466

Krmrik.

Deutschland.

Württemberg.

Wildbad, 23. August. Die Badliste zählt heute 5613 Kurgäste und 1883 Passanten.

DieW. C." schreibt: Am Sonntag den 30. August geht ein Extrazug, unternom­men von Hrn. Ed. Schwarz, von Stuttgart 6 Uhr 45 M. ab und gelangt 8 Uhr 35 M. in Wildbad an; dort geht er um 8 Uhr 30 M. wieder ab und trifft 11 Uhr Abends in Stuttgart wieder ein. Preis der Fahrkarte III. Classe 1 fl. 39 kr., II. Classe 2 fl. 24 kr.

In Calw kosten gegenwärtig 4 Pfund weiß Brod 17 kr., 4 Pfund schwarz Brod 15 kr.

Ulm. Am 21. August d. I. ist ein Vier- teljahrhundert abgelaufen, als mit der Restau­ration des Ulm er Münsters begonnen wurde. Der Aufwand in diesen! Zeitraum be­trägt 423,844 fl. 13 kr. (N. Schn.)

Miszellen.

Marianne.

Erinnerung aus dem Badclrben.

Von Auguste Kurs.

(Fortsetzung.)

Immer mußte ich an die Marianne denken. Ob das kleine Dorfmädchcn eine kleine Kokette war, ob sie Perlen oder Spreu in der Tiefe ihres Herzens hegte, was ging es mich alternden Fa­milienvater im Grunde an! Und gerade weil ich das war und das Kind eine Waise, hätte ich so gerne gemahnt und gewarnt. Der Zufall unter­stützte meinen Wunsch. Nachdenklich hatte ich die Quelle verlassen und ging langsam über die feuchte Wiese dem Wege zu. Laute Töne einer zornigen Stimme störten mich auf. Sie klangen von der­selben Bank herüber, die mir fetzt zum Ruheplatz dient. Marianne saß darauf und vor ihr stand, heftig redend, der lange Alois. Meine Annähe­rung ließ ihn nicht verstummen, bald konnte ich einzelne Worte unterscheiden. Es waren Vorwürfe wilder Eifersucht; der Verdruß gekränkter Eitelkeit, sogar Drohungen, ihr Gleiches mit Gleichem zu vergelten, klangen dazwischen. Jetzt war ich ganz nahe. Tief erröthcnd stand Marianne auf, einen Augenblick senkten sich die langen, dunkeln Wim­pern, dann schaute sie frei und offen empor, grüßte mich und sprach darauf zu Alois mit erregter, aber leiser Stimme:Du hast den fremden Herrn zuw Zeugen deiner harten Reden gemacht. Aus unserem Zwiste muß ihm nun auch unser Einver- ständniß klar werden, das du selber so heimlich verborgen hältst. Wenn wir ihn darum bitten, wird er cs nicht vcrrathen, daß du mir gut bist und es doch Keinem zu gestehen wagst."

Er fiel ihr hastig in's Wort:Bedenke doch, meine Eltern und dann die andern Leute." Laß das jetzt, Alois," fuhr sie fort,ich möchte nur, daß der freundliche alte Herr auch das hörte, was ich dir zu erwidern habe. Ich leugne nicht, daß ich mehrere Male mit dem jungen Baron gesprochen, ist es doch auf offenem Wege, vor Aller Augen gewesen. Du hast auch recht gesehen und gehört, daß er mich dringend um etwas ge­beten, ich habe es ihm abgeschlagen. Was er von mir wünscht, darf ich Keinem verrathen,

denn ich habe ihm Schweigen versprochen, und cs ist nicht mein Geheimniß. Du kennst mich von Jugend auf. Hat mein Betragen dir je Anlaß gegeben, ungleich von mir zu denken? darum traue mir auch jetzt."

Sie schwieg.Aber die Leute" begann er noch einmal. Dann gewann das gute Herz die Oberhand. Beschwichtigt, wenn auch nicht überzeugt, reichte er ihr die Hand und ging mit ihr dem nahen Dorfe zu. Ich blieb zurück. Ob ich der einfachen Rede glaubte ich weiß cs nicht, aber der Bursche war nicht ohne Schuld, wenn sie ihm dennoch untreu war. Ließ er sich nicht immer nur von der Meinung Anderer be­stimmen, die Mariannen ihm erst bcgchrenswerth und dann verdächtig erscheinen ließ, hatte er den Muth, entschieden für sie auszutreten und seine Eltern, die ihm noch niemals einen Wunsch ver­sagt, um ihre Einwilligung zu bitten? Dann mußte der Baron mit seinen gcheimnißvollen An­erbietungen schweigen. Ich nahm mir vor, mit diesem von der Kleinen zu sprechen. Er ließ sich aber in den nächsten Tagen kaum blicken und war, wenn er erschien, so wortkarg und finster, daß man deutlich sah, die Briefe, die er fast täglich empfing, mußten ihm nichts als Unheil verkünden. Er war unnahbarer als je.

Dennoch schloß er sich einer geselligen Parthie an, deren Ziel die herrlich gelegene Ruine einer alten Burg war. Freilich Marianne war auch dabei. Es sollte der Thee dort oben im Freien bereitet und eingenommen werden. Sie sollte be- hülflich sein, während Alois als Wegweiser diente. Er schritt mürrisch voran, sie folgte still und sichtlich in trüben Gedanken.

Böse Gerüchte waren in den letzten Tagen über sie laut geworden, lässig und gezwungen hatte der Vetter sie vertheidigt, der Vormund aber und die Tante laut geschmäht und gedroht, sie gänzlich zu verstoßen. Sicher war es, daß dann Niemand im Dorfe es wagen würde, sich ihrer anzunehmen und dem Willen des reichsten Mannes zu trotzen. Gute Freunde hatten sogar Anspielungen auf Alois' Neigung zu der armen Waise gemacht. Sie rühmten die Güte des alten Paares, dem Sohne so gänzlich freie Wahl zu lassen, ihm, der nur die Hand auszustrecken brauche nach den schönsten und reichsten Mädchen der ganzen Gegend. Sie fragten leise zweifelnd, ob das unbedeutende, bevorzugte Glückskind, die­ses Vorzugs sich auch dankbar bewußt und der großen Ehre so ganz würdig wäre. Sie gossen mit einem Wort so viel Oel in das anglimmende Feuer, daß es beim geringsten Anlaß lichterloh aufflammen mußte.

(Fortsetzung folgt.)

Wie scharf und tief der Mensch denkt, hängt fast lediglich von seiner Organisation ab; wie und was er aber denkt, hängt weniger von ihr, als von tausend zufälligen Umständen seines individuellen Lebens ab, deren Einfluß ihm oft verborgener bleibt, als seinen Beobach­tern. Darum Duldung und Liebe jedem An­dersdenkenden! Nicht nach dem, was der Mensch denkt und meint, sondern nach dem, was er thut, und was seine Meinung aus ihm macht, laßt uns ihn bcurtheileu.

Die Neigung ist ein sehr unsicheres Zeichen des Talents. In allen Menschen liegt der Hang zum Herrschen, und wie Wenigen ist die Gabe zum Herrschen verliehen. _.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.