Papst Clemens Vitt war aus der Familie Albo- brandini, die ebenfalls aus Siena stammte; er halte ungefähr eine Carriere wie sein Neffe gemacht und dadurch den römi'chen Adel ebenso wie jener hassen gelernt. Ihm Abbruch zu Ihrig, wo er nur konnte, war daher eine der Hauptaufgaben seines Pontisicais. Nebenbei war er nicht müßig, seine ziemlich zahlreiche Perwandtschalt zu bereichern.

So waren die Verhältnisse beschaffen, als plözlich im Jahre 1595 ein sonderbarer und zugleich seltener Prozeß gegen den inzwischen alt gewordene» Francesco Cenci beim höchsten päbstlichen Tribunale anhängig ge­macht war».

Francesco Cenci nämlich, der von seiner ersten Frau zwei Söhne und zwei Töchter, und von der zweiten noch lebenden einen Sohn hatte, schickte die beiden elfteren zu ihrer Erziehung und Ausbildung nach Spanien. Bald darauf trat eine gewisse Spannung unter den Gliedern der Familie ein; die Eheleute lebten meist getrennt, die eine Tochter beeilte sich, über Hals und Kopf unter die Haube zu kommen, und hatte sich für den Fall, daß der Vater ihr Hindernisse in den Weg legen sollte, sogar den Schuz des Pabstes erbeten. Der alte Cenci ließ sie jedoch nach Belieben heirathcn ; ließ seine Gemahlin wohnen wo sie Lust hatte und de hielt nur seine Ltcblingstochter Bcatrice und deren Halbruder, ein Kind von etwa zwölf Jahren, bei sich

Diese Verhältnisse gaben den Römern viel zu re­den, als plözlich laut wurde, daß die beiden in Spanien bessndlichen Söhne des Cenci den Vater verklagt, weil er ihnen den Unterhalt verweigere. Diele Klage ric> den gedachten seltenen Prozeß hervor, in welchem der alte Cenci verurtheilt ward, die Söhne standesgemäs- zu unterhalten; zugleich wurde der Cardinal Camillo Borghese mit der Erccutirnng des Urtheils beauftragt

Mit welchen Empfindungen der chemalcge Priester Borghele diese Weisung empsing, das bedarf keiner Schilderung. Jndeß war Camillo heute nicht mehr der feurige, heftige, junge Mann, der schnell die Ge­legenheit zur Rache bcnuzt, wenn sie sich bietet, er war jezt der abgeschliffene Weltmann, der feine Diplo mat und der sichere Berechner, als welcher er sich spä- ter^namenilich bemerkbar machte; die in seine Hand gelegte Gewalt sollte nicht nur zur Demüthigung, son­dern zur völligen Vernichtung des frühern Beleidiger? dienen.

Statt wie ein grimmer Vollstrecker des Geiezes zu erscheinen, zeigte sich der Cardinal bei Ausübung seines Amtes als ein bedauernder Freund, gab Rath, statt zu drücken, und der alte Cenci ging in die Falle Wußte er nicht mehr, was er einst gethan? Vielleicht hatte er es vergessen; desto besser, aber war Borghe- sc's Gedächtniß.

Indessen gab es auch noch einen andern Grund, weshalb Camillo seine Rache einstweilen aufschob, nämlich Beatrice, die Licblingstochter des Vaters. Borghele war darüber mit sich einig, daß Bcatrice die größte Schönheit sey, die er je gesehen, und daß eS ein Glück sepn müsse, sie zu bcsizen.

Daher sein Bemühen, eia Freund des alten Cenci und somit auch Freund Beatrice's zu werden, und einem Manne, wie Camillo, konnte dies nicht schwer

werden. Nebenbei aber versuchte er die einzelnen Glieder der Familie wieder mit einander aus Ebnen.

Inzwischen batte Cenci von 'einer Autorität Ge­brauch gemacht und seine Söhne zurück gerufen, viel­leicht um ihnen wenn -sic nicht zurüetkehrien, keine älnterstüzung guzusenven. Die Söhne aber -erklärten sich bereit, zu kommen, sobald sie die nöihigcn Mittel dazu in Händen haben würden und Cenci schickte ihnen Reisegeld.

Im Plane des Cardinaks aber lag cS keineswegs, die Söhne Cenci's zu Hause zu wissen; er rielh ihnen daher in einem Schreibe» zu bleibe», wo sie seyen, Utid versprach ihnen alle Unterstü ung gegen den Batet. Dielen Brief schrieb Camillo Borghete ein Jahr nach Beendigung des Prozesses und Ucbernahme seines Auf­trages, während der alte Cenci ihn Freund nannte und Beatrice eine tiefe Verehrung seiner Person an den Tag legte. Er beging dadurch vielleicht eine Unvor­sichtigkeit, vielleicht war aber auch in dicser Handlung. Alles berechnet. Sehen wir vor allen Dingen im nächsten Abschnitte, wie der gedachte Brief wirkte, um später zn iehen, welche Folge» diese Wirkung halte.

4.

Die Brüder.

Zn den berühmtesten der vielen Universitäten Spaniens im scchszehnten Jahrhundert gehörte die im Jahre 1400 gestiftete Hochschule von Valencia. Diese halten die Brüder Malteo und Carlo Cenci für ihre Studien gewählt und waren hier mit dem, ihrem Stande und Ncichthum angemessenen Glan;c ausgetreten.

Beides in Verbindung mit einem angenehme» Aeu- ßcrn und liebenswürdigen Benehmen hatte ihnen Freunde und Bewunderer verschafft. Das Studiren war natür­lich Nebensache. Indessen dauerte die Herrlichkeit nicht lange; des Datcrs Einfall, ihnen keine Mittel mehr zu scudln, machte derselben ein Ende und ehe cs sich die beiden jungen Leute versahen, befanden sic sich in drückender Verlegenheit. Sie mußieu ihre zahlreiche Dienerschaft entlassen, ihre Plerde und Equipagen ver­kaufe» und ihrer Gastfreiheit Schranken sezen. um selbst leben zu können. Die falschen ^Freunde zogen sich zurück und die Brüder sahen sich alsbald von Allen verlassen. Sie wendeten sich an den Oberherrn ihres Landes, den heiligen Vater, wie wir bereits erfahren; inzwischen war auch die Noth großer geworden; die glänzende Wohnung ward auigegeben und bald ging alles Enibebrliche und Unentbehrliche dahin, um mit dem Erlös das Leben-zu fristen.

In dieser Lage prägte sich die Verschiedenheit der Charaktere der beiden Brüder auf's Plastischste aus. Matte», der ältere, unterlag oft Anfällen von Wuth und verwünschte den Vater, die Stiefmutter, der er die ganze Schuld ausbürdetc, und endlich die ganze Menschheit. Carlo dagegen bedielt seine Heiterkeit; es schien, als schmerzten ihn die Entbehrungen durchaus nicht und sein ganzes Bestreben ging dahin, die Heftig­keit seines Brubers zu iänftigeü.

(Fortsczung folgt.)