zimmer, blickten in jeden Verschlag; sie öffneten auch das Brautgemach und sahen den Staub, der sich auf den Verzierungen angesammelt hatte. Dann erkundigte sie sich bei den Nachbarn nach allen Umständen, die ihnen über jene beiden räthselhaften Todesfälle bekannt geworden waren, und von ihnen hörte Donna Mora zuerst von der alten Zigeunerin und ihren Blumen.
Nun wartete sie und schritt in den großen Zimmern auf und ab, während Donna Anna dem Fenster aus die Zu
gänge nach dem Gebäude überwachte und die Brüder im Hofraume Cigaretten rauchten. Worauf wartete Donna Mora? Sie theilte es Niemandem mit.
Zuletzt sagte sie:
„Schwester, kommt Jemand? Ich glaubte einen Schritt zu hören."
„Es ist eine alte Zigeunerin mit einigen Blumen in der Hand", antwortete Donna Anna. Und Donna Mora sagte:
„Bestiehl ihr hereinzukommen!"
Dann trat eine alte, runzelige, gelbe Frau zwischen den beiden Brüdern, die kaum aufblickten, und dem kleinen bellenden Hunde ins Zimmer, machte ihren Knix und sagte:
„Mögen die guten Sterne für die schönen Senoritas und die braven Tenors leuchten. Ich habe gehört, daß die Dame, welche hier Gebieterin werden soll, gekommen ist. Ich aber bin alt und lebe vielleicht nicht mehr, wenn sie als Braut an ihrem Hochzeitstage hier ihren Einzug hält und sehne mich doch danach, sie zu bewillkommen."
Ihr antwortete Donna Mora:
„Ich bin die Dame."
„Dann mag ich Ihnen ein paar wilde Blumen anbieten," sagte die Zigeunerin, „und gleichzeitig meine guten Wünsche, denn der Senor ist mein Wohlthäter gewesen. Eine armselige Gabe, aber, Senora, verschmähen Sie dieselbe nicht."
Sie reichte die Blumen der Donna Mora, welchesie nahmund auf den Tisch legte.
„Donna Anna," sagte sie dann, „bringe einen Hund hierher. Brüder hallet die Zigeunerin fest."
Einen Augenblick später war die alte Frau, so sehr sie sich auch sträubte, ergriffen, und Donna Anna, welche den Hund auf ihrem Schoße hatte, drückte die Blumed an seine Nasenlöcher.
„Wenn der Hund am Leben bleibt, dann laßt die Zigeunerin frei. Wenn er stirbt, so laßt sie den Gerichten überliefern," erklärte Donna Mora ruhig.
Donna Anna verhüllte ihr Gesicht. Die Brüder blickten zuerst auf die Frau, dann auf den Hund; der letztere hatte angesangen zu zittern. Nach einem Augenblick stieß er ein langes und schreckliches Heulen aus, das man nur mit Bedauern anhören konnte. Donna Anna ließ die Blumen fallen. Das arme Thier lag ohne Bewegung auf ihrem Schoße. Der Hund war todt.
„Laßt die Frau verhaften," sagte dann Mora wieder. Sie hat mit ihren vergifteten Blumen jene beiden jungen Damen getödet, wie sie mich gleichfalls ermorden wollle."
Aber als sie das erstemal wieder mit dem Sennor zusammentraf, sagte sie:
„Ich kenne das Verfahren der Zigeunerinnen und ihre Kunst die Blumen zu vergiften. Ebenso weiß ich, daß ein beschimpftes oder verlassenes Zigeunermädchen von ihrem Stamme stets gerächt wird. Einem Manne aber, der gegen ein Mädchen sich falsch bewiesen hat, kann keine andere Frau trauen. Leben Sie wohl."
Eine höchst aufregendeScene ereignete sich vor einigen Tagen in Paris.
Ein junger Mann, Namens Philipp Goin, ritt arglos durch die Rue Blanche und bog auf den Platz gleichen Namens ein, als plötzlich mit allen Zeichen der Wuth und von einigen Mensche» verfolgt, ein Bulldogg sich auf sein Pferd warf. In die Kniekehle gebiffen, that daS" Pferd'vinen gewaltigen Sprung nach vorwärts Und flog in rasendem Galopp davon. Der Hund setzte demselben nach und so erreichten beide, Pferd und Bulldogg, den äußeren Boulevard. Alle Welt suchte sich eilends zu retten. Der Reiter, welcher Anfangs daran gedacht hätte, sein Pferd anzuhalten, hatte sich inzwischen anders besonnen. Er kam zu dem Schlüsse, daß es besser sei, dem mülhenven Hunde zu entfliehen, und drückte seinem Thiere die Sporen in die Flanken. Allein der entsetzliche Bulldogg, Schaum vor dem Maule, mit glühenden Augen und gesträubten Haaren gewann immer mehr Terrain.
Vor dem Theater de Batignolles that er einen mächtigen Satz, richtete sich auf an dem Kreuz des Pferdes und schlug sein Gebiß in den Nockschoß des Reiters. Dabei verlor die Bestie für einen Moment das Gleichgewicht, im nächsten aber vergruben sich ihre Zähne in den Hals des Pferdes. Goin hatte sich seines Nockes entledigt und warf sich aufs Pflaster. Etwa achthundert Schritt weiter stürzte das Pferd, der wüthende Hund ließ sein Opfer nicht los. Beide Thiere wurden von einem Sicherheitswachmanne durch Säbelhiebe ge- tödtel. So endigte diese entsetzliche Jagd, in welcher ein Mensch der Gejagte war. Mr. Goin blieb zwarvonden Bissendes tollen Hundes verschont, wurde jedoch mit gebrochenem Schenkel nach seiner Wohnung gebracht.
Vertilgung des KornwurmS Diesem schlimmen Gaste, der besonders deßhalb so außerordentlich gefürchtet ist, weil er die Ernte dann zerstört, wenn nian sie durch große Mühe und Sorgfalt sicher geborgen zu haben glaubt, wird bekanntlich auf alle mögliche Art und Weise auf den Leib zu rücken versucht. Von den zahlreichen in Vorschlag und in Anwendung gebrachten Mitteln haben sich allerdings nur sehr wenige bewährt. Als sehr gutes Hilfsmittel hat sich das Chlor erwiesen, das man in den betreffenden Räumen in der Art herstellt, daß man Chlorkalk mit irgend einer Säure (und wenn es auch nur starker Essig sein sollte) übergießt, oder daß eine Mischung von Kochsalz und Braunstein mit Schwefel- oder Salzsäure übergossen wird. Am sichersten und gründlichsten wird man aber dieses Ungeziefer los, wenn man es sammt seiner Brut entfernt, indem man den Speicher von Zeit zu Zeit gänzlich ausräumt, am besten im Frühjahr, wenn däs Weibchen seine Eier an die Getreide- körncr legt und ihn, wenn möglich längere Zeit leer läßt. Am besten wäre es allerdings, ihn einige Monate von Getreide frei zu lassen und vielleicht zu etwas anderem zu benutzen. Auf einem Speicher z. B., auf dem dieses Insekt immer verheerend hauste, und von welchem man, als letztes Rettungsmittel, alles Getreide entfernte und nachher Grummet einsüllte, ist er vollständig verschwunden und hat sich nicht wieder blicken lassen.
Redaktion, Druck und Verlag von 2ak. Meeh in Reuenbürg.