Erscheinung: dun'cl von Haar und Augen, von leb­hafterem Jncarnat, voll sprühendem Leben, geistvoll, keck, von jenem unbeschreiblichen, fröhlichen Muihwillen, welcher junge Damen so vortheühast kleidet und eine gewinnende Frische des Geistes verräth einem ange- bornen Tttent, zu gefallen, besonders wennder natürliche Takt ihnen behülflich ist, niemals das Maaß des Weib­lichen und Jungfräulichen zu üvcrschreaen ES hat etwa« Anst.ckcndes dieses frohe, harmlose, herzliche Lachen der Prinzessin Eugenie, das ihr hübsches, freund­liches Gesicht verklärt und die frischesten Lippen und die schönuen Zähne zeigt. Allein troz alle dem gefallt mir, dem wilden, leidenschaftlichen Manne, dem San­guiniker, die ruhige, stille Prinzessin weit besser, als ihre heitere, lebhafte Schwester. Es war ein geheimer, räthselhafter, innerer Zug, welcher mich schon im Augen­blick der ersten Begegnung für sie gewann.

Also Liebe auf den ersten Blick? wirst Du sagen, liebe Schwester. Ader ich leugne es entschieden. Wahr ist es, ich höre mit einemZgewiffen geheimen Entzücken auf den weichen Klang von Laura's Stimme, auf d-n sanften Tonfall ihrer Worte und auf die Richtigkeit und überzeugende Wahrheit ihrer Bemerkungen. Za, ich leugne Dir gar nicht, daß es mich schon mehrmals wie ein elektrischer Funke durchbebt hat, wenn unsere Blicke sich unerwartet begegneten, frcilich.um^mitLGe- dankenschnclle dann den Boden oder einen andern Gegenstand zu suchen, als ob die Verlegenheit gemein­sam und eine Art von ein Gewissen in uns Beiden laut wäre. Ich nehme mir vor, jnie zu vergessen, daß sie eine Fürstentochter und ich der Pächter eines Hüttenwerks, ein schlichter Bürger, bin; ich mache mir Vorwürfe, daß ich nur einen Augenblick ein Wohlge- fallen an ihr finde, die miö doch unerreichbar ist; kann eine gewisse Befangenheit nicht unterdrücken und fühle das Blut in meine Wangen treten, wenn ich mit ihr rede, und dennoch richte ich fast jedesmal meine Be­merkungen oder die Blicke, womit ich solche begleite, an die Prinzessin, und sehe alsdann - auch ohne daß sie mich andlickt eine leichte Röthe üb.r ihre Wangen stiegen.

Glaube mir, liebe Schwester, dieser Zustand, der mir so gani neu ist, hat etwas Peinliches, fast Uner­trägliches für mich. Ich bin in einem unleugbaren Zwiespalt mit mir selbst, Ich zürne mir, daß ich bleibe, und kann mich doch nicht losreißen. Freude und Aerger, Lust und Schmerz kämpfen in mir, und eben der Umstand, daß in diele Sehnsucht nach der Nähe der Prinzeß, nach dem Klang ihrer Stimme, nach ei­nem flüchtigen Blick ihres lieben Auges, die mir alle- sammt das Blut mit beflügelter Eile zun, Herzen ja­gen, ein bewußter Vorwurf und eine Selbstanklage sich mischen, das macht mir die hiesige Situation pein- lich.

Sprich, Mathilde, ist dieß Liebe? Du, die glückliche Braut, mußst dieß beurthcilen können. Ich wähnte allerdings schon einige Male in meinem Lebe» verliebt gewesen zu scpn, aber ich habe diese cigenthüm- liche Stimmung aus Lust und Web, diese stillen Ge­wissensbisse, dieses Sehnen nach einer g eichsam verbote­nen Frucht nie empfunden. Allein meine Flamme galt freilich auch nie einer Prinzessin!

Doch genug hievon, ich denke es ist schon mehr als genug! Den einen Zweck meines hiesigen Besuchs, die Bcsichtung der großen Eisenwerke von Hirzenborn, erreiche ich beute noch. Den andern, rie Erkundigung nach unserem Stammbaum und unseren Familien-An- gehörigen, werde ich morgen verfolgen, llebermorgen bin ich vielleicht aus dem Heimwege. Ls liegt ein eigcnthümlichcr Druck auf meinem Geiste; eine Art dumpfen Vorgefühls, gleich dem voran'chreiiendcn Schatten entscheidender Begebenheiten, wie ich es, ob- fchon in minderem Grade, schon mehrfach am Vorabend wichtiger Wendepunkte meines Lebens verspürt habe. Und doch frage ich mich vergebens, was mir denn hier absonderlich Wichtiges begegnen könnte? Mein Ge­

schick kann hier unmöglich irgend eine entscheidende Wendling nehmen! Was also steht mir bevor? ....

Vorgestern wollte ich dem Finanzratb Söhren meinen Besuch machen, traf ihn a-er nicht zu Hause er war weggefahren. Dagegen vermittelte mir dieser Umstand die unerwaricl schnelle und innige Bekannt- schasi ieiner Frau, eine Bckannischast, die ich zu den erfreulichsten und wohtthuenesten meines ganzen Lebens zähle Welch' treffliche Frau! ein Gemüih wie lauteres Gotv, eine Natur, worin-Verstand und Herz im schönsten Gleichgewichte st.Heu, ein Welen welchem man instinkt- mäßig herzliche Verehrung zollt, weil Einem zu Mathe ist, als ehre man das Anoenkcn seiner eigenen Mutter, indem man ihr mit der innigsten Ehrerbietung begegnet. Denke Dir eine Frau von kaum fünfzig Jahren, mit offenen, ansprechenden, geistvollen Züge» und einem Antiiz, dem jman wohl ansicht, daß es schon manche Sorge, manchen Kummer getragen, aber glücklich über­wunden hat, schlicht, und doch von gediegener Bil­dung ulid^ guter Herkunft, eiac inustergüliige Haus­frau, eine zuthunliche, liebevolle Gattin und sicher auch eine vorzügliche Mutter. Ihre ganze Erscheinung machte von der ersten Sekunde an auf mich einen er­greifenden Eindruck, fast in der Art, wie derjenige der Prinzeß. Die Frau Finanzrath war etwas betreten, als ich mich zu erkennen gab; allein wenige Minuten genügten, um jede Verlegenheit zu verwischen und ei­ne» gezwungenen, trauliche» Ton zwischen uns her­vorzurufen, welcher jede Verlegenheit verbannte. Ich gebe Dir nur einen flüchtige» Zug, welcher Dich diese Frau kennen und iiebgewinnen lernen wirb, beste Schwester! Der Finanzrath rst einer der angesehenste» und wohlhabendsten Bewohner von Gieisbrrg; dennoch traf ich seine Frau in einem schlichten grauen Kaltun­kleide und i» der Küche ^beschäftigt. Aber keine Ent­schuldigung deßhalb, kein Versuch der Beschönigung von ihrer Seite! Sie hatte das Bewußtscyn und die Sicherheit, dort ebenso gut in ihrem Wirkungskreise und an ihrer Stelle zu sepn, wie in ihrem Besuchszim­mer! Ich liebe diese ruhige, bewußte Zuversicht der Frauen, die sich nicht schämen, Hausfrauen zu sepn, und wünschte, diese Tugend wäre heutzutage allgemei­ner unter den Frauen unserer gebildeten Stände. Hausfrau ist mir ein höherer Ehrentitel, als vollendete Dame. Als ich Elisens erwähnte und ihre Grüße an Frau Finanzratb und ihre Töchter bestellte, hatte» wir ein Thema gefunden, welches uns schnell einander näherte Ich hörte zu meinem Bedauern, daß die beiden Töchter des Hauses abwesend sehen. Je Län­ger wir sprachen, je mehr in einer ungcsncht einfachen Unterhaltung der klare Verstand, die reiche Hcrzens- güte, das lautere Wohlwollen und die ruhige Beson­nenheit von Madame Söhren zu Tage traten, desto lebhafter bedauerte ich im Stillen, daß ich die Töchter einer solch vorireffiichen Frau nicht kennen lernen konnte. Es war mir, als ob ich sie äind ihre Mutier schon irgendwo gesehen habe, als ob sie mir allcsammt nicht fremd sehen, und doch konnte ich mir dieß nicht ai ders erklären, als dadurch, daß ich von Elisen so m-nchrrlei von dieser Familie gehört hatte, woran ich unwillkür­lich erinnert wurde. Kurzum, mir schwand in der Un- terhaliung mit dieser cdlenZFrau so sehr alles Bewußt- sehn von Zeit und Raum, daß ich erst aufstand, um mich zu verabschieden, als eine junge Dame zum Be­such eintrat de Tochter eines hiesigen fürstlichen Beamten. Als ich wegg-.ng mit dem Versprechen, bakd wirderzukchren, und aus meine Uhr blickte, bemerkte ich mit Erstaunen, daß Mein erster Besuch anderthalb Stunden gedauert batte, die mir kaum wie eine Vier­telstunde vorgckommeii waren. Nach Nesidenzbegriffen eine ungebührlich lange Zeit, für einen ersten ccrcmo- niösen Besuch!

(Fortseziing folgt.)

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