502
Kronik.
Deutschland.
Gotha, 7. Sept. vr. Petermann erhielt heute einen Bericht von Kapitän Coldewey aus 80'/s Grad nördlicher Breite über den Verlauf der deutschen Nordpol-Expedition vom 21. Juni bis 19. Juli. Die Untersuchungen wurden bis 100 Meilen nordöstlich von der Bäreninsel ausgedehnt, wo die Expedition am 5. Juli ankam, während die schwedische Expedition erst am 22. Juli dort eintraf und bis 27. Juli dort verweilte. Die Germania ging, weil das Eis und die Witterung das weitere Vordringen verhinderten, nach einer Landung auf Spitzbergen, zum Zweck der Wassereinnahme, direkt nach Norden. Das Wetter war seit dem 10. Juli schön. (Köln. Z.)
Baden läßt künftig sein Geld in Berlin prägen. — In Baden-Baden ist der Chemiker Schönbein, der Entdecker des Ozon und der Erfinder der Schießbaumwolle, gestorben.
Aus dem Odenwalde. Der außerordentlich reiche Ertrag der Zwetschgenbäume im heurigen Jahr hat deren Frucht fast ganz entweichet. Der Bauer verkauft das Simri zu 6 kr. Zu diesem Preise wäre eine Masse zu kaufen, doch finden sich wenig Abnehmer.
Württemberg.
Stuttgart, 4. Sept. Bis zum 28. d., an welchem Tag auf dem gewöhnlichen Platz, dem sog. Cannstatter „Wasen" das landwirth- schaftliche Centralfest, im Munde des Volks „Volksfest", abgehalten, und wozu die ganze königl. Familie wieder hier versammelt sein wird, sind es 50 Jahre, daß das erste „Volksfest," vom König Wilhelm eingesetzt, abgehalten wurde. Wenn hiermit in diesem Jahr keine besondere Festlichkeit amtlich augeordnet ist, so dürste dieß wohl darin seinen Grund haben, daß das dieß- jährige noch nicht das 50ste ist, da in den 40er und 50er Jahren im ganzen 2 bis 3 Feste, theils wegen der Zeitverhältnisse, theils wegen Überschwemmung des Platzes, ausfielen. — Die vom König Wilhelm dem Lande verliehene Verfassung wird im Sept. 1869 50 Jahre alt, und ohne Zweifel wird eine besondere Feier im Lande veranstaltet werden. Im Herzen des württembergischen Volks wird der Tag wie der Geber der Verfassung jedenfalls unvergessen sein. Vielleicht daß bis dahin gerade auch die alsdann dem jetzigen König zu dankende zeitgemäße Revision der Verfassung vollendet sein wird.
Stuttgart, 8. Sept. Auf der gestrigen Landesproduktenbörse waren die Eigen- thümer effektiver Waare, weil die Käufer nur schwer höhere Preise bewilligen wollten, ziemlich zurückhaltend. Ungarischer und baierischer Wai- zen standen auf 6 fl. 45—54 kr., Kernen auf 6 fl. 48—54 kr., Dinkel auf 4 fl. 12—24 kr., württembergische Gerste auf 5 fl. 12—30 kr., baierische auf 6 fl., Haber auf 3 fl. 54 kr. Mehl blieb gesucht, da der Wassermangel sich täglich fühlbarer macht, und stand Nr. 1 auf 11 fl. 12 kr., Nr. 2 auf 10 fl. 12 kr., Nr. 3 auf 8 fl. 36—48 kr., Nr. 4 auf 7 fl. 15 kr. Schweizer Mostobst war zu 2 fl. 12 kr. per Doppelcentner ab Friedrichshafen angeboten. (S. M.)
— Dem von London nach Cannstatt übergesiedelten Dichter Ferdinand Freiligrath wurde an seiner Wohnung im Bertsch'schen Hause am Bahnhof durch die Kurkapelle und die Con- cordia als Huldigung von Seiten der Stadt Cannstatt ein Ständchen gebracht.
— Der Eßlinger Bauverein hat auf Antrag des Werkmeisters Roth beschlossen, die auszuführenden Gebäude in Cement zu erstellen. Diese Cement-Häuser bilden eine vollkommen verbundene Masse, sind aber auf ewige Zeiten erbaut. Gegen jede Feuchtigkeit geschützt, mit einer Mauerdicke im Erdgeschoß von 15", im 1. Stock 12", im 2. Stock 10" und im 3. Stock 8" versehen, kommen sie billiger zu stehen, als die mit weit schwächer» Wandungen versehenen Holz- und Backsteinhäuser. Auch der Einbau wird größten- theils in Cement ausgeführt, die Feuersgefahr ist deßhalb sehr gering und die Versicherung niedrig. (W. C.)
— Die Herbstledermesse in Ulm findet am 21. und 22. September (in der neuen großen Markthalle) statt.
Ulm. (Plenarversammlung des Volksschullehrervereins.) Es wird dieselbe am Mittwoch den 30. Sept. in Nürtingen stattfinden, und die Verhandlungen beginnen Morgens 8 Uhr in der Turnhalle des Seminars. Gegenstände der Berathung sind: Der Normallehrplan, die Emolumente der Schulstellen und ein Vortrag über Beziehung der Volksschullehrer'zur Obstbaumzucht. Die Vorversammlung für die Abgeordneten der Filialvereine findet am Dienstag den 29. Sept., Abends 5Vs Uhr statt im Saale zur Post. Die Vereinsmitglieder, sowie die Mitglieder des Volksschulvereins und Freunde des vaterländischen Volksschulwesens werden zur Theilnahme herzlich eingeladen.
An die Versammlung des Volksschullehrervereins reiht sich die Feier eines Lehrergesangfestes am Donnerstag den 1. Okt. mit folgendem Programm: 1) Chor mit Orchester: Wie groß und hehr rc. aus „Saul" von G. F. Händel. 2) Aus Weebers „Kirchl. Männerchören", II. Theil, Nr. 5, 6, 10. 3) Sanc- tus für Chor mit Orchester von I. Seb. Bach. 4) „Kirchl. Männerchöre", II. Theil, Nr. 52, 64,44. 5) Kantate: Du Hirte Israels, höre rc. mit Orchester von I. Seb. Bach. 6) Orgelspiel. 7) „Kirchl. Männerchöre", Weeber, II. Theil, Nr. 8, 50,45, 72. 8) Psalm: Singet
dem Herrn ein neues Lied rc., mit Orchester von Mendelssohn. Die Aufführung wird nach vorausgegangener Hauptprobe in der Stadtkirche in Nürtingen Mittags 12 Uhr stattfinden, und wir laden Freunde kirchlicher Tonkunst herzlich ein. Musiklehrer Chr. Weeber, Oberlehrer Carl Hartmann.
Ausland.
— Die französische Regierung fährt fort, in üblicher Doppelzüngigkeit durch ihre Preß- organe Krieg und Frieden zugleich predigen zu lassen.
Philadelphia, 6. Sept. Indianer haben in Neu-Mexiko einen Eisenbahnzug verbrannt und 16 Kondukteure skalpirt. (Sehr einladende Gegend.)
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.