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lich oder mündlich unter Vorlegung ihres Berechtigungsscheins, sofern ihnen derselbe bereits de- händigt ist, zu meiden und ihre Zurückstellung von der Aushebung zu beantragen, und zwar auch diejenigen, welche sich schon früher bei einem Truppenteil zum Diensteintrttt gemeldet haben und aus irgend einem Grund abgewiesen worden sind.
Calw, 4. Januar 1899.
K. Oberamt.
B o e l t e r.
Bekanntmachung.
In Unterhaugstett ist die Maul- und Klauenseuche erloschen.
Calw, den 5. Jan. 1899.
K. Oberamt. Gottsrt, Amtmann.
Tügesneuigkritrn.
* Calw, 7. Jan. Unter überaus zahlreicher Beteiligung aus Nah und Fern fand am gestrigen ErscheinunqSfcst die Beisetzung des so rasch aus dem Leben geschiedenen Hrn. Fabrikanten Carl Staelin auf dem hiesigen Friedhöfe statt. Im Trausrhause wurde von Hrn. Dekan Roos ein Gottesdienst ab- gehalren und der Leichnam eingesegnet. Vor dem Hause sang der Liederkranz das Lied „Gott ist getreu". Am Grabe hielt Hr. Dekan RooS die Trauerrede, in der er im Anschluß an das Bibelwort den Lebenslauf und den Charakter des Verstorbenen in ergreifender Weise 'childerte. Nach der Rede sang der Kirchengesangverein „Auferstehen, ja auferstehen wirst du", worauf verschiedene Kränze am Grabe niedergelegt wurden. Im Aufträge des Bürgervereins sprach hiebei Hr Professor Haug, im Namen der Creditbank für Landwirtschaft und Gewerbe der Vorsitzende deL Aussichtsrats, Hr. Fabrikant Emil Zahn, im Auftrag der Handelskammer Hr. Kommerzienrat Zoe pp ritz, im Namen des Veteranenvereins der Vorstand Hr. Bäckermeister Seeg er und im Namen der Arbeiter Hr. Köb in Tonneneck. Die innige Teilnahme, die dem Verstorbenen bei seinem letzten Gang von allen Seiten zu teil wurde, war ein Beweis der Liebe und Achtung, in welcher der Verschiedene bei seinen Mitbürgern gestanden war. Wir haben einen guten Mann begraben, hörte man vielfach sagen, und Vielen war er mehr.
Stuttgart, 4. Jan. Es ist bei verschiedenen Gelegenheiten und auch in der Kammer schon davon die Rede gewesen, daß im Richterstande vornehmlich der sogen. Kasernenton allzusehr einreiße, woher es auch komme, daß die württ. Bevölkerung m amtlichen Angelegenheiten lieber auf den Rathäusern als bei den Gerichten verkehren wolle. Aus Richterkreisen erfahren wir, daß die höheren Gerichtsbehörden die durchgängig mit älteren und erfahrenen Juristen besetzt sind, das allzu schroffe Vorgehen manche« jüngeren Kollegen nicht billigen. Dafür spricht auch ein Fall aus der Stuttgarter Praxis der letzten Jahre. Es war von einer Partei Klage geführt worden über den Ton eines jungen Richters bei einer öffentlichen Verhandlung, worauf die höhere Instanz der Angelegenheit näher trat und dem Betreffenden zu erkennen gab, daß er in der Folge gegen das Publikum sich rücksichtsvoller zu benehmen habe. — Wie wir hören hat
die Polizeibehörde sämtliche in größerer Anzahl eingegangenen Neujahrsgeschenke, welche von Privaten zur Uebergabe an die Schutzmannschaft gesandt wurden, wieder zurückgehen lassen, nachdem der Gemcinderat die Annahme derartiger Gaben verboten und beschlossen hat, die Schutzleute aus der Stadtkaffe zu entschädigen.
Berlin, 3. Jan. Der Zar Nikolaus von Rußland hat auch zum diesmaligen Jahreswechsel den Kaiser mit einem Geschenk erfreut, und zwar besteht dis Gabe aus zwei prächtigen Rothirschen für den königl. Wildpark bei Potsdam. In Folge von Schneeverwehungen in Rußland ist es jedoch nichts möglich gewesen, das wertvolle Angebinde rechtzeitig zu d.m bestimmten Termin in Potsdam eintreffsn zu lassen. Die Tiere sind vielmehr erst jetzt über die deutsch-russische Grenze bei Sosnowice gebracht worden.
Berlin» 4. Jan. Die Nachricht, daß Professor Otto Harnack zu den Seinen wieder zurück- gekehrt sei, wird von der Familie des Vermißten als völlig unbegründet bezeichnst. Die Nachforschungen nach dem Verbleib des Professors werden fortgesetzt.
Berlin, 4. Jan. Dis sämtlichen als Anarchisten bekannten Personen in Magdeburg wurden dem Berliner Tageblatt zufolge dort auf die Polizei beschieden, wo die Aufnahme ihrer Personalien erfolgte. Die beabsichtigte Körpermessung unterblieb infolge energischen Protestes der Betreffenden. Die Sozialdemokraten wollen im Reichstage wegen dieses Vorganges die Regierung interpellieren.
Berlin, 4. Jan. Aus Flensburg wird dem Berliner Lokal-Anzeiger telegraphirt: Der dänische Gesellschafts-Verein in Apcnrade ist von der Polizei- Behörde für politisch erklärt und ans Grund des Z 8 des Vereins-Gesetzes geschloffen worden. — Aus Hadersleben wird dem Vorwärts berichtet, daß wiederum 24 Personen, deren Dienstherren bei einer Versammlung des dänischen Communal-Vereins anwesend waren, in welcher Abgeordneter Hansen über die Ausweisungen sprach, ihre Ausweisung angekündigt wurde für den Fall, daß sie nicht in dm Dienst Deutscher treten würden.
Airolo, 3. Jan. Der Schnee liegt 1 Meter hoch im Thal und 1?/- Meter hoch auf dem Saffo Roffo. Letzte Nacht um 2'/g Uhr fand ein neuer ziemlich starker Absturz statt. Jedoch stürzten dis Steine nur bis auf die Höhe von 1500 m hinunter. Die Bevölkerung wurde nicht alarmiert. Die Räumungsarbeiten wurden eingestellt.
Neapel, 31. Dez. Gestern Abend gegen 10 Uhr verließ der junge Holländer Franz van Bär die Pension Müller, wo er Wohnung genommen hatte, um sich nach dem nahe gelegenen Teatro della Vaneta zu begeben. Sein Weg führte ihn durch die Via Partenope, die sich in dem belebtesten Stadtteil Neapels, in der Nähe von Santa Lucia, am Meer hinzieht. Auf einmal stürzten aus einem dunklen Seitengäßchen 3 Kerls auf den harmlosen Spaziergänger zu und verlangten ihm seine Brieftasche und seine Uhr ab. van Bär verstand die Kerle nicht gleich und suchte sich von ihnen zu entfernen. Im nächsten Augenblick hatte er 3 Dolchstiche in Brust und Rücken. Vorübergehende und Polizisten eilten herbei. Dis Räuber waren im Nu verschwunden, während ihr Opfer blutüberströmt zu Boden stürzte. Man ver
brachte ihn nach dem Krankenhause. Auf dem Wege dorthin wurde ihm seine goldene Uhr und Kette, die er vor den Räubern gerettet hatte, nachträglich noch gestohlen. Er ist sehr schwer verwundet, und die Aerzte zweifeln an seiner Rettung.
Vermischtes.
— Bald fliegen die Schmetterlinge auch zur Winterszeit. Heute am 7. Januar wurde uns ^n wohlausgebildetes Pfauenauge überbracht.
' " r. Calw, 5. Jan. Ein in der Nähe eines
^Schulhauses wohnender, in seinen Ausdrücken nicht gerade wählerischer Schreincrmeister rief kürzlich — ehe de; Lehrer zur Schule kam — den auf der Straße mit Schneeballen werfenden Knaben zu: Nun, ist Euer L v»p noch nicht dal Selbstverständlich ließ der betreffende Lehre; diesen Ausdruck nicht ruhig aus sich liegen und wurde klagbar. Bei dem Sühnsversuch erklärte sich der Schreinermeistsr bereit als Buße 10 in die Armenkaffe zu zahlen und dem beleidigten Lehrer vor den versammelten Schülern öffentlich Abbitte zu thun, was denn auch heute sofort geschah. Es ist anzunehmen, daß der also Bestrafte künftig hin mit seiner Zunge vorsichtiger sein wird.
— Neue Reichskassenscheine. Die schon früher angekündigten neuen 100- und 1000- Markscheins sind, wie Berliner Bl. berichten, jetzt von den amtlichen Kasstn bei der NeujahrSgehalts- und Pension?auezahlung dem Verkehr übergeben worden. Di« neuen Scheine haben dieselbe Größe wie die alten, auch ist der Druck genau derselbe geblieben Während jedoch bei den alten Scheinen der Faseistreifen sich auf der rechten Seite in einer Brette von etwa 3'/» Zentimeter befindet, ist bei den neuen Scheinen die ganze linke Hälfte mit den Fasern versehen, und zwar bei den 100 Markscheinen auf rotem, bei den 1000-Markscheinen auf grünem Untergrund. Die 100.Markscheine sind also rot-blau, die 1000- Markschein grün-braun. Die neuen Banknoten haben auch noch ein drittes Wasserzeichen links von dem in der rechten oberen Ecke angebrachten Ruvdstempel des Reichsbankdirektoriums. Sämtliche neuen Scheine sind ,8er1in, äen 1. lull 1898" gezeichnet.
SLarrdesaMt Kak».
Geborene-
31. Dez. Ernst Hugo, S. des Otto Zimmermann, Kaufmanns^
Gestorbene:
4. Jan. Friedrich Karl Heinrich Staelin, Fabrikant, 64 Jahre alt.
4. „ Pauline geb. Schlatterer, Ehefrau des
Karl Hänßler, Finanzassistenten hier, 30 Jahre alt.
Gottrsdi-Es
am 1. Sonntag nach dem Erscheinungsfest, 8. Jan., Vom Turm- 508. Predigtlied: 603. 9'/- Uhr Vorm.-Predigt: Herr Stadtpfarrer Schmid. 1 Uhr: Christenlehre mit den Söhnen. 6 Uhr: Bibelstunde im VereinShauS, Herr Dekan RooS.
Mittwoch, 11. Jan.,
10 Uhr: Betstunde im Vereinshaus.
Kreitag, 13. Jan., Bußtag,
10 Uhr: Predigt im Vereinshans. Herr Dekan Roos.
6 Tt x fl ^ 6 1 z) TI. Nachdruck verboten.
heimliche Liebe.
Roman von Helene Voigt.
(Fortsetzung.)
Der Assessor nickte ernst vor sich hin. „Ja, die Mutter hätte Dich lieber an der Sette dieses wüsten Spielers, denn als Gattin eines ehrenhaften Kaufmannes gesehen; ich weiß es wohl, Nora, und wenn Du mit deinem Manne stündest wie andere Frauen, so gingest Du zu ihm und erzähltest ihm alles, dann könnten keine Verwicklungen entstehen."
„Nein, Lothar, nur das nicht — sage Du es ihm — aber ich bringe es nicht über die Lippen!"
„So wird es die Mutter thun — und das ist das Schlimmste I"
Der Zug hielt, aus einem Salonwagen erster Klaffe stieg eine Dame in elegantem Staubmantel und schlug den blauen Schleier zurück, so daß ein scharfgeschnittenes, früher vielleicht schönes Gesicht sichtbar wurde.
„Ah, meine lieben Kinder!" rief die Dame lebhaft. „Wie freundlich, daß Ihr selbst kommt, nur Albrecht scheint die unangenehme Pflicht von sich geschüttelt zu haben; o, liebste Nora, entschuldige ihn nicht erst, ein Kaufmann hat immer ttn Geschäfte zu thun, ich nehme es ihm nicht übel."
Aber die Worte hatten doch die junge Frau scharf verletzt, und sie küßte ziemlich steif die Hand der Mutter, während Lorhar das Gepäck zu besorgen eilte. Frau von Trahlow kam von Wiesbaden, wo sie sich seit der Verheiratung ihrer Tochter niedergelassen hatte. Sie hatte viel zu erzählen, und sie schien Noras Schweigen kaum zu bemerken.
Als der elegante Wagen vor dem Senatorenhause hielt, stand van der Huylen auf der Freitreppe, begrüßte seine Schwiegermutter höflich und führte sie sogleich in das für sie hergerichtete Zimmer, wohin Nora ihr folgte, nachdem sie Lothar zugerufen, zum Kaffee zu bleiben.
Erschöpft ließ sich Frau von Trahlow in ein Fauteuil gleiten und rieb
die Stirn mit kölnischem Wasser, während ihre Tochter mit dem Stubenmädchen den Koffer öffnete und das Nötigste auszupacken begann.
„Dem Himmel sei Dank, daß ich endlich angelangt bin," seufzte sie schmachtend, „nein, dieses Eisenbahnfähren bringt mich fast um, es ist zu anstrengend, ich hätte unterwegs einen Aufenthalt machen sollen."
„Du kannst Dich bei uns wenigstens ganz nach Deinem Belieben ausruhen, Mama," meinte Nora freundlich, „hier im alten Senatorenhause giebt es genug Ruhe und auch unser Garten ladet dazu ein."
„Du hast Dich wohl sehr gut mit Deinem Kaufmann eingelebt, Kind?" frug die Mutter spöttisch und hielt das Riechfläschchen an die Nase, „nun, um so besser für Dich, wenn Du den verlorenen Namen nicht bereust."
„Liebe Mama," sagte die junge Frau und richtete sich hoch auf, „PapaS Wunsch hat mir meinen Mann erwählt und somit steht es mir nicht zu, daS Geschehene zu beklagen, auch wenn ich Ursache dazu hätte, was keineswegs der Fall ist! Aber Du wirst emsehen, daß ich recht habe, wenn ich Dich bitte, nicht nuhr so abfällig über van der Huylen zu urteilen, der mich aus einem armen Mädchen zu einer reichen Frau machte."
„Ah so," lachte Frau von Trahlow scharf, „am Golde hängt, nach Golde drängt doch alles — der Welt Lauf, ich hätte es mir denken können!"
„Verletzt schwieg die junge Frau, nimmermehr hätte sie der Mutter erklären mögen: „Es ist ja Liebe zu Albrecht, die ich fühle, einzig und allein Liebe." Und nun schlug sie den falschen Weg ein und wollte sich selbst ein- reden, es sei nur Dankbarkett l
„Ich hatte freilich eine andere Zukunft für Dich erwartet, Nora," fuhr die Mutter fort, „Deine Schönheit, Deine gesellschaftlichen Talente berechtigten Dich zu einer hervorragenden Stellung und nun bist Du begraben, eingeschloffen hier in dem düstren alten Hause unter trocknen Kaufleuten in bürgerlicher Atmosphäre. Puh, mir graut vor einem solchen Leben."
„Ich habe mich noch keine einzige Stunde in meines Mannes Hause elend gefühlt," erwiderte Frau van der Huylen heftig, „bitte, liebe Mama, mäßige Dich, wenn Du von meinem Hause und meinem Manne sprichst. Als er bei meiner Verheiratung das Geld zur Aussteuer gab, war eS Dir ja ganz recht und heute nennst Du ihn einen Krämer. (Fortsetzung folgt.)