schaft in unserer Provinz von einem Vertreter der alten Anschauungen bemerkt wurde, daß die Verfassungszustände in Deutschland sich wohl kaum länger als noch 50 Jahre haltbar erweisen würden, antwortete er, daß er eigentlich für die Gegenwart zu viel zu thun habe, um sich mit tiefsinnigen Spekulationen beschäftigen zu können, was nach einem halben Jahrhundert wohl geschehen werde. Wenn er aber über Konstitutionen seine Meinung äußern solle, so müsse er sagen, dieselben seien in der heutigen Zeit nicht mehr zu entbehren. Die Volksvertretung und die Presse müßten der Regierung durchaus zur Seite stehen; denn auch der größte absolute Monarch könne heut nicht mehr die verwickelten Verhältnisse des Staatswesens beherrschen. Die Volksvertretung und die Presse hätten vor Allem die Pflicht, die Schäden der Verwaltung aufzndecken. Mit der hohen Politik sollten sie sich weniger beschäftigen; denn in dieser seien die leitenden Fäden meist so verborgen, daß der Uneingeweihte kein genügendes Urtheil gewinnen könne.
Württemberg.
Oberndorf, 16. April. Der Erfinder eines neuen Hinterladers, welcher seit mehreren Monaten in Berlin, bezw. Spandau weilt, Herr W. Mauser, ist nach hier eingetroffener telegraphischer Nachricht von dem deutschen Kaiser mit einem Orden ausgezeichnet worden. (Lt.-Anz.)
- Stuttgart, 15. April. In nächster Woche beginnen zu Berlin die Verhandlungen wegen Abschluß eines neuen Postvertrags zwischen dem deutschen Reich und der österreichisch - ungarischen Monarchie. Nach dem Wunsch der kaiserlichen Reichsregierung wird an diesen Verhandlungen ein höherer württemb. Postbeamter mit Kaiserl. Vollmacht Theil nehmen, und es ist zu diesem Zwecke mit Genehmigung Seiner Majestät des Königs der Direktor v. Hofacker nach Berlin abgeordnet worden.
(St.-A.)
Stuttgart, 15. April. Gestern früh sind mit dem ersten Personenzug unter Führung des Premierlieutenants v. Groll 34 Unteroffiziere der sämmtlichen im Lande befindlichen Jnfanterieregimenter nach Potsdam abgegangen, um an dem halbjährigen Lehrkurs des dortigen Lehrbataillons Theil zu nehmen.
— Das Wochenblatt für Land- und Forstwirthschaft Nr. 14 enthält einen Aufsatz von F. Wais vom Mösselhof über einen „Hemmschuh der Obstbaumzucht auf der Alb"; einen Aufsatz von I. G. Merz in Kirchberg über die Frage: in welchem Verhältniß müssen die Holzmacherlöhne in Folge der Einführung des neuen Maßes erhöht werden.
In der am 18. März stattgehabten Sitzung des „landwirthschaftlichen Klubs" wurde, wie man dem /Schwäb. Merkur" schreibt, über die Reorganisation der landwirthschaftlichen Vereine und Behörden und deren Stellung zu der Regierung verhandelt. Man einigte sich über folgende Punkte: 1) Die Bezirksvereine sollen vorerst in ihrer jetzigen Verfassung bestehen bleiben. 2) Vier
bis fünf Bezirksvereine treten zu Einem Gauverein zusammen. 3) Die Beiträge, welche der Staat zu landwirthschaftlichen Zwecken verwilligt, sollen nur an die Gauvereine verabfolgt werden. 4) Jeder Gauverein ernennt einen Delegirten zum Landeskulturrath, welcher, mit dem Recht der Initiative ausgestattet, periodisch zu allgemeinen Berathungen Zusammentritt. 5) An der Spitze des Landeskulturraths steht ein von der Regierung ernannter Vorstand, der die Anträge des Landeskulturraths im Ministerium vertritt.
Stuttgart, 14. April. Das wegen seiner Heilquellen und reizenden Lage berühmte Bad „Liebenzell" nebst schönem Badhotel und 30 Morgen Gütern, ist dieser Tage von dem seitherigen Oberkellner im Hotel Marquardt, Herrman Bürkle, vom Staate um die Summe von 38,000 fl. käuflich erworben worden. Dasselbe war jahrelang im Besitze des Herrn Wetzel, und wurde, weil ein Theil der Güter zum Eisenbahnbau nothwendig war, vom Staate gekauft. Der jetzige Besitzer wird dasselbe bis 15. Mai beziehen und sämmü liche Zimmer, es sind deren 60, auf das Eleganteste einrichten lassen. Etwa in Jahresfrist wird die Eisenbahn bis dahin fertig werden, und sind sowohl Teinach als Liebenzell in wenigen Wochen nach Eröffnung der Calwer Bahn von Stuttgart aus in einigen Stunden zu erreichen.
H Auf der Moskauer Ausstellung wird auch die württembergische Postverwaltnng vertreten sein mit einer Reihe von Utensilien und Gerälhen, mit Einrichtungen und mechanischen Hilfsmitteln, die ihr eigenthümlich sind.
Z Der „Neckarbote" von Canstatt berichtet von einer dem dortigen Gewerbe- Verein zugegangenen Zuschrift des Kohlen- Comiläs von Stuttgart, in welcher derselbe eingeladen wird, sich durch eine Eingabe an das Reichs-Ministerium wegen Erreichung eines durch ganz Deutschland gleichmäßig durchgeführten Einkreuzer-Ta- rifs auf sämmtlichen Eisenbahnen zumenden. Die Gründe, warum die Kohlenfrachten sich für Württemberg ausnahmsweise hoch stellen, dürften bekannt sein; sie liegen nicht zu Ungunsten der württembergischen Verwaltung. Der Canstatter Gewerbeverein ist der Eingabe bereitwillig bcige- treten.
§ Der Winterkurs der FortbildungS- Schule in Reutlingen ergab nach der dortigen „Kreis-Zeitung" ein besonders günstiges Resultat; die ausgestellten Arbeiten gaben für den Fleiß der Schüler und für die beharrliche und erfolgreiche Thätigkeit der Lehrer ehrendes Zeugniß. Die Zahl der Schüler erreichte beinahe 300; auffallend ist, daß einzelne Gewerbe: Schneider, Schuhmacher nur durch je einen Schüler repräsentirt waren. Die Reutlinger Schule gilt für eine der Besten im Lande; Lehrstellen daselbst sind gesucht.
Ludwigsburg. Am 1. Mai findet hier eine Versammlung württembergischer Bienenzüchter statt.
Heilbronn, 17. April. (Karloffel- markt.) Die Zufuhren war heute bedeutend
bis 2 fl. 6 kr. pr. Ztr., und wurde das ganze zu Markt gebrachte Quantum verkauft.
Ausland.
In Paris dauern die Anklagen fort. Gramont und Jules Favre sollen wegen Veruntreuung, oder auch nur wegen Veröffentlichung von Staatsdocumenten angeklagt werden. Es gibt kaum noch einen politischen Mann in Frankreich, ven nicht die eine oder die andere Partei für einen Verrüther, Betrüger oder sonst dergleichen hielte und erklärte.
Das „Journal de Beifort" bringt die Notiz: „in der Stadt Mühlhausen zähle man ungefähr 60,000 Optionen für die französische Nationalität." Bei der neueste» Volkszählung betrug die Einwohnerzahl Mühlhausens einschließlich Weiber und Kinder 53,000.
Miszellen.
(Fromme Unterhaltung.) Als am letzten Sonntag in einer Berliner Kirche die mächtigen Töne der Orgel den Raum erfüllten, sah sich eine Dame genöthigt, ihr erst leise begonnenes Gespräch mit der Nachbarin sehr laut weiter zu führen, um nur in etwas der Kraft der Orgeltöne die Spitze zu bieten. Plötzlich spielte die Orgel pianissimo, die Dame war aber mit ihrer lauten Stimme so im Schuß, daß sie die Stille gar nicht bemerkte und zur Erbauung der andächtigen Gemeinde ihrer Nachbarin kräftig ins Ohr schrie: „Ich brate meine immer in Butter!"
Ein Phänomen. Ein Newyorker Blatt schreibt: In einem Dorfe bemühte sich kürzlich ein Wanderlehrer in einer Vorlesung seinen Zuhörern zu erklären, was ein Phänomen sei. „Ihr wißt wohl nicht, was ein Phänomen ist," sagte er, „ich will es Euch begreiflich machen. Ihr habt ohne Zweifel schon Alle eine Kuh gesehen. Nun, eine Kuh ist kein Phänomen. Ihr habt einen Apfelbaum gesehen. Nun ein Aepfelbaum ist auch kein Phänomen. Wenn Ihr aber eine Kuh auf den Apfelbaum steigen sehen würdet, um dort mit dem Schwänze Aepfel zu pflücken — seht Ihr, das wäre ein Phänomen!"
Brod- und Fleischpreise in Pforzheim vom 16.—30. April.
Halbweißbrod
(lange Form) S00 Grm. — 1 Pfd. 7 kr.
1 Kilo — 2 Pfd. 14 kr.
Schwarzbrot» 1 Kilo 2 Pfd. 9V-u. lOkr.
2 Kilo — 4 Pfs. 19 u. 20kr. Wasserweck für 2 kr. 100 Grm.
Ochsenfleisch V- Kilo 1 Pfd. 21 kr.
Rindfleisch „ „ 16,18kr. u.Lvkr.
Hammelfleisch „ „ „ 16 u. 20kr.
Kalbfleisch „ „ „ 13 u. 20 kr.
Schweinefleisch „ „ 20, 21 u. 22 kr.
Goldkours der K. Württ. Staatskassen- Verwaltung.
Friedrichs'dor . . . 9 fl. 67 kr.
Pistolen .... 9 fl. 39 kr.
20-Frankenstücke . . 9 fl. 20 kr.
Rand-Dukaten . . ö fl. 32 kr.
Stuttgart, den 16. April 1872._
uno neuren ncy oie 'Hreye aut
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Me eh in Neuenbür