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Beilage zum EuzthAer Nro. 7«.

Mittwoch den 2l. September 1864.

Miszellen.

Der verhängnisivolle Brief.

(Fortsetzung.)

Er theilte dann der recht freudig aufhorchenden Frau mit, wie er sogleich zum Pvstdirektor gehen, alle nöthigen Schritte thun wolle, um eine Aufklärung in der Sache herbeizuführen. Doch auch für sie, für ihre Familie wollte er sorgen sie müsse ihm dieses schon erlauben. Zuerst müsse sie bessere Kost zu sich nehmen, um Kraft für sich, für ihr armes Kind zu gewinnen. Sodann beschwor er sie, sich zu fassen, zu ermannen, das Beste zu hoffen; dies sei vor allen Dingen i» ihrer Lage nothwcndig, und Alles würde dann schon wieder gut werden.

Wie dankte Frau Walbner dem guten alten Herrn! Wie drängten sich die Kleinen an ihn heran, um ihm die Hand zu drücken und ihm in kindlicher rührender Weise zu danken dafür, daß er ihnen den lieben guten Vater wieder geben wolle! Dem kleinen freundlichen Manne wurde cs ganz warm und weich um das Herz. Um seine tiefe Aufregung noch bei Zeiten zu verbergen, nahm er Stock und Hut, drückte Frau Waldner herz­lich die Hand, küßte sogar den kleinen Buben auf beide Wangen und cmvfahl sich rasch, ihnen unter der Thüre noch zurufend, daß er bald, recht bald wiederkehren werde.

Das war Hilfe in der Roth, zur rechten Zeit! Neues Vertrauen war in das Herz der armen Frau «ingczogen, und Dankcsthränen in den Augen küßte sie ihre Kleinen, während ihr Herz sich mit Gewalt hin zu ihrem gefangenen Gatten sehnte, um auch diesen durch ihre zurückgekchrte Hoffnung zu trösten, neu zu beleben.

Wie leicht wäre cS den altenguten Freunden" geworden, der armen Frau in ihren Bedrängnissen also deizustehen! Doch sie waren verschwunden, verflogen und zergangen wie Schaum auf den Wassern beim er­sten Windstoß!

Eine Stunde etwa nach jener Unterredung trat eine Frau mit einem großen verdeckten Korb in die Wohnung der Frau Waldner. ES war die Köchin des Herrn Walrheim, und der Korb enthielt eine Menge guter nahrhafter Speisen, die noch dazu ganz warm waren. Sodann noch einige dunkle bestaubte Flaschen, deren Etiquctte alten französischen Bordeaux aus dem gewiß wohlversehenen Keller des alten Herrn ankün­digten. Frau Waldner nahm Alles ohne Ziererei und übel angebrachte Schüchternheit dankbar an, und nach­dem die freundliche Bringerin noch einen schönen Gruß von Herrn und Frau Waldheim ausgerichtet, den besten Appetit gewünscht, sich dann entkernt hatte, setzte sich die Mutter mit den Kindern nochmals zu Tiich. 2" ihren Gebeten vergaßen sie nicht, dankend der edlen Geber zu gedenken.

Wie labten sich die Kinder au de» guten seltenen Speisen! Wie erquickte die Mutter ein Gläschen des alten guten Weines, noch mehr das zufriedene fröhliche Plaudern der Kinder! Neue Lebenskraft war vereint mit der Hoffnung bei ihr eingezogen, und trotz körper­licher Schwäche fühlte sie sich stark, Alles muthig zu ertragen.

Als am Abend das kleine Kindchen wieder ruhig schlief und die Mutter hoffen durste, daß ihr Töchter- chen auf kurze Zeit die Wacht bei demselben ohne Ge­fährde würde besorgen können, warf sie rasch den Man­tel um, nahm einige Flaschen des guten alten Weines und eilte flüchtigen Fußes durch die winkeligen Straßen der alten Stadt dem entsetzlichen Lüstern Hause zu, das ihr Liebstes barg. Es gelang ihr zwar nicht, zu ihrem Manne zu kommen; der Aufseher, so gerne er auch gewollt, durfte einen weitern Besuch bei dem Ge­fangenen ohne vorherige Erlaubniß des Richters nicht gestatten. Wohl aber versprach er gerne der bittenden Frau, die Flaschen sofort selbst in die betreffende Zelle zu tragen und sie dort nebst ihren innigsten herzlichsten Grüßen und der Versicherung, daß zu Hause Alles wohl und gut stehe, abzugebcn.

Dem armen Gefangenen wird die erquickliche Gabe des braven edlen Gebers gewiß auch wohlgethan haben, sicher aber noch mehr dir beruhigenden Worte, die er aus dem Munde des Schließers über die Sei- nigen hörte. Hoffen wir, daß ihm eine ruhige Nacht wurde, daß schöne Traumbilder ihn entschädigten für die Qual der letzten Tage, ihn stärkten, das, was das Schicksal noch über ihn verhängt hatte, ruhig, gefaßt zu ertragen!

VI.

Der Morgen dämmert.

Der kleine Rentner hatte im Laufe des Nachmit­tags allerlei vergebliche Versuche gemacht, um den Postdirektor so wie den Untersuchungsrichter zu sehen und zu sprechen. Erster» hatte in einer wichtigen An­gelegenheit plötzlich eine Reise antretcn müssen, und wurde erst am andern Tage wieder zurückcrwartct, also sagte man ihm auf der Post. Der andere Beamte war mit Geschäften überhäuft und Herr Waldheim hatte auch seiner nicht habhaft werden können. Doch erfuhr er auf einem der Bureaus unter der Hand, daß die Untersuchung in Sachen Waldner'S eifrigst fortgesetzt werden würde. Es blieb dem gutmüthigen Manne, der da so gerne helfen wollte, nichts anders übrig, als zu warten, die arme Frau Waldner zu trösten, so gut er es vermochte. Diese und die Kinder hatten ihm bei seiner Wiederkehr am folgenden Morgen so herzlich gedankt, er hatte sich in dem Kreise der kleinen Familie so wohl gefühlt, daß er nochmals Alles aufzubieten beschloß, was nur irgend in seinen Kräften stehe, um hier zu helfen, wie auch die Sache sich wenden, welchen Ausgang sie nehmen möchte.