Samstag

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K-Uage M Ur. 47.

22. April 1899.

AeuiLLetorr.

Nachdruck rerdotcn.

Die beiden Admirale.

Orginal-Roman

von Larl Ludwig panknin, Marine-Schriftsteller.

(Fortsetzung.)

Das wirst Du nicht thun!" rief Williams Vater vor Aufregung zitternd.

Ich thue es, so wahr wie wir jetzt, diesen Augenblick miteinander reden. Nichts wird mich abhaltcn, Vater meinen Vorsatz auszuführen. Daß mir aber das Leben eine Last ist, daß ich mit Freuden den Tod suche, ist Drin Werk Vater!"

Mit dumpfem Aufstöhnen, wie von einem Keulenschlage getroffen, sank Lord Klayriston auf einem Stuhl nieder. Nur zu gut fühlte er, daß es dem Sohne bitterer Ernst mit dem furchtbaren Entschlüsse war, denn unbeugsame Energie, eiserne Willensstärke hatte Williams Stimme enthalten. Und fast ver­nichtet unter dem Eindrücke dieser Gewißheit, ächzte er laut auf.

Auch der Kranke hatte seinen Sessel wieder ausgesucht und ließ sich dort schwerfällig wieder hineinfallen. Den Kopf lehnte er hintenüber an die Lehne und starrte traumverloren zum Himmel empor.

Sorgenvoll und ängstlich blickte der Admiral auf den jungen Offizier, der da mit eingefallenen, blassen Wangen und abgehärmtem Gesicht ihm gegenüber ruhte. Von seinen fünf blühenden Söhnen war ihm nur dieser eins, der jüngste geblieben. Auf ihn hatte er alle Hoffnungen gesetzt, denn wurde auch dieser ihm entrissen, so erlosch das alte Adelsgeschlecht der Klayristons. Sorgsam hatte er ihn gehütet, soweit es in seiner Kraft stand, und nur Williams fortwährenden Bitten war es gelungen, von ihm die Erlaubnis zu erhalten, sich dem Seedisnste zu widmen, welcher dem alten Lord schon zwei Söhne genommen. Und gerade dieser, die einzige Stütze seines uralten Geschlechtes, machte ihm so unendlich viel Sorge dadurch, daß er eine ihren exklusiven Kreisen so fernstehende Person als Gattin begehrte. Der Admiral fühlte nur zu gut, daß er vollständig macht­los war, denn William hatte am Leben allen Reiz verloren, und weder Strenge noch sonst ein Mittel wäre geeignet gewesen, ihn zu bewegen, seiner Liebe zu entsagen. Das Alles stand bei Lord Klayriston fest, und wenn er auch noch je im Zweifel gewesen, die heutige Aussprache mit William hatte ihm alle und jede Hoffnung genommen.

Was half ihm jetzt Kathy's Entsagung? Garnichts! Er hatte nur seinen Sohn verloren, unwiederbringlich verloren. Er kannte seinen Jungen ja viel zu gut, um nicht zu wissen, daß dieser nie Phrasenheld gewesen und deshalb lag es auch außer allem Zweifel, daß William bei der nächsten Gelegenheit sich den feindlichen Feuerschlündcn so hinge aussetzen würde, bis er den Tod fand und dann, dann stand er, der Lord allein, vereinsamt, ein alter Mann, ein morscher, entlaubter Stamm, der vom nächsten Sturme entwurzelt zu Boden ge­schleudert werden würde. Ein Opfer seines Adelsstolzes, ein Opfer der Standesvorurteile! Und was hatte er dadurch erreicht, was hatte er gewonnen, daß er zeitlebens, seit er denken konnte, diesen Prinzipien blindlings gefolgt war? Der Tod seines letzten ihm übriggebliebenen Kindes, daS von ihm in Haß und Streit gegangen war, um gramerfüllten Herzens den Tod zu suchen, von ihm selbst hineingejagt l So zogen die Gedanken in qualvoller, peinigender Reihen­folge durch die Seele des Admirals, bis ihm schließlich zu Mute war, als wenn eine ungeheure Last sich niedergesenkt hätte, um ihn langsam zu zerdrücken. Eiserne Reifen schienen seine Brust immer mehr und mehr zusammen zu pressen, so daß er kaum atmen konnte. Immer verwirrter, immer wieder kreisen die Gedanken in Klayriston's Kopfe, bis er schließlich in eine Art Starrkrampf ver­fiel. Plötzlich ächzte er laut auf! Di« blutüberströmte Leiche Williams sah er vor sich liegen, das starre gebrochene Auge anklagend auf ihn gerichtet, während der festgeschloffene Mund ihm ein verächtliches Lächeln zuwarf. Eisigkalter

Schauer durchrieselte die hohe Gestalt des Admirals und es kostete ihn über­

menschliche Kraft diesen furchtbaren Geisteszustand endlich abzuschütteln.Gott im Himmel," stöhnte er ängstlich umherspähend,nur das nicht." Und als er dann keine fünf Schritte von sich entfernt William im Sessel sitzen sah, sprang er in wilder Freude auf diesen zu, ihn umarmend und das Gesicht mit Küssen be­deckend, während Thronen das sonst so herbe Antlitz unaufhaltsam überströmten und mitunter auch auf das Gesicht des jungen Offiziers niederfielen.

William, mein Junge, mein Herzensjunge!" rief Klayriston mit weicher Stimme,Du sollst nicht so von mir gehen, Du mußt mir erhalten bleiben, ich

darf Dich nicht verlieren! Hole Deine Braut, hole Kathy hierher, sie soll mir

willkommen sein!"

In dem Gesicht des Kranken war bei den letzten Worten eins sonderbar« Veränderung vor sich gegangen, cs hatte den Anschein, als wenn Jemand unver­mutet eine häßliche Larve abnimmt und das bisher darunter verborgene wahre

Gesicht zeigt. Dann folgte ein fast gellender Jubelschrei und im nächsten Augenblick lag William in den Armen seines Vaters, der ihn liebkosend an's Herz drückte.

Eine geraume Zeit verging, bis die beiden Männer hinreichend gesammelt waren um das Nötige zu besprechen. Da der Kranke seines Zustandes wegen, nicht reisen konnte, und der alte Lord bei ihm bleiben wollt», so wurde Fred beauftragt sich reisefertig zu machen, um Kathy Lister nach Plymouth zu holen.

Drei Wochen waren bereits seil Fred's Abreise vergangen. Die beiden Klayriston warteten stürmisch auf das Eintreffen Kathy's und besonders der junge Offizier verzehrte sich fast in Ungeduld. Da endlich fuhr der Wagen vor und William stürzte laut aufjubelnd die Stufen hinab um den Wagenschlag zu öffnen. Doch ehe er sein Vorhaben ausführen konnte, ging die Wagenthür auf und Fred stieg heraus. Beim Anblick des Dieners blieb William wie erstarrt stehen, im ersten Augenblick keines Wortes mächtig. Seine Lippen öffneten sich wohl um zu sprechen, doch nur ein heiseres unverständliches Murmeln war zu hören. Endlich hatte er sich soweit gefaßt um gewaltsam das WortAllein?" herauszustoßen.

Ja Sir Miß, Lister wohnt nicht mehr in Liverpool; seit Monaten hat sie diesen Ort schon verlassen und alle meine Mühe war vergeblich den neuen Aufenthalt zu erfahren.

Also, fort, fort," ächzte William leise, indem er die fast irrsinnig blicken­den Augen auf den Diener gerichtet hielt,fort sagst Du Fred fort,"

wiederholte er stammelnd,Du hast-" Ein Ruck erschütterte hier den

Körper und wie vom Blitze getroffen stürzte William ohnmächtig zusammen.

Zweiter Teil.

1. Kapitel.

Beinahe zwanzig Jahre waren im ewigen, unaufhaltsamen Wechsel dahin­gegangen. William Klayriston hatte sich nicht verheiratet, trotzdem sein, nun schon viele Jahre verstorbener Vater alles mögliche versuchte, um ihn dazu zu bewegen. Achtlos war William in dieser langen Zeit an allen weiblichen Schön- heilen vorübergegangen, denn keiner, auch der strahlendsten und bezauberndsten, gelang eS, nachhaltigen Eindruck zu machen. Sein Herz war eben zu sehr von dem Bilde Kathys erfüllt. Sein ganzes Denken und Können, seine geistige körperlich» Kraft hatte er dem Vaterlande geweiht, um in der gerade damals wilden, kriegerischen Zeit Vergessenheit seines stillen Grames um KathyS Ver­lust zu finden. Bei den hervorragenden Leistungen Klayriston- in seinem schweren Beruf war es daher nicht zu verwundern, wenn er schnell andere Kameraden überflügelte und, kaum fünfundvierzig Jahre alt, den Posten eines kommandierenden Admirals und Gouverneurs von Ostindien bekleidete. Eine furchtbare, fast un­eingeschränkte Gewalt lag in seinen Händen, denn über Leben und Tod konnte er entscheiden. Doch ebenso gewaltig wie die Macht war auch die Aufgabe, welche er zu erfüllen hatte.

Das Land war durch die vielen erbitternden Kämpf« in allen Zweigen des Verkehrs und der Industrie, des Handels und Gewerbes total zerrüttet. Ueberall fehlte es an einer tüchtigen, sorgsamen Verwaltung, die bestrebt gewesen wäre, den geradezu entsetzlichen Zuständen ein Ende zu machen. Dazu kam, daß die Eingeborenen, welche durch Klayriston's tyrannische Vorgänger bis auf's Blut auSgesogen worden waren, einen tückischen Haß gegen jeden Weißen im Herzen trugen. Oft genug kam eS vor, daß Engländer, namentlich Offiziere spurlos verschwanden. Es gährte im ganzen Lande wie in einem Vulkan, der jeden Augenblick drohte mit Flammen und glühender Lava seine Umgebung zu vernichten.

Bei Uebernahme des Amtes mußte Klayriston daher bestrebt sein, wieder Sicherheit und Frieden im Lande zu schaffen. Seinem edlen, menschenfreundlichen Charakter entsprechend, hatte er sich zur ersten Aufgabe gemacht, die tiefen, ent. schlichen Wunden, welche dem indischen Volke geschlagen worden, wieder zu heilen, die Erbitterung zu beseitigen und ein gutes Einvernehmen zwischen Weißen und Indiern herzustellen. Die Eingeborenen sollten fühlen, sollten erkennen lernen, daß es sich gut unter dem Banner Englands leben ließ, und daß sie unter seinem Gesetz freier und sicherer auftreten konnten, als unter den mordgierigen, tyran­nischen Fürsten der einzelnen kleinen Staaten. Doch wie schwer wurde eS dem neuen Gouverneur gemacht, diese schönen, hochherzigen Gedanken auszuführen.

Seine Vorgänger hatten Indien nämlich nur als ein Ausbeutungsobjekt für die Krone und für sich betrachtet. In diesem Sinne warm naturgemäß auch die unteren Beamten erzogen und so glich denn der ganze VerwaltungSme- chanikmuS einem riesigen Polypen, der die Saugarme überallhin auSgestreckt hielt und erbarmungslos seinen Opfern das Mark aussog. Wie nun aber Klayriston diesem System auf das Entschiedenste entgegentrat und die trotzig dabei Be­harrenden energisch zur Verantwortung zog, wurde er von den weniger rechtlich- denkenden auf das Tiefste gehaßt und wo sie irgend konntm, leisteten sie seinem Wirken allen möglichen Widerstand. (Fortsetzung folgt.)