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Stuttgart, 28. Sept. Ein Ereigniß nicht ohne Bedeutung ist es, daß in der heutigen Sitzung der zweiten Kammer bei der Wahl der Fünfzehner-Commission, welche den Friedensvertrag mit Preußen zu begutachten und die Antwortsadresse auf die Thronrede zu verfassen und der Kammer vorzulegen hat, sämmtliche Gothaer und Nationalvereinler, mochten sie sonst der Demokratie oder einer gemäßigteren Richtung in sonstigen, namentlich inneren, Fragen angehören, mit einer sehr bedeutenden Mehrheit unterlegen sind. Gewählt wurden nämlich: Schott, v. Mehring, Mack, Probst, Mittnacht, Kanzler v. Geßler, Becher, Deffner, Sarwey, Mohl, Oesterlen, W. v. König, v. Schad, Streit, v. Wiest. Duvernoy, Hölder u. s. w., die sonst in alle derartigen Commissionen kamen, erhielten nur 22 Stimmen. Gestern trat die erste Kammer dem Beschlüsse der zweiten Kammer einstimmig bei: die Regierung zu alsbaldiger Zahlung der Kriegskostenentschädigung zu ermächtigen, nachdem der Finanzminister v. Renner erklärt hatre, daß die ganze Summe baar in der Staatskasse vorrä- thig sei.
Rottweil, 2. Okt. Der Explosion der alten Pulverfabrik vor 14 Tagen folgte heute Mittag gegen 4 Uhr die der neuen, nur wenige Schritte von derselben erfernten. Sämmtliche Fabrikgebäude sind zerstört, das Wohnhaus stark beschädigt, ein Arbeiter, 55 Jahre alt, welcher seit seinen Kinderjahren daselbst lebte und arbeitete, verlor sein Leben, ein zweiter liegt schwer verbrannt darnieder.
Ausland.
Schweiz. Die Rinderpest hat in Chur keine weiteren Fortschritte gemacht; dagegen ist sie nach der N. Zur. Ztg. im Kanton Thurgau in Dießenhofen und Umgegend ausgebrochen.
Miszellen.
Aufbewahrung der Trauben während des Winters.
(Mitgetheilt v. Mädchenschulmeister Scheu in Calmbach.)
Für Traubenliebhaber wird es nicht uninteressant sein, zu erfahren, wie man Trauben bis März, ja sogar bis Mai so aufzubewahren vermag, daß man zu dem Glauben verleitet werden kann, sie kommen soeben vom Stocke.
Das Verfahren, die Trauben so zu erhalten, war lange ein Geheimniß des berühmten Weinzüchters Rose Charmeux zu Thommery, wird jetzt aber in allen größeren Städten Frankreichs von den Obsthändlern angewendet. Ich theile das Verfahren hier mit:
Man schneidet im Herbste eine Partie reifer, nicht zu gedrungen gewachsener Trauben mit einem Stück Rebholz ober- und unterhalb der Traube ab. Hieraus füllt man so viel gewöhnliche Arzneifläschchen, als man Trauben zum Aufbewahren bestimmt hat, mit Vs Kohlenstaub und Vs destillirtem Wasser und schüttelt es tüchtig durcheinander. Man steckt nun je das untere Stück des Rebholzes durch die durchbohrten Korke der Arzneifläschchen und paßt die Stöpsel genau auf die Fläschchen. Nun wird der Kork, sowie das äußere Ende der Rebe sorgfältig mit Siegellack verstrichen, damit kein Wasser aus
dem Fläschchen verdunste. Hierauf legt man die Fläschchen in ein dunkles frostfreies Zimmer, so auf ein Gestelle, daß die Trauben frei in der Luft hängen. Die Trauben müssen öfters visi- tirt und die verdorbenen Beeren sorgfältig entfernt werden.
Ich kann nicht unterlassen, auch die im nördlichen China gebräuchliche Aufbewahrungsort der Trauben mitzutheilen.
In der Umgebung der nordchinesischen Stadt Tien-tsin wird der Weiustock in großem Maßstabe angebaut. Aber die Chinesen trinken keinen Wein, sondern verzehren die Trauben frisch und die von Tien-tsin werden weithin für die Tafeln der reichsten Mandarinen ausgeführt. Die Ausbewahrungsart der Trauben ist eine eigen- thümliche. Der Fluß Petho friert während dreier Monate im Jahre zu und liefert dann ein sehr gutes und festes Eis, das in würfelförmigen, etwa 1 Vs Fuß im Durchmesser haltenden Stücken ausgeschnitten und nach einem weiter nördlich gelegenen Orte geschafft wird. Aus diesen Eis- stücken baut man kleine Häuser, die hoch genug sind, daß ein Mensch in sie eintreten kann. In ihnen bewahrt man die Trauben auf. Die Dauer dieser Häuser erstreckt sich bis in den heißesten Sommer und die darin bis zum nächsten Herbste aufbewahrten Trauben lassen sich von den frischen des neuen Jahres durchaus nicht unterscheiden.
In einem Artikel der Mg. Zeitung „Zur Disinfektionsfrage" (Entgiftung, Reinigung) von vr. M. v. Pettenkofer, ist der Essig als ein wirksames Schutzmittel gegen ansteckende Krankheiten empfohlen:
Er sagt u. A.: Man würde wohl am einfachsten und besten verfahren, wenn man in jedem Zinimer u. s. w. ein mit starkem Essig getränktes Tuch aufhienge, so daß die Luft immer stark nach Essigsäure röche, und ein befeuchteter Streifen blaues Lackmuspapier in ihr binnen einer halben Minute deutlich geröthet würde. Wer etwas andern Geruch liebt, mag dem Essig etwas ätherische Oele beisetzen oder aromatische Essigsäure verdunsten lassen.
Einer der merkwürdigsten Fälle von Nichtweiterverbreitung der Cholera wird immer das Landessiechenhaus in Altenburg bleiben, in dessen Erdgeschoß im vorigen Jahr zwei Monate das Choleraspital war, und wo fast täglich neue Cholerafälle eingebracht wurden, ohne daß die Krankheit auf das Wartpersonal oder auf die zahlreichen sonst so empfänglichen Siechenpfleg- linge im ersten und zweiten Stock überging. Unter den Desinfektionsmaßregeln, welche Geh. Medizinalrath I)r. Göpel im Erdgeschoß so energisch handhabte, befand sich auch eine ergiebige Essigverdunstung, die man im ganzen Hause roch.
Frankfurter Course vont 2. Okt. Gcldsorten.
9 fl. 41 -43 kr. 9 fl. 57 — 58 kr. 9 fl. 46 - 47 kr. 9 fl. 22V-- 23V-kr. 5 fl. 32 - 34 kr. 11 fl. 46 - 50 kr. 1 fl. 44V»- 45'/skr.
Pistolen Friedrichs'dor
Holländische 10 fl.-St. . . .
20-Frankenstücke .
Dukaten..
Englische Sovereigns . . . Preußische Kassenscheine . . Gold p. Psd. sein .... Hochhaltig Silber p. Psd. sein
Redaktion, Druck und Verlag von Jak. Meeh in Neuenbürg.