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deS Näheren besprechen. Es ist Alles still und sicher, und . . .
„Heide, der du bist!" rief der Erstere fast entsetzt. „Bist du wahnsinnig geworden, Mensch ? Willst du die Rache des Himmels ouf dich herabbeschwören, daß du das Heiligthum des Herrn auf solche Art zu entweihen wagst?"
„Nun, so bleiben wir, wo wir sind," entgegnete der Andere spöttisch; „ich mußte nicht, daß Ihr Euch vor dem lobten Bilde da immer fürchtet."
„Nein auch hier bleiben wir nicht, versetzte der Reitersmann. „Wie leicht könnte sich Einer über die Heide her hinter die Kapelle schleichen und so ohne daß wir seiner gewahr würden, alle unsere Worte belauschen? Ich liebe die freie Umsicht, darum solge mir unter jene Buche dort oben, von der aus wir jedes Herannahenden schon auf tausend Schritte gewahr werden."
Mit diesen Worten führte er sein Pferd vorwärts, einem nur wenige hundert Fuß entfernten Baume zu, der wie ein Riese die ganze Gegend beherrschte, und sein Genosse folgte ihm schweigend aber kopfschüttelnd. Nun erst, als ihre Tritte nach und nach verhallten, wagte es der junge Jägersmann, sich aus seinem Verstecke zu erheben. Er hatte jedes Wort gehört, konnte aber doch aus dem Ganzen nicht recht klug werden, obgleich ihm so viel gewiß schien, daß die beiden Männer hier schon vor Jahren eine Schurkerei mit einander begangen hatten, und nunmehr auf eine neue auszugehen im Begriff waren. Allein worin dieser Schurkenstreich bestehe, und wann er ausgcführt werden solle, darüber hatten sie fick nicht ausgesprochen. Er trat nun an eines der kleinen Fenster, durch welche die Kapelle beleuchtet wurde, und schaute vorsichtig hinaus, ob er nicht möglicherweise Einen der Gesellen zu erkennen vermöchte. Einige Zeit lang war seine Mühe vergebens, denn die Beiden wandten ihm den Rücken zu, aber siehe da, jetzt drehte sich der Hinterste, um nach einem Vogel zu sehen, der über ihm hinkreiste, und im Momente erinnerte sich der junge Forstmann, wen er vor sich habe.
„Das ist ja dasselbe Gaunergesicht," flüsterte er, „das ich schon einmal auf's Korn genommen habe. Bei Gott, der Kerl hat eine Fratze, wie sie der Teufel selbst nicht teufelmäßiger erfinden könnte! Und sonderbar je länger ich diesen Schuft ansehe, um so mehr meine ich ihm früher in meinem Leben schon begegnet zu sein. Ja, gleich im Anfänge, als ich ihn zum ersten Male sah, war es mir, als ob dieses Gesicht eine alte Erinnerung in mir weckte; und doch kann ich mich mit aller Gewalt nicht auf das Nähere besinnen. Hm! Ich wollte, ich hätte meine Büchse bei mir und wir stünden auf gut württembergischem Boden!"
Er versank in eine tiefe Träumerei, aber bald raffte er sich wieder empor und schaute von Neuem nach den beiden verdächtigen Gesellen, die immer noch unter dem Baume standen und sich obwohl man — vergebens! Die Erinnerung wollte nicht kommen, und noch weniger erkannte er den Begleiter des Fratzengesichtes, den Reitersmann, der sein Roß am Zügel
hielt, denn dieser hatte sich, trotz des hohen Sommers, durchaus in einen grauen Mantel gewickelt und überdies über Stirne und Wangen ein weißes Tuch gebunden, so daß man von seinem Gesichte gar nichts gewahr wurde. So vergingen abermals etwa zehn Minuten, da sah Hans, wie der im Mantel, nachdem er dem Andern die Hand gegeben, sein Pferd bestieg und im schnellsten Galopp über die Haide hinritt und zwar ganz in derselben Richtung, die er selbst einzuschlagen hatte, während der andere Strauchklepper, sich auf die Seite wendeud dem Walde zueilte, und nach wenigen Minuten daselbst verschwand.
(Fortsetzung folgt.)
Aberglaube. (Schluß.)
Nach einer angstvoll durchwachten Nacht machte die Wittwe sich schon am frühen Morgen auf, um dem Oberinspektor die Noth ihres verstorbenen Mannes, wie auch das Mittel zur Abhilfe derselben vorzu- tragen, und bat ihn um Aushändigung der deponirten 50 Thlr. Sichtlich bewegt bestärkte der Oberinspektor die Frau in ihrem Entschlüsse, ihre Ersparnisse dem Heile ihres Mannes zu opfern, erkundigte sich genau nach der Stunde, zu welcher Petrus in nächster Nacht zu kommen versprochen habe, händigte der Frau das Geld aus und ermahnte sie, doch nur recht verschwiegen zu sein, weil Petrus sonst möglicherweise nicht wiederkommen dürfte; dies versprach die besorgte Wiitwe denn auch feierlichst. Gegen 11 Uhr Abends machte sich der Oberinspektor mit einigen handfesten, zuverlässigen Knechten auf, umstellte in der dunklen Nacht die Wohnung der Wittwe und wartete der Dinge, die da kommen sollten. Nicht gar zu lange wurde seine Geduld auf die Probe gestellt, denn bald nach 11 Uhr bewegte sich auf der Dorfgasse eine weiße Gestalt dem Hause zu, klopfte an das Fenster der matt erleuchteten Wohnstube der Wittwe, welche betend im Zimmer saß und des Apostels wartete, und nahm nach Oeffnung des Fensters das Geld in Empfang, wobei sie für den Verstorbenen nunmehr sofortige Seligkeit in Aussicht stellte. Da packten plötzlich derbe Hände den Kragen des angeblichen Heiligen, rissen ihm die Larve sowie das über die Kleider gezogene weiße Hemd ab, und es entpuppte sicheln sehr gewöhnlicher Sterblicher, ein Hofmann desselben Vorwerks, der als genauer Bekannter des verstorbenen Jnstmannes dessen Verhältnisse, sowie die Beschränktheit der Hinterbliebenen Wittwe kannte und dieselbe hatte ausbeuten wollen. Der Betrüger ist bereits der zuständigen Gerichtsbehörde übergeben worden.
(Das deutsche Eisen bahnbetriebsregle me nt.) Eine Folge der Einigung Deutschlands ist u. A. die Einführung eines Betriebsreglements für die Eisenbahnen Deutschlands. Dieses Reglement findet auf sämmtlichen Eisenbahnen DeutschlanoS im Lokal- und Verbandverkehr, sowie im Verkehr von Bahn zu Bahn Anwendung und es gelten Spezialbcstimmungen der einzelnen Bahnenverwaltnngen nur, wenn sie mit diesem Reglement nicht im Widerspruche stehen oder wenn sie dem Publikum günstigere Bedingungen gewähren. Es dürfte von Interesse sein, die hauptsächlichsten Bestimmungen u. zwar zunächst über den Personenlransport hier in Kürze anzuführen. Eine zwar nicht ganz neue, aber vielfach sehr außer Uebung gekommene Bestimmung ist die, daß Niemand die Bahnhöfe und die Bahn außerhalb der dem Publikum bestimmungsmäßig für immer (z. B. Restaurationen, Anlagen) oder zeitweilig (z. B. Wärtsäle) geöffneten Räume betreten darf, und daß auch da das Vorzeigen des Reisebillels verlangt werden kann. Daß also ohne Billet Wegweisung aus den Wartsälen und vom Trottoir erfolgen kann, sollte sich Jeder merken und besonders an solchen Orten, an welchen der Bahnhof das Ziel der Spaziergänger ist, die durch ihre Menge oft dem reisenden Publikum lästig werden. Auf allen Stationen muß ein Tarif ausgehängt werden, der die Fahrpreise nach allen Stationen enthält, nach welchen bei der betreffenden Kasse Billete verkauft werden, und der es so möglich macht, das Fahrgeld abgezählt bereit zu halten, was bei stärkerem Verkehr absolut nöthig ist, um Aufenthalt an den Kassen zu vermeiden und rechtzeitige Abfahrt der Züge zu sichern, zu welchem Zwecke noch weiter festgesetzt ist, daß, wer bis 5 Minuten vor Abgang eines Zugs noch kein Billet gelöst hat, auf Verabfolgung eines solchen keinen Anspruch habe. Wer ohne Billet in einen Zug einsteigt, muß, wenn er unaufgefordert hievon den Kondukteur oder Zug- ineister in Kenntniß setzt, einen um 10 Silbergr. erhöhten Fahrpreis zahlen, wer dies aber nicht lhut, hat die doppelte Fahrtaxe, mindestens aber 2 Thaler zu bezahlen. Dieser strengen Bestimmung steht aber die Anordnung gegenüber, daß überall die Wartsäle eine Stunde, und die Billetkassen und Gepäckexpeditionen auf größeren Stationen mindestens 1 Stunde, auf den kleinen mindestens */s Stunde vor Abgang der Personenzüge geöffnet sein müssen, so daß es jedermann möglich wird, sich rechtzeitig sein Fahrbillet zu lösen.
(Schluß folgt.)
W i l d b a d.
Gartemmrth schafts - Eröffnung.
Sonntag den 28. April L »»i re vom
8extelt «1er VVilübuüer Lureapelle. Anfang 3 Uhr.
Von 8 Uht an Abend-Unterhaltung im Saale, unter Mitwirkung des Mlüdüller Iüe«lerkrLme8, wozu höflichst einladet K*. KjLvsvr.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbürg.