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erreicht; das Paar kostet 30—36 fl. —> Der Stand der Früchte und Futtergemächse ist sehr günstig und könnte nicht besser sein.
Ein Unglück geschah am 19. d. in Zuffenhausen. Dort pflegte eine Frau in Ermanglung eines Wasscrablanfs das Abwasser stets zum Fenster hinauszuschütten. Da leerte sie ein Gefäß mit einigen Litern siedenden Wassers ebenfalls zum Fenster hinaus, ohne sich vorher zu überzeugen, ob sich Niemand auf dem Borplatze befinde. Unglücklicherweise saß gerade unter jenem Fenster das 2jährige Enkelkind der Frau, welches, von dem siedenden Wasser gänzlich verbrüht, Tags darauf sein Leben einbüßte. Gegen die Iran ist Untersuchung wegen fahrlässiger Tödtung eingeleitet.
H Der Staatstechniker für das öffentliche Wasserversorgung-wesen, Oberbaurath Eh- mann schreibt im „Blaumanu" die Grab», Maurer- und Steinhauer-Arbeit für die VI. Gruppe der Albwasserversorgung aus. Die Kosten belaufen sich nach dem Boranschlag auf 18,000 fl. Die Maschine kommt in's Lauterthal zu stehen, die Leitung wird die Orte Mehrstetten, Ermelau, Beimerstetten, Frankenhofen, Granheim versorgen; Orte, die zusammen etwa 1700 Einwohner zählen: dieselben erhalten ein tägliches Wasserquantum von etwa 3600 6'. Die Länge der Leitung betrügt etwa 64,000'. Der Betrieb wird ein sehr billiger werden, da die Maschine in der Hauptsache durch das vorhandene Gefäll in Bewegung gesetzt werden kann.
Ausland.
London, 23. Mai. Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd Baltimore ist auf der Fahrt von Baltimore nach Bremen um Mitternacht in Folge eines Zusammenstoßes nahe Hastings leck geworden und auf den Grund gerathen. Alan befürchtet den Verlust des Schiffes. Passagiere und Mannschaften wurden gerettet, sie sind in Hastings gelandet und untcrgebracht.
MisMen.
Eine Geschichte vom Lichtcnstein.
(Von Th. Gr.)
(Fortsetzung.)
Mit diesen Worten streckte er seine Hand gegen den jüngeren Grafen von Werdenberg, der sich in den innersten Kreis vorgedrängt hatte, aus und riß ihn mit einem mächtigen Griff neben sich zu Boden.
„Dies ist der eigentliche Mörder", wiederholte er mit blitzenden Augen, „ich schwöre es bei Gott dem Allmächtigen und bei meiner Seelen Seligkeit."
Natürlich entstand nun im Augenblicke die größte Verwirrung. Die Meisten schrieen wild durcheinander und Viele zogen ihre Hirschfänger, ohne daß sie sich über den Grund, warum sie dies thaten, Rechenschaft geben konnten; aber Alle waren, hingerissen vom Augenblicke, von der Wahrheit der Anklage durchdrungen, und das Leben des Stiefbruders des Grafen, obwohl erst ein e „Au ssage" gegen ihn ge
macht und noch kein „Beweis" gegeben war, hing an einem Faden. Dieser selbst schien sich der Gefahr, in welcher er schwebte, deutlich genug bewußt zu sein, obwohl er kein Äuge ausschlug, denn er zitterte am ganzen Leibe wie Espenlaub, und sein Gesicht war so fahl wie die Mondscheibe im Nebeldunst. Nur allein die beiden Fürsten behielten ihre Geistesgegenwart, und wenn schon auch sie auf's Höchste erregt waren, so ließen sie sich doch von dem allgemeinen Sturme nicht Hinreißen.
„Junger Mann," sprach der Herzog von Württemberg, nachdem ein Wink seiner Hand die Ruhe wieder in Etwas hergestellt hatte, „du hast eine schwere Anklage erhoben, eine Anklage, auf welcher der Galgen und das Nad steht, sag' an, auf was gründest du dieselbe. Sprich die Wahrheit ohne Scheu, aber hüte dich wohl, ein Wort hinzuzusctzen, das du später nicht verantworten könntest."
„Die Zunge möge mir verdorren, so ich etwas Anderes spreche, als das, was ich mit meinen eigenen Angen gesehen und mit meinen eigenen Ohren gehört habe," erwiederte der junge. Hans mit fester Stimme, und begann nun augenblicklich seine Erzählung. Er sagte also, was ihm am Tage vor der Jagd auf dem Wege nach Gammertingen begegnet sei, und was er von der Unterhaltung der beiden Männer, die er an der Kapelle traf, erlauscht habe; er erklärte daun weiter, wie er am Tage der Jagd selbst durch das Zwiegespräch dieser nämlichen Männer überrascht worden sei, ohne daß er sie hätte zu Gesicht bekommen können, und schloß sofort damit, daß er erzählte, wie er im Anfänge keineswegs an den Stiefbruder des Grafen, welchen er von Person gar nicht kannte, gedacht hätte, sondern wie erst vor wenigen Stunden auf dem Lichtensteine> als er die Stimme des jüngeren Weroenberg vernommen, — eine Stimme, die man mit einer anderen gar nicht verwechseln könne — die Gewißheit in sein Herz eiugezogen sei, daß der Mann, welcher den Räuber mit dem Fratzengesicht zum Morde des Grafen gedungen, kein anderer sein könne, als eben dieser neben ihm kniende Stiefbruder des älteren Herrn von Werdenberg. Zugleich, wiederholte er Wort für Wort, was er schon früher über das eben erlebte nächtliche Abentheuer und den Kampf mit den Räubern angegeben hatte, und endete damit, daß er sich bereit erklärte, auf diese seine Aussage das Evangelium zu küssen und das hetlige Abendmahl zu nehmen.
Eine tiefe Stille herrschte, während der junge Mann seine Aussage machte, und auch nachdem er geschloffen, wagte es einige Zeit lang Niemand, auch nur laut zu athmen. Doch endlich ergriff, auf einen Wink des Herzogs von Württemberg, der Fürst von Sigmaringen als Oberlehensherr der Grafen von Werdenberg das Wort.
„Habt Ihr auf diese Anklage ein Wort der Erwiderung?" fragte er, sich an den Stiefbruder des älteren Herrn von Werdenberg wendend.
Dieser kniete immer noch, von Hans mit eiserner Faust festgehalten, auf dem Boden, allein fein Gesicht war nicht mehr so fahl wie vor einigen Minuten, und seine Glieder hatten aufgehört zu zittern. Er hatte Zeit gefunden sich zu fassen, und ein höhnischer Triumphzug spielte jetzt um seinen Mund.
„Ob ich ein Wort der Erwiderung habe?" rief er. „Beim Himmel, die ganze Anklage ist eine Lüge vom ersten bis zum letzten Buchstaben, eine Luge, wie sie frecher noch nie erfunden wurde. Nie bin ich aus der Haide mit einem Mörder znsammen- gekonimen, und eben so wenig geschah dies im Walde mährend der Jagd. Wo sind die Zeugen, die mich dessen zu beschuldigen wagen, diesen einzigen Schändlichen neben mir ausgenommen? Weiß nicht vielmehr Jedermann, mit welch' inniger Liebe ich meinem Bruder von jeher zugethan mar? Habt ihr nicht selbst Alle gehört, daß ich mir jedmögliche Mühe gab, um denselben voit dem Wagniß der heutigen Nacht abzuhalten ? Wie würde sich das damit reimen, daß ich Mörder ausgestellt habe, die dem Grafen an der Kapelle hier auflauern sollten? Doch nicht genug an dem; die Worte dieses Niederträchtigen hier tragen den Stempel der frechsten Erfindung in sich selbst, denn wo ist der Mörder, den er niedergeschossen haben will ? Können Leichname von der Erde verschwinden, wie weggeblasen? Nein mein Herr Fürst und mein Herr Herzog, nicht ich bin die Ursache des Frevels, der hier ohne Zweifel begangen wurde, sondern hier, — hier hart an meiner Seite liegt der Thäter, der Mörder. Ja er — er, mein Ankläger, ist sicherlich der Schuldige! Oder wem sollte nicht klar ge i orden sein, daß all' dies Mysterium nur erfunden wurde, um den Verdacht von sich abzuwülzen? Wer hätte nicht gleich von Anfang an vermuthel, daß dieser Niederträchtige jenen geheimniß- vollen Brief an meinen Brudcr geschrieben und denselben hierher gelockt habe, um ihn meuchlings zu erdolchen und daun zu berauben? Bindet ihn und legt ihn auf die Folter, so bin ich sicher, daß er den ganzen Frevel eingesteht, und dann wird er auch angeben, in welche Höhlung er den Leichnam des Grafen, meines Bruders geworfen, um ihn von der Welt zu verbergen."
So sprach der jüngere Werdenberg, und je länger er sprach, um fo fester wurde seine Stimme und um so trotziger sein Blick, denn er bemerkte gar wohl, däß gar Viele der Anwesenden, die vor einem Augenblicke noch geschworen Hütten, er sei der Mörder, sich nunmehr auf seine Seite zu neigen begannen, und die Wahrheit dieser seiner Bemerkung bestätigte sich im nächsten Augenblicke mehr und mehr.
„Bei meiner Seligkeit," hörte man Einen der Umstehenden fast laut flüstern, „die Darstellung die uns der.jüngere Werdenberg gibt, hat etwas für sich, und ist überdies wahrscheinlicher, als die Erzählung des Jögerburschen."
(Fortsetzung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg