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mark zu richten. Die Weigerung würde unwiderrufliche Exekution nach sich ziehen. (Und dann — wird wieder vorne angefangen i-
Slus Paris wird das bevorstehende Erscheinen einer Broschüre: „Napoleon III. und Polen" angekündigt. — Die bekannte Broschüre: „Napoleon IH. und Italien" war bekanntlich der Vorläufer des italienischen Krieges.
Miscetlen.
Caffier und Lehrling.
Wahr und erzählt von Bernard Wörner.
(Fortsezung.^
»Ich habe nichts, gar nichts!» entgegnete Anton außer aller Fassung und hielt die leeren Hände hin. Seit 6 Wochen liefere ich reden Kreuzer an Sie ab, den ich einnehme und werde so pünktlich fortfahren, bis meine Schuld getilgt ist. Mehr kann ich nicht leisten.«
«Ich glaube das. Würde ich übrigens geahnt haben, daß die Sache sich so lange hinziehen könnte, so hätte ich nie und nimmer ciugewilligt- Bedenken Sie nur selbst: seit drei oder vier Tagen haben Sie keinen Heller mehr heimgezahlt.«
»Jch habe nichts eingenommen. Das ganze HauS, die ganze Welt hat sich gegen mich verbunden. Man entzieht mir rücksichtslos die bessern Gänge und ich bin jetzt tausendmal schlimmer daran, als in den ersten Lagen meines Hierseins.«
«Ich begreife aber auch nicht — nehmen Sie es mir nicht übel — wie Sie die ganze Geschichte so tölpelhaft anfangen konnten. Bei solchen Fällen gibts nur einen Weg: ersetzen, ohne ein Wort zu verlieren, und sich auf einer andern Seite revangircn. Man muß doch ein bischen Tact und Weltgeläusigkeit haben! Sie schlugen ein großes Geschrei auf, appellirtcn mit Ihrer Ehrlichkeit an Gott und die Welt und — mußten doch zahlen. Der Schwache unterliegt immer. Das ist sein Erbtheil und wird es bleiben. Ihr College Reinganum mußte vielleicht schon zwanzigmal ersetzen. Er verlor kein Wort darüber und wußte sich zu helfen.« I
«Mit Reinganum und Pfeffer kann ich nicht gehen,« bemerkte entschieden der Lehrling.
«Ich fordere Sie auch nicht dazu auf,« erwiedertc verdrießlich der Commis. »Das sind Ansichten. Uebri- j genS wäre cs mir recht erwünscht, wenn Sie während des Tages die tleine Summe beschaffen könnten." !
Der Eintritt mehrerer Personen unterbrach das Gespräch und Anton ging langsamen Schrit-'eS an die Arbeit. O, eine Schnecke hätte heute die Feder gerade so schnell ! geführt und jede Maschine das Geschäft nicht weniger mechanisch gefördert! Wie auch anders? Der Geist des sonst so wackern Arbeiters schweifte weit, weit in die Fremde herum, schmiedete lausend Pläne und verwarf sie wieder, denn überall stieß er auf das uralte Grundübel, den Mangel an Metall, an klingender Münze.
Der Jüngling glaubte den Becher der Widerwärtigkeiten bis auf die Hefe geleert zu haben und täuschte sich sehr. Wo einmal die Noth hereinbricht, kommt sie mit zahlreichem Gefolge und stürmt mit hundert und hundert Alliirten auf Len armen Erdcnsobn los. Wehe
dann, wenn das Herz nicht festgläubig dasteht und im Vertrauen auf Gott seine Stütze sucht.
Gegen elf Uhr trat der Briefbote ein und überbrachte außer vielen GeschäftSdepeschen auch ein Briefchen an Anton Maurer. Es war die Hand und das Siegel seines Wohlthätcrs, des Lehrers. Hastig erbrach er das Schreiben und las folgende Zeilen:
»Lieber Anton!«
Ich ergreife die Feder, weil wir schon lange ver- geblich aus einige Zeilen von Dir warten. Du hast Deiner braven Mutter seit sechs Wochen nur zweimal und seit drei Wochen gar nicht mehr geschrieben. Dein letzter Brief war so kurz, so abgerissen und verworren, daß das Mutterauge zwischen den Zeilen Unglück las. Ein Mutterherz fühlt und ahnt klarer und deutlicher für sein Kind als jedes andere Geschöpf. Was ist mit Dir? Bist Du krank, so bitte Gott und seine gnadenreiche Mutter um Beistand, laß einen Andern schreiben unv wir werden Alle nach Kräften helfen. Hast Du keinen Verdienst, so stelle Deine Zuschüsse auch fernerhin ein. Deine Mutter und Deine Geschwister wollen sich recht gerne behelfen und mit tausend Freuden ihres kargen Verdienst mit Dir theilen. Wandelst Du auf schlimmen Wegen, o so kehre pfeilschnell um! Der liebe Gott nimmt jeden Augenblick verirrte Schäflein liebreich wieder auf. Bist Du sonst unglücklich, vielleicht ohne Verschulden, so baue auf den allgewaltigen Herrn, der die Meere glättet unv den Winden gebietet. Nur schreibe! Deine arme Mutter hat sich seit Wochen abgehärmt, gekümmert unv geweint und lst nun ernstlich krank. Schreibe offen, wie es steht! We» nige Zeilen werden die Leidende mehr beruhigen, als jede Medizin.
Ich durfte Dich als Schüler nie zum zweitcnmale mahnen. Möge es hier auch der Fall sein!
In aller Liebe und Freundschaft
Dein Lehrer
M. W.
Anton schob den Brief in seine Brust, ließ das Haupt auf ferne Hand finken und bald brach Thräne um Thräne sich Bahn über die bleiche Wange, auf das voluminöse Lagcrbuch. Er halte von Stunde zu Stunde gezögert, UNI die Seinen nicht zu betrüben und .itzt war die Mutter, sein theuerstes, lein kostbarstes Kle» , d auf Erden krank — krank durch sein Verschulden. O wie wohlthuend hallten in diesem Augenblick die Worte des Lehrers wieder im gebeugten Herzen des Jünglings! Er hatte ja seine Lage erkannt, leidend ohne Schuld, und mit wenigen Worten den einzigen, den besten Trost gegeben. Und an diesen Trost klammerte sich Anton mitten im tosenden Sturme, der die junge Blüthe zu knicken drohte, und ließ sein Gottvertrauen nicht sinken- Der Jüngling dachte nicht mehr an die Arbeit. Sein Geist weilte in der Heimath, am Krankenbett der Mutter, und ließ ihn weit Schlimmeres ahnen, als der Brief gemeldet. Die Stimme des Principals, der hereintrat, schreckte ihn empor aus dem starren Hinbrüten. «Ist Herr Reinganum noch hier?»
«Nein!«
«Herr Pfeiffer auch nicht?"
»Nein I"
„Gut, dann können Sir, Herr Maurer, das Geschäft übernehmen. Caffiren Sic diesen Wechsel von 1230 preußischen Thalern, wo mö .lich in Scheinen, bei Reich et Compagnie, über die Mittagszeit ein- Zwischen 3 und 4 Uhr berarf ich der Summe.»
Der Kaufherr trat zurück und der Lehrling verbeugte sich. (Fortsezung folgt.)
Redaktion, Druck und Verlag der Meeh'jcheu Buchdruckerei in NrnendSr-.