fügt hinzu: daß Bu-Rumi und El Afrone nur ein Schutthaufen sind, kein einziges Haus ist stehen geblieben. Die Kirche von MuzaiaviUe ist vollständig gespalten. Eine ungewöhnliche Kälte ist plötzlich eingetreten. Die Familien sind ge-- nöthigt zu campiren.

Das Testament.

(Fortsetzung.)

Der Knecht zündete die Laterne an, denn es war inzwischen dunkle Nacht geworden, und Herr und Diener erhoben sich, um in die Stallungen zu gehen und Haus und Hof wohl zu verschließen. In diesem Augenblicke aber hörte man in nächster Nähe einige Schüsse fallen, und gleich darauf raffelte ein Gefährt >n rasender Eile herbei, um unmittelbar vor dem Hofthore Halt zu machen.

Herr, mein Gott, die Franzosen kommen," schrie die Haushälterin, entsetzt die Hände über einander schlagend.

Und wenn der Teufel kommt, so wollen wir es ihm gescgnen," rief der Hausherr und riß einen Hirschfänger von der Wand, während der Knecht einen schweren Prügel ergriff, der in einer Ecke lehnte.

Sie stürmten beide zur Thüre hinaus und in den Hof hinab, während die Haushälterin den Knaben in ihre Arme schloß, um ihn für den Noth- fall mit ihrem eigenen Leibe gegen Gefahr zu schützen denn sie war eine gar brave und gut» müthige Person und liebte das Kind, als wäre es ihr eigenes gewesen. Vor dem Hofthor hielt wirklich ein Wagen, keine Chaise oder Droschke, sondern ein Bauernleiterwagen wie sie im Sächsischen und Hessischen im brauche sind. Er konnte nicht weiter, denn eines der Pferde war gestürtzt und lag verendend auf dem l oden, während das andere sich in dessen Stränge verwickelt hatte und sich bäumend ausschlug. Der Kutscher ein Soldat in französischer Zägeruniform lag auf dem Boden, wenn nicht todt, doch dem Tode nahe. Dem Blute nach, welches aus einer Stirnwunde flos, hatte er soeben einen Schuß erhalten, durch den er von seinem Sitze herabgeschleudert worden war. Auf dem Wagen selbst befanden sich drei Personen, ein Mann, eine Frau, und ein Kind. Der Mann trug die Auszeichnungen eines fran­zösischen Obristen und hatte das Großkreuz der Ehrenlegion auf der Brust; aber seine Brust schien aufgchört zu haben, zu athmen, denn e> lag todcs- blaß mit geschlossenen Augen auf der mit Blut getränkten Streue, welche den Boden des Wagens bedeckte. Neben ihm in halb knieender, halbsitzen­der Stellung befand sich eine Dame, welche ein kleines, kaum den Windeln entwachsenes» vielleicht noch nicht einmal entwöhntes Kind auf den Armen hielt und fest an sich drückte Die Dame gehörte offenbar, sowohl ihrer Kleidung als Physiognomie nacb, den höheren Ständen an; allein in diesem Augenblicke war ihre Kleidung zerrissen, in Un­ordnung, mit Blut übergoffen, u. ihre Physiognomie drückte Angst, Verzweiflung, ja Todeskamps aus. Das Kind weinte heftig und verbarg sein Köpfchen an der Mutter Brust.

Dies war der Anblick, der sich Herrn Fohmann und seinem Knechte darbot, als sie aus dem Hause stürzten. Auch der Grund des Schießens, welches selbst jetzt noch nicht ganz aufgehört hatte, wurde ihnen klar, denn nur wenige hundert Schritte vom Wagen entfernt, sprengten einige Gcnsdarmen dahin, offenbar in der Verfolgung von Marodeurs oder

Straßenräubern begriffen, welche, wie es sich nachher herausstellte, den Leiterwagen, auf dem der todte Obrist lag, angegriffen hatten. Man konnte Alles ganz deutlich sehen, denn der Mond war so eben hmter den Wolken hervorge rcten uud beleuchtete die ganze Gegend. - Herr Fohmann trat nahe zu dem Wagen hin, um in sein Inneres zu sehen.

Um Gottes Barmherzigkeit willen, Herr/ stöhnte die Dame mit flehentlicher Stimme,helfen Lue uns, stehen Sie uns bei in unserer schweren Noch."

Sie sind eine Deutsche?" fragte Herr Foh- mann erstaunt. Er hatte wohl ohne Zweifel von einer Begleiterin eines französischen Obristen keine deutschen Worte erwartet!

Nein, ich bin keine Deutsche," erwiederte die Dame mit festem Tone, obwohl mit schwacher Stimme;aber ich bin eine Frau, und Sie sind ein Mann."

Das Gesicht deS Hofherrn röchele sich, aber es war mehr Zorn, als Scham oder Mitgefühl, das darin lag. Schon hatte er eine Erwiederung auf der Zunge, eine bittere, höhnische Erwiederung, da tönte ihm die Stimme seines Knaben in's Ohr, welcher nicht geruht hatte, bis die Haushälterin mit ihm in rcn Hof hcrabgckommen war.

Ach, Papa, sich' doch das kleine schöne Mäd- che»," rief der Knabe;komm, nimm es vom Wagen herab und leg' cs mir in die Arme, denn die Frau macht eS ja sonst ganz blutig. Siehst du nicht, wie das 2'lut an ihrer Seite he, abströmt und dem kleinen '>inde über das Gesicht läuft, daß eS fast ersticken muß?"

Diese Stimme entschied; noch mehr vielleicht der Umstand, daß die Dame in diesem Augenblicke, sei'S vor Schwäche und Blutverlust oder aus sonst einem Grunde, rückwärts fiel und mitsammt dem ninde vom Wagen herabgestürzt wäre, wenn Herr Fohmann sie nicht in seinen Armen aufgefangen hatte. So trat denn der Haß gegen die Franzosen auf einen Augenblick in den Hintergrund, und das Mitgefühl mit einem menschlichen Nebcngeschöpse erhielt die Oberhand.

Komm, Christian, hilf mir," sagte der Haus­herr zu seinem Knechte,wir wollen ein Uebr ges thun und sehen, ob noch etwas zu retten ist, und Sie Margarethe," fuhr er zu seiner Haushälterin gewandt fort,nehmen Sie das kleine Mädchen auf den Arm. Es sind zwar Franzosen, aber viel­leicht darf man diesen Dreien hier die Schuld dessen nicht aufbürden, dem sie blindlings folgen mußten."

So ward die ohnmächtige Dame in's Haus hinauf getragen und in einem Nebenzimmer auf ein Bett gelegt, damit die Haushälterin sich ihrer hülfreich annchme und nach ihren Wunden sehe. In diesem Augenblicke erwachte die Frau und sah sich um.

Um der göttlichen Liebe willen, Herr," sagte sie, sich mit äußerster Anstrengung <um Reden zwingend und Herrn Fohmann einen dankbaren Blick zuwerfend,senden Sie nach einem Arzte. Mein Mann ist vielleicht noch zu retten; gewiß er ist nur ohnmächtig in Folge seiner schweren Wunden, die er auf dem Schlachtfelde von ILcipzig erhielt. Mit mir selbst ist cs aus; ich fühle es, ich lebe keine zwei Stunden mehr. O Gott, o Gott, mein armes, armes Kind! Wer wird sich meiner Julie annehmen?" (Fortsezung folgt.)

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.