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N eu e n b ü r g.
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Kromk.
Deutschland.
— Der k. Hofphotograph L. Haase in Berlin hat von einem Leipziger Freunde, dem Buchhändler Hrn. A. Wienbarck, soeben 1500 Thaler mit dem Aufträge zugesandt erhalten, diese Summe im Namen des deutschen Hilfs- komites in Philadelphia dem Bundeskanzler Grafen Bismarck zu überreichen. Diese Summe soll nach Bestimmung der Einsender unter den Schullehrern Ostpreußens, und zwar in Summen nicht unter 10 Thalern vertheilt werden. Eine unverhoffte Weihnachtsfreude für die Betreffenden. Im März d. I. hat dasselbe Konnte in Philadelphia schon einmal dem Bundeskanzler 1500 Thaler für Ostpreußen eiugesandt. — Der Führer der deutschen Nordpol-Expedition, Kapitän Koldewey, wird im nächsten Januar nach Berlin kommen, um persönlich für die weitere Verfolgung dieser Forschungen thätig zu sein. Im Februar wird Koldewey wahrscheinlich mit der Bremer Walfischfängerflotte nach dem Polarmeer auslaufen, um im Voraus die nächstjährigen Eisverhältnisse und eventuell das Schiff kennen zu lernen, auf welchem voraussichtlich die zweite Expedition abgehen wird.
Württemberg.
Stuttgart. Das Regierungsblatt vom 22. Dezember enthält zwei Bekanntmachungen des Medizinalkollegiums, betr. einige Abänderungen' der Taxe der Arzneimittel und der Taxe der thierärz blichen Arzneimittel.
Stuttgart, 21. Dez. Die heutige Landesproduktenbörse verlief in flauer Stimmung und es erlitt hauptsächlich Niehl in Folge des günstigen Wasserstandes einen weiteren Abschlag. Wir notiren: ungar. Waizeu ohne Handel wegen zu hoher Forderung, baier. 5 fl. 36—42 kr., Kernen 5 fl. 24—30 kr., Dinkel 3 fl. 48 kr., Gerste baier. 5 fl. 30 kr., württ. 5 fl. bis 5 fl. 15 kr., Hafer 4 fl. 12 kr., Mehl Nr. 1 9 fl., Nr. 2 8 fl., Nr. 3 6 fl., Nr. 4 5 fl., Kartoffeln werden in größeren Partien angeboten. (S.M.)
MisMen.
Polizei Hilf!
Schon wieder ein Polizcistücklein? kann nichts dafür, es giebt eben viele. Merk auf, dießmal ist nicht die Polizei, sondern Jemand anders der Geprellte.
In einer Haupt- und Residenzstadt unseres hieran gesegneten deutschen Vaterlandes, passirte dem wirklichen, regierenden, geheimen Oberhofkonditor folgende Geschichte, die man aber nicht glauben würde, wenn sie nicht wirklich in der That geschehen wäre. Der wirkliche u. s. w. Konditor hat einen schönen Laden mit großen Glasfenstern und offen stehenden Flügelthüren, daß einem Leckermaul der Gaumen wässert, wenn es vorbei geht. Es sind auch immer viel
Gäste darin, die mit andächtigen Lippen die süßen Gottesgaben schlürfen, und sich freuen, daß es im Winter Schnee und Eis giebt, Hamit man es im Sommer essen kann; daß Gott die Erdbeeren, Himbeeren u. dgl. draußen im Walde wachsen läßt, damit sie der Mensch mit Zucker einmachen kann; daß die Bienen geschäftig von Blume zu Blume umherfliegen, und den Honig in ihrem Leibe kochen, damit das witzige Menschenkind ein süß Mäulchen bekommt. Viele denken aber auch gar nicht daran, weil sie überhaupt nicht denken, und sic thun, als ob Alles sv sein müßte. Besonders am heißen Sommernachmittag ist das Denken etwas beschwerlich. Das zeigte sich auch bei dem wirklichen u. s. w. Konditor. Er sitzt Nachmittags in seinem Laden, da kommt ein ganzer Schwarm ungeladener Gäste und suchen sich gleich das Beste heraus, und haben doch kein Geld im Sack.
Es war nämlich ein Schwarm Bienen, angeführt von ihrem neuen Herzog, dem Weisel. Die armen Auswanderer waren da auf ein Gebiet gekommen, das nichts für sie ist; trotzdem es Süßigkeiten genug gibt. Der wirkliche u. s. w. war ganz verzweifelt und wollte die Eindringlinge verscheuchen, diese aber trugen scharfe Waffen bei sich und verwundeten ihn bitter; denn bis jetzt hat ihnen Keiner das Recht, Waffen zu tragen, nehmen können. Was thut nun der überfallene, arme Mann? Er rennt über Hals und Kopf auf die Polizei, (man heißt's hier Stadtdirektion) und verlangt augenblickliche Hilfe gegen die Räuber, die bei ihm eingedrungen. Der Direktor sagt, das ginge ihn nichts an und er könne da nicht helfen. „Was?" ruft der wirkliche u. s. w., „wozu seid Ihr denn da, als daß Ihr einen Bürger in Allem beschützt und bewahrt? Es muß mir geholfen werden." Zum Spaß, und weil er sich so mannhaft gezeigt, gibt ihm endlich der Direktor zwei Landjäger zur Hilfe mit. Die Bienen haben aber keinen Respekt vor den Landjägern, und gehen nicht vom Platz. „Macht einen Schwefelgeruch herein, dann werden sie Alle fortziehen," sagt einer der Landjäger. „Das kann ich nicht," jammert der wirkliche u. s. w. „Der Geruch würde mir ja alle meine Zuckerbäckereien verderben." Rathlos stehen sie allesammt, bis endlich eine alte Magd dazu kommt und sagt: „Ich will einen Rauch machen, und dann werden sie nicht mehr bleiben." Und so geschah's auch.
Was hieraus zu entnehmen ist? Besinn' Dich : ob nicht gar viele erwachsene Menschen, wie die kleinen Kinder nach Vater und Mutter, so bei jedem Unfall nach der Polizei rufen. Polizei Hilf! Das ist die Schwäche und Unmännlichkeit, die, statt sich selber zu helfen, und auf Mittel und Wege zu sinnen, gleich bei der Hand ist, die Staatsgewalt anzuflehen. Das ist die kinvische Unselbstständigkeit, die leider oft auch durch Gewohnheit gegeben und erhalten wird.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.