Die Zahl der anhängigen Processe in Wärt, temberg während des Geschäftsjahres vom 1. Juli 1860 bis 1. Juli 186 l, welche der StaatSan- zeiger vom 28. Dezember mittheilt, liefert bei der Vergleichung mit früheren Jahrgängen merk­würdige Resultate. Es waren im lezten Ge­schäftsjahr anhängig: Gantprocesse 793, Cri. minalprocefse 15,899, Civilproccsse 14,389, in allen diesen Rubriken weniger als seit langer Zeit. Besonders erfreulich ist die für den Wohlstand des Landes bezeichnende abermalige Abnahme der Gantprocesse, vorzüglich nachdem in den Weingegenden die geringe Weinernte des vorigen Jahres nachthcilige Einwirkungen be­sorgen ließ. Verglichen mit früheren Jahr­gängen zeigt sich folgendes Ergebniß. Gant­processe waren anhängig: 1853 8531, 1854 8813, 1855 7883, 1856 4772. 1857 2107. 1858 1059, 1859 824, 1860 850, 1861 793.

Stuttgart.Die LebeiisvrrsicherungS-- und Ersparnißbank in Stuttgart" ist auch in dem vergangenen Jahre in ihrer Entwicklung rüstig fortgefahrcn. Das Versicherungskapital der im Jahre 1861 neu abgeschlossenen Ver­sicherungen betragt: n) bei den Lebensversicher, ungen 1,420,225 fl. gegen 1,281,925 fl. Zu­wachs im Jahre 1860; 6) bei den Altersver­sicherungen 177,012 fl. gegen 1t0,8l3 fl. .im Jahre 1860. Der Zuwachs der neuen Ver­sicherungen ist demnach im Jahre 186l um 204,499 fl. Versichcrungskapital größer als im verflossenen Jahre 1860.

Bayern.

Im Laufe des Jahres 1861 wurden in den 3 Pfcrdeschlächtereien zu Nürnberg 173 Pferde

yeichlachtet.

Ausland.

England.

Daß Frankreich, wre inan der Jndepen- dance schreibt, alle Anstrengungen machen will, um den Ausbruch des Krieges zwischen John Bull und Jonathan durch diplomatische Lhälig- keit zu verhindern, erscheint den Freunden des Friedens alö ein bedenkliches Zeichen für die Wahrung des lezteren.

Das Wichtigste, was heute über die britisch- amerikanilchc Streitfrage vorliegt, ist ein Arti­kel in der Morning-Post, dem Organ des Lord Palmerston. Er gibt bis jczt vre beste Auf­klärung über den dermaligen Staad der Ange­legenheit, und bestätigt, daß die britische Re­gierung Wege und Formen gewählt hat welche dem Präsidenten der Union, wenn er es über­haupt will, möglich machen, England Genug- rhuung zu geben, ohne Amerika irgendwie zu demüthigen.

Miszellen.

Gellert's lezte Weihnachten.

(Fortsezung.)

Während die Beiden mit einander sprachen» faß Geliert drin in der Stube und hatte sich eine Pfeife

angezündct, um seine Unruhe zu bannen, mit der er die Briefe rasch erbrechen wollte, und rauchend konnte er sie auch um so behaglicher lesen. Er machte sich Vorwürfe, daß er rauhe, das sollte seiner Gesundheit schädlich sepn; aber er konnte von der »schrecklichen Gewohnheit", wie er es nannte, nicht ganz lassen. Er betrachtete zuerst Au'schrist und Siegel der angekvm- mene» Briefe, öffnete sic dann ruhig und las. Ein flüchtiges Lächeln zog über seine Mienen; es waren Briefe von wohlbekannten Freunden, voll Liebe und Huldigung, aber auch von Fremden, die sich in allerlei Herzensnoth Natb bei ihm holten. Er las die Briefe voll freundlichen Zurufs zuerst flüchtig, um ein Recht zu haben, sie nochcinmal zu leien und nicht Alles auf einmal zu wissen, und als er den Brief eines Freundes nochmals gelesen, sprang er vom Stuhle auf und rief: »Gottlob, Gottlob, daß ich so glücklich bin, daß ich solche Freunde habe!" Seinem innerlich zaghaften Wesen waren diese Handreichungen wahres Bedürfniß, sie richteten ihn auf, und nur Die, die ihn nicht kannten, nannten seine Freude über empfangenes Lob Eitel eit; es war im Gegcntheil die tiefste Bescheidenheit. Wie oft saß er da. und Alles, was er gelernt und geschrie­ben, Alles, was er je den Menschen in Wort und Wirk­lichkeit gewesen, war verdunkelt, verschwunden und aus« gelöscht und er erschien sich als unnüzer Knecht der Welt.

Er antwortete alsbald den Freunden, und wie «S ihm immer erging, wenn er bei Menschen war und in ein lebendiges Antliz schaute, wie da seine innere Traurig­keit schwand und die Menschenfreundlichkeit, ja die Munterkeit seiner Seele hervorleuchtete, so geschah eS auch in Briefen: wenn er sich zu den Menschen dachte, an die er schrieb, da gewann nicht nur die Gelassenheit, diele Tugend, nach der er sein ganzes Leben strebte; auch sein liebreiches Wcien lebte auf, und nur in leisen Andeutungen bekannte er die Schwere und Verdrossen, heit, die auf seiner Seele lastete. Er war im vollen Sinne des Wortes leutselig: im Angesicht guter Menschen und im Gedenken an ihrer Güte lag für ihn eine wahre Seligkeit und eine freudige Belebung kam über ihn-

Als er at er zu Ende geschrieben hatte und wieder allein war, kamen die dunkeln Geister wieder; er hatte sich gefaßt und sich zu einem heiligen Gesang auf- schwingcn wollen, aber er war unzufrieden mit sich, er vermochte nicht jene innerlich sichere und selbstfreudige GlaubenSmacht auszuprägc», die in ihm lebte. Immer wieder standen d e Spötter und Freigeister vor seinen Gedanken, er mußte ihre Einwürf« widerlegen, und erst über diese Einwürfe hinüber gelangte er zu sich selbst.

Es ist ein schwerer Zustand, wenn ein schaffender Geist die Widersacher nicht vergessen kann, die in der Welt umher ihm gegenüber stehen; sic kommen ringe- rufen in chic Stube und lassen sich nicht bannen, sie schauen über die Achsel und zerren an der Hand, die die Worte niederschreiben will, verkehren die Gestalten und ver­drehe» die Gedanken, und da und dort, von der Decke an den Wänden grinsen höhnische Frazcn und spotten und vernichten, und was eben als Erhebung auS der Seele floß, wird in tollem Wirbel zum Aberwiz ver­kehrt.