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Stuttgart. In der 106. Sitzung der Kammer der Abgeordnete» kam der Bericht über die Erigcnz von 300,060 fl. zur Herstellung einer Trinkhalle und weiiern Bädern in Wild- bad, und zwar zunächst die Erigenz von 20,000 fl. für Reservoir und Nöhrenleitung, zur Berathunss.
Cavallo gibt ein Bild res allmäpligen Aufschwungs von Wildbad seit 30 Jahren und spricht in ausführlicher Rede für die Commissions-Anträge. — Die Erigenz von 20,000 fl. wird mit 68 gegen 2 Stimmen genehmigt; ebenso werden die für das Ausmauern und Abrundcn der Ecken in den Badkabinelten des großen Badgebäudes, wodurch eine bequemere Form der Baderäume und 15 Prozent des Wasserbedarfs ei spart wird, ertgirten 10,000 fl. genehmigt.
Für eine neue Trinkhalle, neue Bäder, Wandclgänge sollen nach dem Antrag der Commission im Ganzen genehmigt werden 100,000 fl.
Fetzer fragt, welche Summe für eine Trinkhalle und welche für die 18 Einzelnkabinette in Rechnung genommen sei.
v. Renner. Der vorliegende Plan verbinde die Trinkhalle mit dem Badhause und es lasse sich nicht genau ermitteln, was aus jene und auf dieses falle.
Oestcrlen. Durch diese Verbindung könne man diejenigen, welche den Bau einer Trinkhalle in Wildbad für überflüssig halten, nicht nöthigen, für die ganze Erigcnz zu stimmen. Der innerliche Gebrauch des Wassers in Wildbad finde nur in sehr beschränkter Weise statt und mache den Bau einer Trinkhalle nicht noch- wendig. Man möge endlich anfangen, a» Ersparnisse für den iLisenbahnbau zu denken; er beantrage nur für ein neues Badhaus 60,000 fl. statt der crigirtcn 100,000 fl. und für eine Trinkhalle nichts zu bewilligen.
Der Antrag der Finanzcommission wird abgelchnt mit 38 gegen 33 Stimmen und der Antrag Ocstcrlen's angenommen.
Stuttgart, 18. Juli. Gestern wurde der Gasthof zum König von England von Weinhändler Ziegler dahier um die Summe von 120,000 fl. angekauft; auch die unter dem Rainen „Hotel Dachs" bekannte Bierwirihschast ging um den Preis von 13,830 fl. in andere Hände über.
Stuttgart, 15. Juli. Heute haben wir den 57. Sommertag, gerade so viel als in dem vortrefflichen Weinjahre 1859 zu zählen waren. Im ganzen Jahrhundert, 1811 nicht ausgenommen, gab cs bis Monat-Juli nicht so viele Sommertage.
Friedrichshafen, den 17. Juli. Heute Abend langte von Nomanshorn ein Herr llr. pliil. D . . . schwimmend bicr an; er machte den 3V, Stunden langen Wasserweg in 6V, Stunden, begleitet von einem Mann, welcher in einer Gondel ruderte.
Miszellen.
Zu spät.
Eine dänische Kriminalgcschichte.
Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts lebte in dem ansehnlichen Dorfe Wcilbp, an der nördlichen Küste von Dänemark, der Pfarrer Söfren Qu ist, weit und breit als rechtschaffener Mann und treuer
Seelsorger geliebt und verehrt. Seine frühe verstorbene Gattin hatte ihm zwei Kinder hintcrlaffen: einen Sohn, der sich auf einer deutschen Universität dem Studium der Theologie widmete, um, nach damaliger Zeilsitte, später der Nachfosger seines Vaters im Amte zu werden, und eine Tochter, Namens Metta, eine wahre Perle von Tugend und Sittsamkeii. Das hoffnungsvolle Aufblühen seiner Kinder und die Achtung, welche ihm selbst von Allen, die ihn kannten, gezollt wurde, hätte den Pfarrer wohl recht glücklich und zufrieden machen müssen; aber dieses Glück wurde nur allzu oft verbittert durch einen Fehler, über den er nie Herr zu werden vermochte. Das war der Jähzorn, der den Pfarrer oft in einem solchen Grade über- mannle, daß er sich sogar zu Thätlichkeiten gegen seine Hausgenossen und seine eigenen Kinder hinrcißen ließ. Nach jedem derartigen Vorfälle aber war Herr Quist immer wieder der Erste, der solchen bitter beklagte und bereute: Tage lang konnte er da seinen Gewissensbissen nachhängen und selbst in der Nacht wandelte er klagend in seinem Hause und Gehöfte umher, gleich einem Träumer oder umhergescheuchten Geiste.
Als Metta das achtzehnte Jahr erreicht hatte, machten eigene Neigung und der Wunsch des allmäliz alternden Vaters bei ihr den Entschluß reifen, sich in den Ehestand zu begeben. Unter ihren zahlreichen Bewerbern waren es hauptsächlich zwei, welche vor allen andern in Betracht tarnen. Der eine war Erik Söfren sen, Amtsvogt und Richter des Bezirks, zu welchem Wcilbp gehörte, und der nicht weit von da seinen Wohnsitz hatte. Der andere, Namens Morten Bruns, war ein reicher Grundbesitzer und Pferdehändler in Weilbp selbst. Vater und Tochter entschieden sich für den Richter. Herr Söfrenscn war ein hübscher, rechtschaffener und angesehener Mann und Metta ihm schon lange im Stillen zuzethan, wogegen sie vor den Bewerbungen des reichen, anmaßenden Roßkammes eine unvcrholcne Abneigung an den Tag legte. Bruns war an der ganzen Küste wegen seines wilden Lebens und seiner Rücksichtslosigkeit gegen Jedermann, wozu ihm sein Reichthum weiten Spielraum bot, berüchtigt und verhaßt. — Eben hatte er wieder einem armen Söldner einen Prozeß an den Hals gehängt, der den Mann gänzlich zu Grunde zu richten drohte; aber das gute Recht desselben und die Gerechtigkeitslicbc des unbestechlichen Richters entschieden zum Vvrtheile des Angegriffenen. Dieses doppelte Mißgeschick und der erhaltene Korb und der verlorene Prozeß, brachte den reichen und stolzen Mann auf's Höchste auf, und er schwur, an seinen vermeintlichen Feinden, dem Pfarrer und dem Richter, eine furchtbare Rache zu nehmen.
Morten hatte einen jüngeren Bruder, Namens Niels Bruns, der, nach der Sitte des Landes, in einer untergeordneten Stellung, zugleich als Knecht und Zögling, in dem Hause des Pfarrers lebte. Dieser junge Mensch war hinsichtlich der trotzigen und versteckten Gemüthsart seinem Bruder vollkommen ähnlich, und hatte dcßhalb den absichtlich heraufbe« schworcncn Zorn des Pfarrhcrrn schon mehrere Male auf das Empfindlichste fühlen müssen. Aber alle diese Lektionen besserten ihn nicht, und dem Pfarrer verursachten sie immer nur bittere Reue.
Die Vorbereitungen zur Vermahlung des Richters mit der schönen Metta wurden indessen im Pfarrhofe auf das sorgsamste betrieben. Herr Söfrcnsen ging dort fast täglich aus und ein, und Alles deutete auf eine besonders fröhliche Brautsahrt bin. Da — cs waren nur noch drei Wochen bis zur Hochzeit — verbreitete sich im Orte Plötzlich das Gerücht: der Pfarrer habe seinen Knecht Niels Bruns erschlagen.
(Fortsezung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag der Meeh'scheu Buchdruckerei in Neuenbürg.