Miszellen. >
Ein Stückchen vom alten Blücher.
(Fortsetzung.)
Und so war cs. Der Rittmeister hielt eine Leiche in den Händen, die er mit Abscheu auf den Boden fallen ließ. Da lag das Thier mit gebrochenen Augen und schlotternden Gliedern; cS war breit gedrückt wie rin Pfannkuchen. Mir fiel das Glas mit dem edlen Getränk vor Schreck aus der Hand, Fritz schaute mit geöffnetem Munde auf die Leiche und schien zu einem Eiszapfen erstarrt zu sein.
„Was hast Du mit dem Thier gemacht?" schrie der Rittmeister den Husaren an.
„Der Sturz! Die Treppe!" stammelte der Husar endlich mühsam hervor.
Der Rittmeister verstand. »Wahrhaftig," sagte er, und das Ungewitter auf seinem Antlitz klärte sich, „Du hast recht; bei Deinem Sturze ist das arme Ding auf den Steinen zerquetscht worden."
-ES ist am Ende gut so," setzte er beruhigt hinzu, dem Husaren einen Thaler Schmerzensgeld gebend, „durch den Tod des nichtsnutzigen Köters ist wahrschein, lich das Leben eines braven Husaren gerettet, und da kann es auf ein paar Weiberthränen nicht ankommen. „Spann' an!" rief er mir vollständig erheitert zu. „Wir kommen zwar mit leeren Händen nach §., ich hoffe aber, wir werden trotzdem gern gesehen sein.»
Nach wenigen Minuten saßen wir in einem leichten mit einer Decke von Bärenpelz überhangcnen Jagd, schlitten, der mit ein paar tartarischen Rappen bespannt war, deren prachtvolle Mähne den Schnee streifte. Das wilde Gespann flog im gestreckten Galopp durch die engen Gassen der Stadt; sobald wir «der ins Freie gelangt waren, mäßigten die feurigen Rosse die schnelle Gangart, weil sie den Schlitten durch zusam- mengetriebene Schneeschanzen schleppen mußten, in welche sie nicht selten bis zum Bauche versanken. Nach einer langweiligen und anstrengenden Fahrt von beinahe einer Stunden erreichten wir endlich den Wald, der sich ein und eine halbe Meile lang bis an unser Reiseziel hinzog. Wir trafen unter den Bäumen eine bessere Bahn, und da der Abend bereits vollständig hereingedrochen, mußten wir den Lauf der Pferde schon etwas forciren, wenn wir zur Wcihnachtsbeicheerung noch rechtzeitig eintreffen wollten. Eine geraume Zeit fuhren wir in rasender Eile durch die mondbelcuchteten engen Gehege des dichten Waldes. Wir näherten uns rasch unserm Ziele und dürften hoffen, in einer halben Stunde daselbst zu sein. Plötzlich drang aus nicht zu großer Ferne ein entsetz- licher Ton durch den Wald, langgezogcn, heiser und doch laut und schauerlich
„Beim Teufel Wölfe!" schrie der Rittmeister, in- dem er mir Peitsche und Leine, die er bis jetzt selbst geführt, in die Hände drückte und nach den Pistolen griff, die zwischcu uns auf dem Polster des Gesäßes lagen.
Die Pferde witterten die Gefahr, ihre Mähnen sträubte» sich, ich hatte nicht nöthig, sie zur Elle anzu» treiben; sie flogen mit dem leichten Gefährt wie eine Windsbraut über den pfeifenden Schnee dahin. Das Geheul näherte sich uns dennoch immer mehr in dem tiefen Wald-Defiie, da« wir eben Passirten. Im näch.
sten Augenblick raschelte das Gebüsch, und an der rech« ten Seite, wo der Rittmeister saß, brach in gleicher Höhe mit dem Schlitten ein mächtiger Wolf hervor, der auf den Offizier cinsprang. Dieser kam keinen Augenblick aus der Fassung. Der Wolf erhielt noch während des Sprunges eine» Pistolenschuß zwischen die Augen, der ihn todt auf den Schnee warf. Nach wenigen Sekunden brach ein zweiter Wolf aus dem Dickicht hervor. Er sprang nach dem Rittmeister empor, verfehlte ihn aber, ergriff die über den Schlitten hinaushängende Decke mit den Zähnen und ließ sich an derselben auf dem Schnee mit fortschleifcn. Der Rittmeister setzte die zweite Pistole an den Kopf der wilden Bestie. Das Pulver brannte, ohne zu zünden, von der Pfanne und mein Herr warf das jetzt unnütze Schieß- geräth fluchend in den Schnee. Der wüthendr Wolf hielt noch immer an der Schlittendccke fest und seine mordfunkelvden Augen stierten uns an. Da riß der Rittmeister plötzlich den ledernen Handtchuh von seiner rechten Hand, griff,'nach dem Wolf hinunter, der im Bereich seines Armes war, und faßte ihn so fest beim Genick» daß das Thier erschrocken die Decke losließ und nun durch die eiserne Kraft des Offiziers auf dem Schnee neben dem in größter Eile dahinjagendcn Schlittin mit fortgeschleift wurde.
„Der muß mit!" rief der Rittmeister. „Halt! In des Teufels Namen halt! Die Bestie reißt mich aus dem Schlitten!"
Mit Anstrengung aller meiner Kräfte versuchte ich die Pferde zum Stehen zu bringen; die wild gewor- denen Thiere spotteten jedoch Zügel und Leine, und meine Bemühungen batten keinen andern Erfolg, als daß dadurch der Schlitten aus der Bahn gerissen wurde, endlich mit dem linken Schliitenbauin auf einen hohen Stein gericih unv umwarf. Ich flog in weitem Bogen über den Rittmeister hinweg, der glücklicherweise auf den Wolf fiel, dessen Kehle er keinen Augenblick los- gelassen halte. Die Rosse brauste» mit dem leeren Schlitten davon.
Als ich mich aus dem Schneeberge mühsam -er- ausgearbcitet, kniete der Rittmeister auf der keuchenden Bestie, die eS vergebt ch versuchte, sich frei zu machen. Ich hatte ein Taschenmesser bei mir und beeilte mich, damit bewaffnet meinem Herrn beizustchen.
„Zurück!" donnerte mir derselbe entgegen, als ich mich anschickte, das Messer der Bestie in die Weichen zu stoßen. Dem Thierchen darf kein Haar gekrümmt werden,- rief er. als ich ihn erstaunt ansah, „da« müssen wir lebendig haben. Es ist ja mein Weihnachtsgeschenk für die Gnädige und soll ihr hoffentlich mehr Freude machen, als der unglückliche Köter. Hast Du nicht einen Strick bei Dir?
Ich mußte dies verneinen.
„So reiße einige Fetzen von Deinem Mantel ab und binde damit die Bestie. Ader schnell, meine Kräfte sind bald zu Ende." Eilig schnitt ich drei lange Streifen aus meinem Mantel heraus und legte dieselben, um ihnen mehr Haltbarkeit zu geben, vierfach zusammen. Eine Schleife war hierauf um dir Schnauze ge- schlungen, mit einer gleichen jedes Paar der Pranken gefesselt und nach weuigen Minuten lag der Wolf gebändigt und gefangen zu unseren Füßen.
(Fortsetzung folgt.)