oisumlilatt.

Samstag

KeUage ;» Uv. 21.

18. Februar 1899.

Aerricceton.

Nachdruck verbot-n.

heimliche Liebe.

Roman von Helene Voigt.

(Fortsetzung.)

Aber ich liebe meinen Gemahl," rief sie mit jubelnden Tönen,liebe ihn, wie nur ein Weib es kann von dem Schwure am Altäre bis zu meinem letzten Atemzuge. Mag es kommen wie es will, mag er mich für treulos und pflichtvergessen halten und von sich stoßen, um jenes unseligen Jrrthums halber,

ich kann's nicht ändern, aber ich kann ihn auch ferner lieben I Wißen Sie denn, was reine, treue Liebe ist? Nein, Sie können es nicht einmal ahnen, denn das, was Sie so nennen, ist nur Leidenschaft."

Ja, Nora, Leidenschaft Sie zu besitzen."

Hoheitsvoll trat sie zurück, der ernste Blick ihrer Augen hielt den Rasenden zurück, er sank in die Kniee und zog den Zipfel des Mantels an die Lippen.

Zum letztenmale, Herr von Bieberstein geben Sie mir das Blatt

und mit ihm Albrechts Liebe wieder ich beschwöre Sie."

Nur um den Preis Deiner Liebe, Du holdes, schönes Weib," murmelte er, heiser vor Erregung,sonst niemals! Warum soll der stattliche Senator glücklich sein und ich elend?"

Ihr Antlitz erstarrte wie ein Stein, sie zog den Mantel fester um die Schultern, warf das Kopftuch über und wandte das Haupt hochmütig nach dem noch immer Knieenden.

Wir sind zu Ende, Herr Hauptmann, ich habe Ihnen nichts mehr zu sagen, sondern nur zu wünschen daß Sie durch Ihren Burschen mir hinaus­leuchten lassen."

Nora, Nora, gehen Sie nicht so von mir," flehte Bieberstein tief erregt, die ernsten braunen Augen hatten allein Gewalt über ihn,Haffen Sie mich denn so sehr?"

O nein, mein Herr," klang es kühl zurück,Sie sind für mich dasselbe, wie jeder andre Herr, den ich kennen lernte. Nur bereue ich, mich ein einziges- mal vor Ihnen gedemütigt zu haben. Leben Sie wohl wenn Sie morgen meinem Gemahl gegenüber stehen, wenn Sie auf ihn zielen dann denken Sie an diesen Augenblick und an meine Worte: Sie kennen die echte Frauenliebe nicht, sonst hätten Sie ein Weib, das zu Ihnen bitten kommt, nicht so schwer beleidigt. Mag das Duell stattfindcn, ich will es nicht hindern, aber es hat in meinen Augen nur den Zweck meine gekränkte Ehre rein zu waschen. Gott sei ein gerechter Richter in unserer Sache."

Mit einer gebieterischen Bewegung wies sie nach der Thür, halb mechanisch öffnete Bieberstein dieselbe und rief nach dem Burschen, um der gnädigen Frau zu leuchten. Mit tiefer stummer Vorbeugung schloß er die schwere eichene Thür hinter seinem Besuch und ging zurück in's Ziminer, ohne den kopfschüttelnden Burschen anzusehsn.

Wie seltsam! Noch nie hatte der Herr Hauptmann einen Besuch so feier­lich selbst hinausgeleitet, auch war heute nicht Wein getrunken und mit Gläsern angestoßen worden; und die Dame sah so vornehm aus.

Drin im Zimmer stand währenddem Herr von Bieberstein, die Hand vor den Augen, in tiefe Gedanken versunken; das Helle Licht des Kronleuchters fiel auf sein Antlitz, er sah blaß und verstört aus, er atmete schwer. War es denn in der Thal so, wußte er nicht, waS reine, echte Liebe sei?

Nora hatte es gesagt, sie, di« er zu lieben meinte, ihr Blick war tief in feine Seele gedrungen und hatte da Gefühle erweckt, die lange, lange geschlum­mert. Am Boden lag eine dunkelrote Sammtschleife, Bieberstein hob sie auf, schaute unverwandt darauf hin und preßte sie endlich an die Lippen.

Nora," flüsterte er erregt,Sie sollen mit mir zufrieden sein. Ich will mich nicht von einem Weibe beschämen lassen?"

Trostlos, außer sich vor Zorn und Scham über den Brief Ihrer Mutter und Biebersteins Ansinnen, eilte die arme Nora heim; eS schlug zehn Uhr, als sie in's Haus trat, sie war länger fortgebliebcn, wie sie gedacht und meinte, nun alles längst schlafend zu finden. Da klang die Thür von ihres Mannes Zimmer, seine hohe Gestalt trat in den Nahmen derselben und er frug ruhig:Winkler, sind Sie noch da?"

Dis junge Frau fuhr zusammen, waS Mußte er denken, daß sie noch so spät ausgegangen sei, er, der so voll Mißtrauen jetzt war?

Ich bin es," sagte sie endlich langsam, mit fast verlöschender Stimme, aber sie wagte nicht auszublickm.

Nora, Du?" frug er und einen Moment schien es, als ob sein Auge milder werden wolle, doch dann richtete er sich hoch auf, trat kalt zur Seite und sagte:

Entschuldige, wenn ich Dich störte ich wußte nicht, daß Du ausge­gangen seist."

Wortlos schlüpfte sie an ihm vorüber, die Treppe hinan, sie hätte auf­weinen mögen vor Jammer, aber sie preßte die Zähne zusammen und schwieg; erst in ihrem Boudoir brach das künstliche Gebäude von Selbstbeherrschung und moralischer Kraft, sie warf leidenschaftlich Shaw! und Mantel von sich und sank in die Kniee. Ihr Glück war vorbei, dis Zukunft kalt und tot für sie, denn Albrecht liebte sie nicht mehr er hielt sie für ein treuloses, pflichtvergessenes Geschöpf, jetzt wahrscheinlich mehr denn je!

In seinem Zimmer schritt der Senator währenddem unruhig auf und nieder, ein angefangener Brief lag auf seinem Schreibtische, aber er konnte ihn noch immer nicht beenden. Dort auf dem Fensterbrett stand der elegant einge­legte Pistolenkasten geöffnet, Albrecht nahm seine Lieblingswaffe heraus, einen amerikanischen sechsläufigen Revolver und spannte den Hahn, die Waffe war allerdings nicht geladen, doch schon das unheimliche Knacken machte ihn ernst. In wenigen Stunden stand er er seinem Feinde gegenüber Auge in Auge, und wer am besten traf, räumte den andern beiseite. Würde Nora wohl den Mörder ihres Gemahls noch immer lieben, ihm vielleicht später wohl gar die Hand reichen? Der Gedanke war ein fürchterlicher. Van der Huylen knirschte mit den Zähnen, seine Fäuste ballten sich und klirrend warf er den Revolver beiseite.

Und wenn nun er den Hauptmann erschoß? Was wurde dann aus ihnen beiden? Nora ging zur Mutter und er blieb im alten, öden Senatoren­hause zurück, einsam freudlos und nur in der Erinnerung lebend?

Wo mochte sie gewesen sein, als er sie beim Heimkommen getroffen? Sie schien erschrocken, das kummervolle Gefichtchen ward kreidebleich, und er meinte sogar, Thränen in ihren Augen bemerkt zu haben.

Arme Nora," murmelte er sehr ernst,sie liebt mich nicht und meint doch, durch Fesseln der Dankbarkeit an mich gebunden zu sein. Aber Geduld! Sobald Lothar gesund und das Duell vorüber ist, reist sie zur Mutter und alles wird wie zuvor. Niemand empfindet dabei einen Schmerz, als nur der kalte, rechnende Kaufmann, dessen Herz eigentlich nur eine Addiertafel ist!"

Langsam setzte er sich an den Schreibtisch, nahm den begonnenen Brief in die Höhe, überlas das Geschriebene und fuhr dann fort, ihn zu beendigen.

Meine liebe Nora!

Fast möchte ich Dich heute um Entschuldigung bitten, nochmals diese ver­trauliche Anrede zu gebrauchen, indes sie kommt mir unwillkürlich auf die Lippen sie gehört noch zur Vergangenheit und muß abgestreift werden, wie alles, was an die Zeit unsrer kurzen Ehe erinnert. Mir schien sie kurz. Dir, armes Kind, gewiß unerträglich lang und ich müßte Deiner Mutter eigentlich Dank wissen, daß sie mich ausklärte über den traurigen Zustand Deines Gemütes. Daß ich heute demjenigen mit der Waffe in der Hand gegenüber trete, welcher, wie mir Deine Mutter gleichfalls mitteilte. Dein Herz besitzt, geschieht, um Deiner Ehre zu genügen, denn ich bin kein Engel, welcher sieht, wie ein anderer die Liebe des Weibes erringt, welches er selbst aber nein, von meinen eigenen Gefühlen will ich schweigen. Er oder ich Gott mag richten. Mein Testament Habs ich gemacht, nimm das, was ich für Dich darin bestimmt, als Andenken für den Todten, dem Du alles gewesen bist I Das Scheiden vom Leben fällt mir nicht schwer, ich verliere nichts, denn ich besitze nichts, hoffe nur allein auf Gottes Gnade. Das Jahr an Deiner Seite, Nora, war mein schönstes und Du wirst nicht zürnen, wenn ich es in dieser Stunde Dir sage. Auch Lothar und seine Braut soll freundlich an mich denken, vielleicht haben Sie noch manchmal ein paar Blumen für da« Grab des armen Senators, der so wenig auf Erden genoß.

Es wird spät, Kind, ich will noch ein wenig ruhen, ehe der Morgen graut, damit meine Hand nicht zittert; so lebe wohl, Gott behüte Dich, Nora, und wenn ein einziger Gedanke an denjenigen, den die Welt einst Deinen Gatten nannte, zu mir in ein besseres Jenseits fliegt, so sei gesegnet dafür.

Albrecht."

Der Brief war beendet, adressiert und das Couvert geschloffen, van der Huylen hatte neben dem Namen seiner Gemahlin noch die Bemerkung angegeben: nach meinem Tode zu lesen." Noch ein letztes mal preßte er ihn an die Lippen, dann legte er ihn neben das gleichfalls versiegelte Testament und ein für den Buchhalter Winkler bestimmtes Schreiben.

Tiefaufseufzend trat er zum Fenster und öffnete den einen Flügel; draußen war's still und milde, die Sterne blitzten und flimmerten, kein Lüftchen rührte sich, kein Laut drang zu dem einsamen Mann am Fenster.

Der letzte Abend vielleicht im Leben, morgen tot und kalt, wenn des Gegners Waffe richtig traf! ES war doch ein seltsames Empfinden, das van der Huylen ergriff, bei dem Gedanken! Es war nicht Feigheit im gewöhnlichen Sinne des Wortes, es war Bedauern, nicht länger mehr wie bisher in voller Kraft wirken und schaffen zu können; hätte Nora an seiner Seite gestanden, ihre kleine Hand in der seinen, dann, meinte er, wäre der Kampf nicht so furchtbar und trostlos gewesen.

(Fortsetzung folgt.)