Donnerstag
Keilage ;« Ur. 29
9. Mär; 1899.
e rr» Nachdruck verboten.
Die beiden Admirale.
Orginal-Roman
von Larl Ludwig panknin, Marine-Schriftsteller.
1. Kapitel.
Im Hafen von Plymouth herrschte ein reges Leben und Treiben, da England sich wieder zu einem Seekriege rüstete. Spanien hatte sich nämlich vor einigen Jahren erdreistet, englische Handelsschiffe, die im Mittelmeer kreuzten, anzuhalten und zu visitiren. Es war allerdings England schon damals gelungen, sich Genugthuung zu verschaffen, aber jetzt hatte sich Spanien mit Frankreich verbunden und viele englische Handelsschiffe gekapert, die wie gewöhnlich als gute Prisen nach sicheren französischen oder spanischen Häfen geschleppt und dort verkauft worden waren. Um diesem Unwesen ganz energisch „Halt" gebieten zu können wurde eine mächtige Flotte ausgerüstet, die, unter dem Kommando des bewährten Admirals Trowly, nur noch der letzten Befehle von London harrend, im Plymouther Hafen bereit lag.
Auf der Campagne des Zweideckers „Nestor" stand Capitän Hobartson und vor ihm ein junger Lieutenant, dessen Haltung erkennen ließ, daß die Worte welche der Kommandant an ihn richtete, dienstlichen Charakter hatten.
„Sie wissen jetzt, Lieutenant Klayriston," schloß Hobartson seine Rede, „worauf ich bei der bevorstehenden Expedition bezüglich des Signalwesens Wert lege, richten Sie daher Alles entsprechend ein."
„Sehr wohl, Herr Kapitän."
„Na, denn will ich Sie nicht länger aufhalten; Sie werden gewiß schon in der Messe erwartet. — AdieuI — Nun, haben Sie noch etwas zu fragend"
„Ja, Herr Kapitän, ich wollte Sie bitten, mich heute Abend noch wenige Stunden zu beurlauben. — Es ist eine wichtige Familienangelegenheit, welche ich mit meinem Vater zu besprechen habe."
„Hm, hm — Urlaub — heute Abend noch! — Die Schiffe sollen klar sein, jeden Augenblick in See zu gehen. Eigentlich müßte ich Ihnen die Bitte abschlagen, aber da Sie mir sagen, cs liege eine wichtige Familiensache vor — nun — meinetwegen! — Vergessen Sie nicht, Ihren Vater, meinen alten See- und Kriegsgefährten zu grüßen. Und so Aooä dz?l"
Der Kapitän winkte grüßend mit der Hand und schritt nach seiner Kajüte, während der Offizier ein Boot bestieg um sich an Land rudern zu lassen.
Klayriston zählte kaum zweiundzwanzig Jahre, aber man würde ihn für älter gehalten haben, da auf feinem offenen, ehrlichen Gesicht stets ein tiefernster Ausdruck lag. Die ruhigen blauen Augen blickten fast immer sinnend unter der mächtigen Stirn, den stark entwickelten eng zusammenstehenden Augenbraunen hervor und alle Bewegungen der schlanken elastischen Figur zeigten einen edlen, gemessenen Anstand.
Am Land angekommen, ging Klayriston mit eiligen Schritten mehrere Straßen entlang, bis er die eigentliche Stadt verlassen hatte, und sich nun in einer Allee befand, an welcher die herrlichen Villengärten der reicheren Kaufleute lagen. Nach ungefähr zwanzig Minuten stand er vor einem Gartenthor, blickte prüfend umher und ging dann vorsichtig hinein. Wenige Sekunden später trat er in eine Laube.
„Kathy," flüsterte er leise.
„William," kam es ebenso zurück und gleich darauf schlangen sich zwei volle, weiche Arme um seinen Nacken.
„William, mein teurer William."
„Kathy, mein Lieb, mein süßes Lieb."
„Du kommst — um Abschied zu nehmen?"
„Ja, ich muß fort — Englands Ehre, meine Pflicht fordert es" —
„Oh William — William," klang es unter Schluchzen, ich überlebe es nicht, wenn Du nicht wiederkommst, wenn sie Dich tödten — mein Gott — ich mag nicht daran denken." —
„Sei fest — sei stark Kathy, Du bist Engländerin und weißst, daß wir daS Vaterland gegen unsere Feinde schützen müssen." —
„Ja, ja, aber wenn Du nur nicht dabei wärst. Ich sterbe fast vor Angst!"
Ein Lächeln glitt über die ernsten Züge Williams; sanft zog er Kathy nach dem Ausgang der Laube und sagte: „Sieh, Kind, dort unten liegen dreißig unserer Kriegsschiffe, und diese zusammen bergen in ihren Räumen viele Tausend Menschen. Jeder von unS hat liebe Eltern, Verwandte, Brüder, Schwestern und mancher auch eine teure Braut. Glaube mir, alle Angehörigen würden auch froh sein, würden auch dem gütigen Gott danken, wenn wir nicht in den Kampf zu ziehen brauchten, aber sie müssen das Unvermeidliche tragen, denn Englands Ehre darf mit Recht von jedem Unterthanen sebstlose Hingabe in solchem Augen
blick fordern. — Auch Du, meine Kathy," setzte er bewegt hinzu, „mußt Dich fügen, ebenso wie ich."
„Du sprichst wahr, William, ich bin recht selbstsüchtig» verlange ich doch für mich allein, was so viele Tausende mit demselben Recht beanspruchen dürfen. Ich will nicht mehr zagen, sondern unser Geschick in die Hand des Allmächtigen legen."
Die beiden jungen Leute hatten sich nach diesen Worten wieder nach dem Innern der Laube zurückgezogen und dort auf einer Bank Platz genommen. —
„Du hast mir noch nicht gesagt," nahm der Offizier das Gespräch wieder auf, „ob Du meinen Brief heute erhalten hast."
„Ich habe ihn bekommen. — Du willst also heute mit Deinem Vater sprechen. — Ach William, mich hat vor dieser Stunde so entsetzlich gebangt, weiß ich doch nur zu gut, wie furchtbar stolz Dein Vater ist und mit welcher Geringschätzung er auf uns Bürgerliche h-rabsieht. — Oh William, ich hätte Dir nie verraten sollen wie ich Dich liebe. — Eine Ahnung sagt mir, daß uns Beiden viel Jammer und Schmerz bevorsteht — denn — denn wir haben uns durch die Glut unserer Liebe zu weit Hinreißen kaffen." —
„Kathy, liebe Kathy — nicht so zaghaft! Die glücklichen Stunden, die wir bis jetzt durchlebt haben, wiegen schon ein ungeheures Maß von Sorgen auf. — Denke nur, was aus mir hätte werden sollen, wenn Du nicht mich geliebt, wenn mir Dein Mund nie das süße Geheimnis Deines Herzens verraten hätte, Du herrliches, Du liebes Weib!" Und in überwallendem Gefühl zog William das junge Mädchen an seine Brust und bedeckte ihre Lippen mit heißen Küssen. — „Doch nun muß ich fort," rief er aufspringend, mein Vater erwartet mich. Du weißt ja weshalb. Willst Du mich wieder hier erwarten, in einer Stunde kann ich zurück sein. — Willst Du Liebling?"
„Ja William, ich werde hier auf Dich warten." —
„Nun, so leb wohl, auf Wiederseh'n!"
Noch eine innige Umarmung und der junge Offizier eilte hastig davon um sich nach der Wohnung seines Vaters zu begeben, während Kathy langsam im Dunkel des Gartens verschwand.--
Auf einer kleinen Anhöhe, welche sich sanft zum Hafen abflachte, lag die V lla des Admirals Lord Klayriston. Von der Veranda des Hauses hatte man eine herrliche Aussicht über den größten Teil des Plymouther Hafens, deshalb saß der alte Admiral am liebsten hier, wenn er nicht mit seinem Lustkutter umhersegelte. Das Innere der Villa war auf das Wundervollste ausgestattet.
Die kostbarsten Erzeugnisse aller Länder konnte man hier finden, von den feinsten türkischen Divans bis zu den zierlichen Elfenbeinfiguren eines chinesischen Schachspiels. Wo man hinblickte, fiel das Auge auf das saftige, tiefdunkle Grün der schönsten Palmen, deren fächerartige Blätter in dem leichten Windhauch, welcher durch die geöffneten Fenster strich, sich leise zitternd hin und her bewegten.
Darunter überspannten feine indische und syrische Teppiche den Fußboden, so
daß der Schritt eines Menschen kaum hörbar wurde. Alle diese Zimmer waren für Gäste bestimmt. Der Lord selbst benutzte nur drei Räume, ein Schlafzimmer, einen Salon und oben im Turm eine Art Sternwarte, von dem Admiral
„Observatorium" genannt. Diese Zimmer waren zwar behaglich eingerichtet, aber Luxus fehlte gänzlich. —
Heute Abend saß Williams Vater im Salon am Schreibtisch. Es war eine große, hagere Gestalt mit scharfgeschnittenen GesichtSzügen, aus denen die hellblauen Augen kalt und vornehm herausschauten. In manchen Beziehungen hatte das Antlitz Ähnlichkeit mit dem seines Sohnes, hauptsächlich fand man aber bei beiden eine kraftvolle Energie, festen und unbeugsamen Sinn deutlich ausgeprägt. — Im Umgang mit Seinesgleichen war der Admiral zuvorkommend und liebenswürdig, seine Diener behandelte er zwar strenge, doch trat dabei immerhin ein gewisses Wohlwollen zu Tage. Den Bürgerlichen jedoch, vor allen namentlich den Kaufmann, haßte er aus dem tiefsten Grunde seiner Seele. Dieser Haß war nämlich dadurch herbeigeführt worden, daß die Eltern des Lords während der Cromwell'schen Wirren, von einem Haufen Puritaner erschlagen worden waren. Außerdem hing er als Aristokrat mit Leib und Seele an Englands Könighaus und konnte es den Bürgerlichen nie verzeihen, daß sie einen König, wie Karl I, enthauptet hatten.
Der alte Herr betrachtete sinnend das Bildnis einer jungen Dame, welches er in der Hand hielt.
„Ob sie meinem Jungen gefallen wird?" sprach er leise vor sich hin „gewiß wird sie das — habe kaum geglaubt, daß aus dem mageren Kinde solche blühende Jungfrau sich entwickeln würde. Breadfield schreibt mir, sie sei etwas eigensinnig und stolz, na — schadet nichts — reiner unverfälschter Adel — Vater ist einflußreich — muß sein, könnte keine bessere Partie in ganz England finden. — William ist stets ein gehorsamer Sohn gewesen, und wird auch jetzt gehorchen."
(Fortsetzung folgt.)