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Vaters ansgeschlagen. Die junge Dame beschloß, in dem Zimmer, in welchem sich der Schmack befand, in dem Bette ihres Vaters zu übernachten, und eins der an­stoßenden Zimmer einem Diener zum Nacht­lager anzuweisen. Unter das Kopfkissen legte sie einen ihrem Vater gehörigen Dolch. In Gedanken über den ausgeschlagenen Heirathsantrag schlief Miß Stevenson ein. Unter dem Druck eines Alps, welcher auf ihrer Brust sich zu lasten schien erwachte sie.Soviel ich mich erinnern kann", sagte Miß Stevenson vor Gericht,war meine erste physische Empfindung die einer merk­würdigen Schwere, begleitet von einem flüchtigen Gerüche, der mir nicht unbekannt war, den ich aber trotzdem nicht definiren konnte. Als ich meine Augenlieder, die schwer waren wie Blei, ein wenig öffnen konnte, sah ich, daß das Zimmer beleuchtet war. Ein schwarz veclaroter Mann hielt eine Phiole mit Chloroform vor meiner Nase, ein anderer, ebenfalls verlaroter Mann kniete vor dem Koffer.

Rasch schloß ich die Augen wieder, füh­lend, daß das einzige Rettuugsmittel darin lag, besinnungslos zu erscheinen. Mich zu bewegen oder versuchen, nach Hilfe zu rufen, wäre mein sicheres Todesurtheil gewesen, denn dieselbe Hand, welche die Phiole hielt, hätte mich erdrosseln können, ehe sich meiner Kehle ein Ton entrungen hätte. Keine Muskel regte sich daher. Die wenigen Sekun­den, die nach meinem Erwachen folgten, schienen mir ein Jahrhundert zu dauern, und die fortschreitende Wirkung des Chlo­roforms empfindend, verzweifelte ich bereits, meine Rolle länger fortspielen zu können, als der zweite mit dem Aufsprengen des Koffers beschäftigte Dieb einige Worte murmelte, deren Sinn ich wohl nicht ver­stehen konnte, die aber offenbar seinen Spies- gesellen zur Hilfeleistung aufforderten. Ich merkte, daß der Letztere etwas zögerte, doch zweifellos in der Ueberzeugung, daß ich nicht mehr zu fürchten sei, zog er die Phiole zurück und drückte mir ein mit Chloroform getränktes Taschentuch auf den Mund, und entfernte sich mit leisen Tritten.

Kaum war ich sicher, daß er nicht mehr da sei, so entfernte ich leise das Taschen­tuch, um ein wenig reine Luft einzuathmen. Aber was nun thun? Wie den Schatz ret­ten? Schon mar der Koffer weit geöffnet, die kleine Schmuckcaffette erbrochen, und die Diamanten lagen pöle-mole auf dem Teppich. Ich glaube, daß dieser Anblick meinen Math verdoppelte.

(Schluß folgt.)

Am Hofe des Guikowar

zu Baroda in Indien.

Bei uns in Europa sind Pracht und Pomp, auf welche man in früheren Jahr­hunderten so großen Werth legte, mehr und mehr in Abgang gekommen; das ganze äußere Leben ist farbloser geworden, hat das Bunte und malerische verloren; der Hoshalt wird eingeschränkt, die Galauni­formen der Bediensteten vom Lakai bis zum Hofmarschall hinauf, sind trotz aller Stickereien trostlos einförmig, und die Sol- d aten sind zumeist nach einerlei Schnitt und

Farbe bekleidet. Die Fürsten tragen ein Soldatenkleid oder den schwarzen Frack. In dieser Gleichmäßigkeit verschwindet der Einzelne, er geht auf in der Masse.

Ganz anders in Ostindien. Bei einzel­nen Herrschern in dem weiten Lande, das sich im Süden des Himala ya hindehnt und vom Indus, Ganges und Bramaputra durch­zogen wird, welche Prunk an ihren Höfen lieben, findet man sich in's volle Mittel- alter zurückversetzt. Dort ist für einen Europäer Alles farbig, original, reich und auffallend, das ganze Leben hat einen an­dern, weit mannichfaltigern Charakter; Himmel und Luft, Thier- und Pflanzen­welt, Bauart und Menschen sind nicht wie bei uns und gewähren einen fremdartigen, in hohem Grade interessanten Anblick; man erhalt von ihnen ganz neue Eindrücke.

Freilich ist auch in Indien Vieles von dem Glanze früherer Zeiten verschwunden. Die meisten Staaten sind den Engländern unterworfen, andere von ihnen mehr oder weniger abhängigig. Die Fürsten haben Einbuße an Land und Einkünften erlitten und sind in ihren Finanzen beschränkt. Aber einige Wenige sind doch in der Lage ge­blieben, ihren Hofhalt in altindischer Weise fortzuführen. Zu ihnen gehört einer der Maharattenfürsten, der Giukowar, dessen Thron in Baroda steht.

Sein Staat umfaßt nicht viel mehr als 200 deutsche Quadratmeilen, nördlich von Bombay, zwischen dem Hochlande von Malwa und dem Golfe von Cambay, zählt nur etwa 350,000 Bewohner, aber der Herrscher hat mehr als drei Millionen Thaler Einkünfte. Seine Hauptstadt Ba­roda liegt unter 22 » i(/ nördlicher Breite, am Flusse Wiswamitra, hat zumeist höl­zerne Häuser mit mehreren Stockwerken und zählt etwa 150,000 Einwohner.

Dort entfaltet der Guikowar seine Pracht­auszüge, hält Thierkämpfe und veranstal­tet in der Umgegend große Jagden. Der jüngst (im Sommer 1871) verstorbene Herr­scher verwandte große Summen auf diese barbarischen Spiele. Er war hitzigen Tem­peramentes, sah gern Blut und ergötzte sich weidlich, wenn in der Arena Menschen und Thiere in Lebensgefahr schwebten. Auch ließ er fich's nicht nehme», die großen Festlichkeiten in eigener Person anzuordnen.

In seinen Parks hielt er eine große Anzahl von Stephanien, welche zum Kampf abgerichtet waren. Sie sind an und für sich gutmüthig, können aber in einen Zu­stand wüthender Aufregung versetzt werden, welche nian als Mescht bezeichnet. Man füttert sie etwa ein Vierteljahr lang vor­zugsweise mit Zucker und Butter; dann werden sie so wild und grimmig, daß weder Mensch noch Thier vor ihnen sicher ist.

An einem heitern Junitage sollte ein Elephantengefecht stattfinden. Der Guiko­war ließ es sich nicht nehmen, den bei Hof vorgestellten Europäern vorher die beiden Kämpfer zu zeigen, auf welche schon im Voraus viele Wetten abgeschlossen worden. Die gewaltigen Thiere hatte man an sehr schweren Ketten in einer festen Umfriedi­gung festgemacht, und eine Menge von Liebhabern unterhielt sich über die Vorzüge des einen oder andern Elephanten. Der

Herrscher ging unter den Leuten umher wie ein gewöhnlicher Privatmann, gesti- culirte, rief und schrie und ging Wetten ein.

Um die zum Thiergefecht bestimmte Stunde holte der Oberjägermeister Hary- badada die Europäer mit einem Wagen ab, um sie in die Elephantenarena, den Hagher, zu bringen. Derselbe befindet sich in dem alten Palaste der Nawabs von Guzerar. Das Gebäude stammt aus alter Zeit; ein schöner Säulengang führt in einen geräumigen Hof der von Backstein­gebäuden umgeben ist und in welchem Stein­skulpturen nicht fehlen. Die Loge des Königs war schon mit Hofleuten angefüllt, die auf Polstern Platz genommen halten; für die Europäer hielt man Stühle bereit, und sie konnten bequem den ganzen Platz übersehen, der ein längliches Viereck von etwa 200 Fuß Breite und 900 Fuß Länge bildet. Ec ist von dicken Mauern einge­faßt, welche eine große Anzahl enger Pforten haben, durch welche ein Mensch bequem aus- und eingehen kann, aber ein Elephant nicht. Oben auf der Mauer befinden sich Gerüste für die schaulustige Menge; auch auf den Dächern und in den Bäumen sieht man zahlreiche Gaffer.

(Fortsetzung folgt.)

Poesie eines Berliner Kolonial- waarenhändlers.

Obgleich die Vereinbarung der hiesigen Kolonialwaarenhändler, behufs Schließung ihrer Geschäftslokale an Sonn- und Feier­tagen wieder zu Wasser geworden ist, so findet man doch hier und da einen solchen Laden geschlossen, damit Prinzipal und Com­mis sich der wohlverdienten Sonntagsruhe erfreuen. Am orginellsten dürfte aber wohl ein Kolonialwaarenhändler in der Garten­straße seinen Kunden die Schließung seines Geschäftes angezeigt haben, denn an den Schaufenstern seines geschlossenen Ladens hatte er am Sonntag folgendes Plakat an­geheftet:

Sechs Tage,soll man schuften!

Am siebenten ruhen aus.

Drum werd' ich heut' verduften,

Und fahr'n nach Pankow raus.

Darunter stand mit fetter Schrift:Mor­gen früh wird frischer Kaffee gebrannt!"

Aus dem Leben.

Frau Möller: Na Jette, wie hat Dir die Nachmittagspredigt gefallen?

Frau Meyer: Ich sage Dir, so'n frei­sinniger Pastor kann mir gestohlen werden. Er predigt ja viel zu kurz. Kaum bin ich ein bischen eingeduselt, so hört er schon wieder auf. (N. D. R.-Z.)

Goldkours der K. Wiirtt. Staatskassen- Vrrwaltung.

Friedrichs'dor . . . 9 fl. 57 kr.

Pistolen . . . . 9 fl. 39 kr.

20-Frankenstücke . . 9 fl. 21 kr.

Rand-Dukaten . . 5 fl. 32 kr.

Stuttgart, den 15. Juli 1872.

M Liederkranz. L

Heute Abend 8 Uhr.

Redaction, Druck und Verlag von Jak. Me eh i» Reuenbürg.