Jndeß ist mit Grund zu hoffen, daß es den Mächten, die das allgemeine Verlangen nach Frieden, nach Wiederkehr des Vertrauens und Wiederbelebung von Handel und Gewerbe wohl kennen, gelingen werde, den längst vorhandenen Riß zwischen Türken und Griechen, wenn auch nicht zu heilen, so doch zu übertüuchen.

Turin, 5. Jan. Der von Professor Ni- beri gestiftete Preis von 20,000 Lire für das beste chirurgisch-medizinische Werk wurde von der Turiner medizinischen Akademie dem Professor Bruns zu Tübingen zuerkannt.

Am 25. Nov. v. I. starb in Phila­delphia im Alter von 83 Jahren Mayer A r- nold aus Württemberg. Die New-Aork-Tri- bune, welche gewöhnlich nicht besonders geneigt ist, die Tugenden der Deutschen hervorzuheben, begleitet die Mittheilung seines Todes mit fol­genden Worten: Mayer Arnold, einst der ein­flußreichste Kaufmann in Philadelphia und im Jahr 1805 aus Württemberg nach Amerika ausgewaudert, zog sich im Jahr 1845 von den Geschäften zurück und widmete seine fernere Thätigkeit wohlthätigen Zwecken. Er war Prä­sident und Schatzmeister zahlreicher Gesellschaften, welche die Verbesserung der Lage der Armen anstrebteu, half die Arbeiterbank in Philadel­phia mitbegrüuden und nahm eine hohe Stellung in der Freimaurer-Bruderschaft ein, indem er im Jahr 1812 Meister dieses Ordens wurde. Er starb, umgeben von seinen Kindern, 13 an Zahl. Seine 7 Söhne gehören zu den ange­sehensten Kaufleuten Amerika's. Ehre seinem Andenken auch in seinem früheren Vaterlande!

(S. M.)

Miszellen.

Der vrrhiingnißvolle Wespenstich.

(Schluß.)

Der Kriminal-Direktor nahm gelegentlich eine äußere Besichtigung des Leichnams vor, eine düstere Wolke lagerte auf feiner Stirne, er war schweig­sam und verdrießlich, wie ich dies schon gewöhnt war, wenn das Geschäft nicht recht vorwärts rücken wollte. Einige unbedeutende Kratzwundcn ließen es zweifelhaft, ob solche im Leben oder im Tode in dem reißenden Mühlbach entstanden wa­ren. Auffällig war höchstens das verzerrte Gesicht des Verstorbenen und der Umstand, daß die Zunge krampfhaft hinter die Zähne fest geklemmt lag Alle diese Erscheinungen kommen bei Erstickungen im Wasser ebenfalls vor. Der Kriminal-Direktor betrachtete besonders die Nägel und Finger des Verstorbenen, ich wußte natürlich recht gut weß- halb, auch ich hatte schon Gelegenheit gefunden, unbemerkt hinter die Ohren des Rathsherrn zu blicken und wahrhaftig, ich hatte deutlich, wenn auch nur durch eine feine geröhete Linie markirt, das sichelförmige Mal wahrgenommen. Die linke Hand der Leiche war krampfhaft geschlossen; mit einiger Mühe brach mein Meister die Finger auf, aber schmutziger Schlamm befand sich in der Höhlung.

»Ich möchte wirklich wissen, wie unser braver Freund in das Wasser gefallen und wie er um das Leben gekommen ist,» sagte der Bürgermeister zu dem Nathsherrn.

In diesem Augenblick schoß ein leuchtender Blitz aus den Augen des Kriminal-Direktors. Er reckte seine hohe stattliche Gestalt mächtig empor, dann erwiderte er, indem er vor den rothen RathSherrn

hintrat und ihn mit seinem stechenden Blick fast durchbohrte: »Mein Herr, ich will Ihre Wißbe- gicrde bald befriedigen; der Mann ist ins Wasser gestoßen worden, er ist ermordet; der Mörder ist niemand anderer als der röche Nathsherr, der die Gerechtigkeit Gottes hcrausforkcrt, indem er die Frechheit hat, hier dem Gericht an der Leiche seines Op ers bcizuwohitea."

Ein allgemeines Staunen trat ein.

Einige Sekunden lang herrschte feierliche Tod- tenstillc, welche schaurig durch Las Kratzen der Säge unterbrochen wurde, mit welcher der Chi­rurg eben den Hirnschädel des Verstorbenen zu offnen im Begriffe war. Da erhob sich der Bür­germeister, roch vor Zorn: »Herr Kriminal-Direk­tor, ich protestire im Namen des ganzen Magist­rats, welchen ich zu vertreten die Ehre habe, ge­gen die Beleidigung, welche Sie unserem geachte­ten Kollegen zufügcn. Auf Grund welcher Be­weise wollen Sie eine so schwere Beschuldigung hier amtlich und öffentlich auszusprcche» wagen?»

Ein höhnisches Lächeln umspielte die Lippen des Kriminal-Direktors, während der Nathsherr selbst starr vor Schreck gleich dem wehrlosen Vogel stand, welchen der Blick der Klapperschlange fest- gcbannt hat. Der erstcre hob Len linken Zeige­finger der Leiche empor, bog den Nagel desselben zurück, und siche da, tief in das Fleisch htncin war unter dem Nagel ein kurzes fuchsrothes Haar eingeklemmt, welches mit förmlichem Glanze deut­lich hcrvorlcuchtete.

»Eristirt Jemand in dieser Stadt außer dem Nathsherr», welcher solches Haar hat?» fragte feierlich der Kriminal-Direktor? »Nein!» erscholl es gleichzeitig von allen Seiten.

Verlegen schwieg der Bürgermeister, ohnmäch­tig, bleich vor Schrecken stürzte der Nathshe.r zur Erde. In der Nähe des Kainszeichens, wel­ches der Kriminal Direktor nunmehr den Anwe­senden zeigte, und in welches genau die Nägel der Leiche paßten, fehlte dem Delinquenten un­merkbar ein Büschel seiner rothen Haare.

Wir wollen den Leser nicht lange ermüden. Der Nathsherr wurde sofort verhaftet In der Nacht legte er das Geständniß ab. Er hatte sei­nen Freund auf einem heimlichen Spaziergange nach kurzem Kampfe absichtlich inö Wasser ge­stoßen. Das Motiv war die Heirath der jungen Müntelin des Nathsherrn mit dem Sohne des Ermordeten.

Der Nathsherr hatte das Vermögen derselben, welches allein dem Ermordeten genau bekannt ge­wesen war, veruntreut, der Ermordete hatte wie­derholt Rechnungslegung gefordert, der Verlo­bungstag war endlich nach vielen ausweichenden Entschuldigungen als letzter Termin anberaumt worden. Dem RathSherrn drohte Entehrung und Untergang, er zog cs also vor, ein Mörder zu werden. Er glaubte seine Sache ganz schlau ge­macht zu haben. Sicherlich wäre er entwischt, wenn der oerhängnißvolle Wespenstich nicht ge­kommen wäre.

Er erhängte sich schon nach zwei Tagen im Gcfängniß, so daß man zu gleicher Zeit zwei Leichen, freilich unter sehr verschiedenen Umstän­den, zu begraben hatte. So entging er dem ir­dischen Richter.

Diese Geschichte war die Ursache, daß, wenn ich später einen Mörder unter die Hände bekam, ich immer zunächst hinter seine Ohren schaute.

(W. Hsfrd.)

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Mcch i» Neuenbürg.