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Erbsolgefrage endlich nach dem Recht entschie­den, so fiele der Besatzungsstreit von selbst weg. Wir glauben zwar im Augenblick nicht an einen Bürgerkrieg, bange machen gilt nicht immer. Et­was Großes auszufüßren fehlt das Genie des alten Fritz und ist dazu ein Ministerium Bismark doch noch nicht populär genug. Zu einer wahr­haft deutschen Politik aber, welche unter jetziger Weltlage allein etwas zum Heil des Volkes auszuführen vermöchte, scheint sich keiner der Acteure entschließen zu können.

Aus Holstein, 25. Novbr. Das allge.- meine Feldzugsehrenzeichen heißt der Soldaten­witz die Omnibusmedaille.

Württemberg.

Nach der Bekanntmachung der Centralstelle für die Landwirthschaft betreffend die Zuerkenaung von Preisen für die Fischzucht sind u. A. verwilligt worden: 30 fl. für eine künstliche Brutanstalt, mit welcher sich die Besetzung offe­ner Fischwasser zur Aufgabe gemacht ist, dem Chr. Gottfried Bürkle in Wildbad: für Aufstellung und Anwendung zweckmäßiger kleiner Fischbrut-Apparate, 25 fl. dem Friedr. Sack­mann in Schorrenthal bei Besenfeld, 15fl. dem L. Bürkle in Neuenbürg.

Zugleich enthält der Staats-Anzeiger eine Bekanntmachung über weitere Aussetzung von Preisen für Fischzucht p. 1865. Bewerbungs- termin 15. Febr. und 31. Okibr. 1865. Auch werden befruchtete und angebrütete Forellencier unentgeldlich abgegeben, wenn sich die Bewerber spätestens bis 31. Dez. 1864 an Prof. Rueff in Hohenheim wenden.

Im Hinblick auf den gegenwärtigen Stand der Brandversicherungs-Hauptkasfe und den muth- maßlichen Anfall von Brandschäden im kommen­den Jahre wird nach Maßgabe des Gesetzes vom 14. März 1853, Art. 39 auf den Antrag des VerwalrungörathS der Gebäude Brandversiche­rungsanstalt die Umlage für das Kalenderjahr 1865 in der Weise bestimmt, daß bei den Ge­bäuden der dritten Klasse, welche die Regel und die Grundlage für die Berechnung des Betrags in den höheren und niedereren Klassen bildet (K. Verordnung vom 14. März 1853, §. 12o) der Beitrag von 100 fl. Brandversicherungs­anschlag drei Kreuzer beträgt, wovon je die Hälfte spätestens bis 1. April und I.Aug. 1865 an die Brandversichernngs-Hauptkasse einzu­liefern ist.

Ausland.

St. Gallen, 23. Noo. Die Pockenkrank, heit hat sich seit einiger Zeit in dem Kanton Appeiuell am Rh. auf eine bedenkliche Weise verbreitet. Sie ergreift Personen von jedem Alter und führt auch häufige Todesfälle herbei. Die Sanitätökommission weist nun dringend auf die nothwendigen Vorsichtsmaßregeln hin. Doch sagt dieselbe in ihrem Berichte, daß Geimpfte viel seltener erkranken als Ungeimpfte, und daß auch jene die Krankheit gewöhnlich in einem milderen Grade bekommen, als diese. Von 10

Todesfällen kommen gewöhnlich 9 auf Nichtge­impfte, und zwar meistens auf Kinder.

Schweiz. lZum Proceß Demme-Trümpy.) Schon während der Assivenverhandlungen traf beim Untersuchungsrichter eine Insinuation des Inhalts ein, Dr. Demme möchte einen Brillantring gestohlen haben, rücksichtlich dessen Frau Trümpp in der Gefangenschaft an den Vogt Flora's, Herrn Leuzinzer-Schnell, einen Brief geschrieben hatte, den der Vertheidiger der Frau Trümpy zum Beweis ihrer Geistes­krankheit während der Verhandlung vorlas. In Folge jener Insinuation wurde Flora Trümpy der Drillantruig vom Untersuchungsrichter ab» genommen. Es ergab sich aber bei der ersten Besichtigung dieses Ringes, daß es unmöglich derselbe Ring sein könne, auf den sich die De- nunciation bezog. Dagegen wurde dem Unter­suchungsrichter, der den Dr. Demme einige Tage nach seiner Freisprechung über den Erwerb des Bnllautn'nges vernahm, den er Flora bei der Verlobung geschenkt hatte, klar» daß er von Jenem grob mystificirt werbe. Weitere Nach, forschungen machten den Verdacht, daß dieser Verlobungsring gestohlen sei, immer dringender und eben, als es sich um Wiederverhaftung Demme's handelte (Sonntag den 13. Novbr ), machte sich dieser mit Flora auf der Eisenbahn davon. Jetzt reiste der Untersuchungsrichter mir dem Ring nach Berlin und hier wurde so viel erhoben, daß nach menschlicher Berechnung nichts Anderes angenommen werden kann, als Demme hat den Verlobungsring einem Patienten im Berner Hof gestohlen! Aber nicht genug, auch der andere Ring, wegen dessen zuerst der Unter­suchungsrichter angerufen wurde, ist wahrschein, lich von ihm gestohlen! In der Art und Weise, wie ein Ring um den andern zur erdrückenden Kette der Schuldanzcigen gegen Demme wurde, liegt etwas Fatalistisches. Möglich ist immerhin noch das Wassergrab im Genfer See, aber wahrscheinlich nicht; in ganz Bern har fast Nie­mand an die Wahrheit der vom Vater Demme veröffentlichten Todesnachricht geglaubt!

Der Prozeß Franz Müller's in London ist gewiß wieder eine dringende Veranlassung gewesen, an die Abschaffung der Todesstrafe zu mahnen und dahin zu streben, daß diese letzte Spur mittelalterlicher Strafrechtspflege in Eu- ropa verschwinde. Gegen die Todesstrafe spricht Ein Argument, das alle andern an Wucht über­flügelt: Die Todesstrafe ist überflüssig! Es giebr Staaten, wo sie abgefchaffl ist, und Zeitab­schnitte, wo sie nicht vollstrcckt wurde, und die Zahlen lehren, daß sich in solchen Ländern und Zeiten die Verbrechen nicht gemehrt haben. Dies eine Motiv gesellschaftlicher Natur, sagt mit Recht die Berl. Volkszeitung, ist die Kernstütze aller andern sittlichen Motive» die gegen die Todes­strafe sprechen. Das Volk ist reif genug für die Abschaffung. Es gilt hier in Wahrheit ein Vorurtheil zu bekämpfen, das sich mit Unrecht hinter das Volksbewußtsein geflüchtet hat.

Redaktion, Druck und Verlag der Mceh'jcheu Buchdruckerei « Neuradürg.