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Miszellen.

Drei Tage aus Gcllcrt's Leben

von W. O. von Horn.

(Fortsetzung.)

Aber wie ein Sonnenblick nach trüben Tagen, so wirkte die Erzählung der Frau auf den kranken Mann und die Kinder. Alle streckten freudig ihre Hände den Wohlthätern entgegen und des Dankes war kein Ende. Siehst Du, liebe Frau, der Herr hat uns erhört! Er sei gelobt! rief der Kranke.

Von den Augen des alten Neidhardt rannen Thränen, so ergriff ihn der Dank der Armen. Geliert redete Worte des Trostes zu dem Kranken, die ihn erquickten und mit neuer Hoffnung be­lebten. Er versprach ihm den ihm befreundeten Arzt zu senden, und Neidhardt bekräftigte das.

Neidhardl ließ cs nicht bei dieser ersten Wohl- that. Er ließ den Sohn des Schusters bei eiuem Kaufmann in die Lehre treten und bezahlte das Lehrgeld und für die übrigen Kinder das Schul­geld, kleidete sie und erließ ihnen völlig die Miethe. Der Schuster genaß, das muß ich hier vergrei­send mittheilen, und Ncidhardt half ihm auf, daß er ein blühendes Geschäft gewann. Der Alte war von da an mic umgewandelt und blieb Gel- lert's Freund und wärmster Verehrer bis an sein Ende.

So war's am Tage vorher gegangen, und so war Gellert um seine dreißig Thaler gekommen. Aermer war er geworden, aber innerlich um Vieles reicher, und im stillen Kämmerlein dankte er dem, der sein Wort und Werk also gesegnet hatte.

Zweiter Tag (Fortsetzung.)

Als der kleine dicke Doctor aus Gellert's Stube trat, begegnete ihm die Magd des Hauses.

Zeige Sie mir doch des Herrn Professors Holzvorrath, sagte er.

Das Mädchen führte ihn zu einem Holzbe­hälter und sagte: da sieht's bedenklich aus, Herr Doctor, wenn nicht bald Ersatz kommt!

Thut nichts, sagte er kopfschüttelnd, er muß eine warme Stube haben! Lege Sie tüchtig ein! Dann eilte er heim, um seiner lieben Frau den Genuß zu bereiten, daß sie Gellert's Lied lese; aber so gut sollte es ihm heute nicht werden. Kaum bog er in die Straße zu seiner Wohnung ein, als eine arme Frau an ihn herantrat.

Ach, Herr Doctor, sagte sie, ich bitte, kommen Sie doch mit mir zu meinem kranken Manne, der Herr Professor Gellert wird es Ihnen gesagt haben, und der alte Neidhardt will es haben, daß ich Sie rufen soll! EL thut Noth!

Schon wieder Per gute Gellert, sprach in sich hinein der Arzt. Woher kennt Ihr den? fragte er dann die Frau.

Da ging der Frau das dankbare Herz auf, und sie begann zu erzählen.

Komm' Sie nur mit! Sie kann mir's im Gehen erzählen, strudelte der Doctor; aber mehr als einmal blieb er mitten in der Gasse stehen und horchte auf die Worte der Frau, die sein treffliches Herz tief ergriffen.

Nun weiß ich, wo sein Geld hingekommen ist, rief er aus, und warum er so arm ist, wie eine Kirchenmaus! Nun ist's mir klar, warum er in einer kalten Stube sitzt und kein Holz kau­fen kanu! Edler Mensch, Gott lohne Dir's'

Mit Schmerz hörte erst jetzt die arme Frau, wie groß das Opfer war, das Gellert ihr ge­bracht hatte.

Als sie das äußerte, rief aber der Doctor: Thut nichts, wird schon wieder Geld und Holz kriegen. So Einen verläßt der liebe Gott nicht! Glaube Sie mir!

Sie traten ein in das Häuschen und der Arzt vcrordnele das Nöthige und lief dann wieder fort, immer noch den Kopf und das Herz voll von Gellert's schöner That und dadurch hervorge­brachter Noth.

Als er zu seiner Thür kam, stand ein Bauern- bursche da und hielt ein stattliches, gesatteltes und aufgezäumtes Noß am Zügel.

Was giebt's? fragte er den Burschen.

Der Schultheiß von er nannte eins der nächsten Dörfer von Leipzig läßt Euch um Gotteswillcu bitten, gleich hinanszukommen. Unsere Frau ist in Nöthen. Ach, Herr Docter, es sind so brave Leute, und unser Herr verzweifelt fast, wenn ihr nicht bald kommt. Es soll schlimm sein;

Der Doctor war nicht bloß ein tüchtiger, sehr pflichttreuer Arzt, sondern auch ein Mensch von dem weichsten, besten Herzen.

Da blieb keine Wahl; seine Frau mußte mit dem Gedichte warten, bis er zurückkchrte. Er lief eiligst hinauf, holte den Ledersack mit den Instru­menten, rief seiner Frau ein paar freundliche Worte zu, eilte dann hinab, reichte dem Knechte den Sack mit den Instrumenten, schwang sich auf's Roß und trabte davon. Auf der Landstraße hielt es schwer durchzukommen, denn preußische Artillerie und Soldaten aller Waffen nahmen sie fast ganz ein. Dennoch gelang es dem Arzte, zeitig am Orte anzugelaiigen.

Vor einem stattlichen Bauenhause hielt er an, da cs der Knecht als das Haus seines Herrn, des Schultheißen, bezeichnete.

Ein Mann trat heraus, dem Kummer und Angst auf dem Gesichte geschrieben stand.' Nack- einigen mit ihm halblaut gewechselten Worten folgte ihm der Doctor in den oberen Thcil des Hauses.

Schon nach einer Stunde kam der Schultheiß mit dem Doctor herunter. Die Miene des Doctors drückte Befriedigung aus, und an die Stelle des Kummers und der Angst auf dem Angesichte des Schultheißen war Freude getreten.

Beide traten in das Zimmer, wo eine große Anzahl hoher preußischer Officiere sich eben zum Mittagsmahle niedersetzten.

Auch der Doctor mußte an der Tafel Platz nehmen, wo der Schultheiß, der zugleich Wirth- schaft hatte; die Bedienung besorgte.

Wer die Officiere waren, wußte Niemand. Nur sah man, daß sie einen mit großer Ehrer­bietung behandelten, der übrigens am wenigsten durch seinen militärischen Anzug sich auözeichnete. Es mußte eine sehr hohe Person sein, das sah man schon seinem ganzen Wesen an; aber das edle Gesicht trug das Siegel der Leutseligkeit und Milde.

Der Doctor hatte einen riesenmäßigen Hunger und arbeitete mit aller Thatkraft daran, ihn zu besiegen, ohne daß er auf das Gespräch der Off­nere geachtet hätte, und der Schultheiß, der m'' Freuden sah, wie es ihm so gut schmeckte, schob ihm immer neue Bissen zu.

(Fortsetzung folgt.)

Redaktion, Druck und Verlag von Z a k. Meeh in Neuenbürg.