74
Kronik.
Württemberg.
Stuttgart, 16. Febr. Dem Vernehmen nach ist die Feier des Künigl. Geburtsfestes im ganzen Lande ans Donnerstag den 7. März verlegt, weil der Aschermittwoch auf den 6. füllt. Auch die Festvorstellung im Theater („Templer und Jüdin von Marschner) wird am Donnerstag stattfinden und ans denselben Tag ist die Ver- theilung der Kriegsdenkmnnze an die Theilnehmcr des lezten Feldzugs vorgesehen. Die Denkmünze wird dieselbe sein, bloß mit Veränderung der Jahreszahl, wie die für die Feldzüge von 1814 verliehene.
Nach einer Bekanntmachung des K. Kriegsministeriums wird von den in dem Feldzüge des vorigen Jahrs Verwundeten, welche die Bäder in Wildbad schon gebraucht haben oder aber wegen der Beschaffenheit ihrer Wunden und ihres Kräftezustandes noch nicht dahin gebracht werden konnten, eine, durch die Verhältnisse bedingte, Anzahl Derjenigen, bei welchen durch den Gebrauch der dortigen Heilquellen eine Besserung ihres jetzigen Zustandes erwartet werden kann, zur Nachkur oder zum Gebrauch dieser Bäder im März und April d. I. ausgenommen werden.
Stuttgart, 16. Febr. Gestern Vormittag erlegte G. Werner den einen seiner beiden braunen Bären, nachdem derselbe auf den in dem Bärenzwinger befindlichen Baum durch ein leckeres Honigmahl gelockt worden war, durch einen meisterhaften Schuß. Lautlos stürzte das gewaltige Thier herab, ein Blutstrom drang aus Nase und Rachen, und nur in wenigen Zuckungen gab sich noch das entschwindende Leben kund. Das Thier wog 307 Pfund; sein Fleisch ist zum weitaus größten Theil schon bestellt u. geht sogar bis in die Schweiz; das Fell hat Präparator Martin erworben. (S. M.)
^ Wildbad, 18. Febr. Nach dem heutigen Beschlüsse der bürgerl. Collegien wurden die Forderungen der K. Regierung in Betreff des künftigen Bahnhofes mit großer Majorität genehmigt, und hat somit die Intelligenz der für das Wohl Wildbads wirkenden Bürger obgesiegt. Möge daraus die Regierung ersehen, daß man die von derselben unserem Badorte gebrachten Opfer zu würdigen weiß.
Miszellen.
Das Testament.
(Fortsetzung.)
Dem Befehle Herrn Fohmanns mußte Folge geleistet werden, und die Haushälterin brachte d e beiden Kinder zur Ruhe, indem sie sich selbst neben ihnen niederlegte. Der Hausherr aber zog sich in sein K abinet zurück, wo er lange mit großen Schritten auf- und niedergieng Endlich nahm er den .Koffer, der den Todten gehörte, vor sich und öffnete ihn. Es waren Kleider und We ßzcug darin, Mannskleider und Frauenkleider unter einander, und dazwischen hinein Kinderhäubchen und Kittelchen. Auch eine Brieftasche fand sich, auf welcher der Name „E'oloirei klarest" eingenäht war; Brief- schäften jedoch oder andere Pap ere, die über den Inhaber des Koffers nähere Auskunft gegeben hätten, waren keine vorhanden. Ganz unten auf dem Boden der Kiste stand eine kleine, aber ziemlich schwere Kassette, die statt ver chlossen zu sein (sie
I hatte gar keinen Deckel > nur mit einem Tuche um- I wickelt war. Er entfernte das Tuch und glänzende Goldstücke sunkeleen ihm en gegen.
«Ha, was ist das?' rief er fast erschreckt aufspringend «Ein napoleonischer Schatz, um mich in Versuchung -u führen."
Doch bald faßte er sich wieder und machte sich daran, das Geld zu zählen. Es waren lauter doppelte Napoleons, jedes Stück wie eben erst aus der Münze hervorgegangen, im Ganzen »ichtweniger als dreitausend an der Zahl!
Abermals sprang er auf und sein Gesicht arbeitete heftig «Dreitausend doppelte Napoleons," sagte er für sich hin, «eine Summe von fast sechzigtausend Gulden! Ha, wie viel könnte ich mit diesem Gelde ausrichten, wenn cs mein wäre! — Mein?" fuhr er nach einer Pause fort. «Ist es denn nicht mein? Habe ich denn nicht das Recht, es als gute Kriegsbeute zu betrachten? Wie würce ein anderer an meiner Stelle handeln?"
Er gieng mit heftigen Schritten auf und ab, und abermals arbeitete es in seinem Gesichte, als ob verschiedene Leidenschaften sich mit einander stritten.
«Ich habe schwere Verluste erlitten," sprach er nach einer Pause weiter, und an all' diesen Verlusten sind die Franzosen Schuld. Hunderte würden sich in solchem Falle kein Gewissen daraus machen, sich ein auf solche Art gefundenes Geld ohne Weiteres anzueignen; ja sie würden cs sogar als eine Pflicht gegen ihre Kinder betrachten, so und nicht anders zu handeln. Habe ich diese Pflicht gegen meinen Lohn nicht auch? Und wenn ich's nicht thue, — was dann? Wer ist der eigentliche Eigen- thümer dieser Goldstücke? Der Staat Frankreich oder die E ben des Obrists Marcet? Die Kriegskasse Napoleons oder dieses arme verlassene Kind, das jetzt neben meinem Sohne schläft? Wer kann hier entscheiden?"
Mit immer schwereren Schritten gieng er auf und nieder Da kam ihm ein neuer Gedanke. «Es ist sicher," sprach er, «im Zweifelsfalle hätte ich d e Kassette meinen Behörden zu übersenden, damit sie darüber verfügen; ja die Kassette mit sammt dem Mädchen!« setzte er ernst hinzu. «Die Folge hievon würde sein, daß man das Kind in ein Waisenhaus steckte, wo es wahrscheinlich elend verkümmern würde, das Gold aber bliebe entweder an den Händen der Coanniffäre hängen, oder aber überlieferte man es der französischen Kriegskasse, denn unser Ländchen ist ja dis jetzt noch ein Satellit von Napoleon, und die Behörden dürsten nicht anders handeln. Nein, beim Himmel," rief er jetzt entschlossen, «Beides soll nicht geschehen. Das Kind will ich behalten und erziehen, wie wenn es mein eigenes wäre, und das Gold will ich ansehen als ein Darlehen, dessen Zinsen ich auf das Kind verwenden werde Das ist der einzig richtige Weg, wie ihn mir mein Gewissen und die Verhältnisse vorschreiben. Ja, würden wir in ruhigen, in geordneten Zeitläuften leben, dann, dann wäre der Weg, den ich einzuschlagen hätte, ein anderer; dann würde ich Alles der Entscheidung der Behörden überlassen; aber jetzt — jetzt? Nein, das Mädchen soll nicht im Waisenhause an Leib und Seele verstechen, und das Geld soll nicht in die Hände der Franzosen zurückwandern!"
(Fortsetzung folgt.)
Berictztigung.
In der Corresp. aus Wildbad Nro. 14 des Enzthälers soll es Zeile 3 von unten heißen: Perception statt Persektion.
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Mee h in Reuen bürg.
»