sten ließ ihr diese Erwartung sehr problematisch er­scheinen. »Er ist jedenfalls ein Mann, bei welchem Herz und Verstand im schönsten Gleichgewichte stehen/' > bemerkte sie. »Durch die einfache aske, die er an­genommen und mit solchem Geschick und Erfolg be­hauptet, leuchtet jeden Augenblick der treffliche innere Mensch heraus. Ich habe sogar bemerkt, daß er, wenn auf Höfe und ähnliche Dinge die Rede kam, eine ge­wisse Verlegenheit nicht bergen konnte, als ob ihn die angenommene Rolle und der Widerspruch derselben beengte." !

»Das ist auch mir nicht entgangen,« pflichtete di» Stistsdame bei. «Er vermied sichtlich jedes Eingehen auf diese Dinge, als ob er darin eine Art Schlinge sähe, die man ihm gelegt habe.« !

«Ich kann es daher auch nicht billigen, daß mein durchlauchtiger Schwager die Mystifikation erwi­dern will,« sagte Prinzeß Charlotte. »Was soll da­raus entstehen, wenn unser lieber Gast wirklich mehr als ein flüchtiges Interesse für das treffliche Mädchen erfassen sollte, welche man ihm als die Prinzessin Laura vorgcstelll hat? Wird nicht die echte Laura dabet am meisten verlieren?"

Wie so denn, meine Liebe?« fragte die Fürstin t lebhaft. «Sollte Laura mit all' ihren reichen Vorzü­gen nicht im Stande scpn, Augusten aufzuwicgcn, die allerdings ein treffliches Mädchen ist?"

»Nicht so, meine liebe Schwester! wir haben uns mißverstanden,« entgegnete Prinzeß Charlotte. »Du weißst, ich halte viel von den Eindrücken, welche die erste Begegnung zweier Personen wechselseitig her- vorruit. Wie nun, wen» unser Gast wirklich ein tie­feres Interesse für die angebliche Prinzessin Laura er­faßt, wenn diese es theilt, wenn halbe Geständnisse wenn Blicke u. s. w. den Austausch der Ueberzcugnng vermitteln, daß man einander näherstehe? Und wen» dann Prinz Oscar eines Tages erfährt, und zu spät erfährt, daß er mpstificirl worden und daß es nicht die Prinzessin war, welcher er sein Interesse geschenkt hat, wird er dann nicht entweder sogleich und unverrichteter Dinge abreiicn und jeden weitern Schritt in dieser Sache unterlassen, oder wenigstens mit einem Borur­iheil gegen die rechte Prinzeß Laura behaftet bleiben und unwillkürlich Vergleichungen zwischen der jungen Dame, welche er seither für sie gehalten, und der legi­timen Laura anstelle» ?"

»Was diese allfälligen Vergleichungen anlangt,« erwiderte die Fürstin, deren mütterlicher Stolz bicdurch etwas gekränkt worden zu sepn schien, »so lenke ich, meine Liede, daß Laura de» Vergleich mit Fräulein Auguste nicht zu scheuen haben wird. Allein hoffentlich wird der Scherz nicht allzu lange dauern, und die Maske bald abgenommen werden. Der Fürst hat sicher diese Möglichkeit nicht so fest in's Auge gefaßt, wie Lu, meine beste Charlotte; und wir wissen ja über­haupt, wie schwer ihm eine derartige Idee auSzureden ist.«

»Jenun, ich wünsche pon Herzen, daß ich mich vergebens beunruhigt habe, meine Liebe,« entgegnete Prinzeß Charlotte; »allein ich hielt es für meine Pflicht,

diese meine Bedenken nicht zu verhehlen.Ich

bitte um Entschuldigung, wenn ich jczt mich in'S Schloß

begebe; aber »S wird mir hier unter den Bäumen z« kühl.«

Al« Prinzessin Charlotte weggegangen war, ver­sank die Fürstin in ein beharrliches, nachdenkliche» Stillschweigen. Die Bemerkungen ihrer Schwester hatten doch einen gewissen Stachel in ihr zurückgelaffen, und sie mußte sich gestehen, daß die Auffassung der Prinzessin nicht ganz ungcgründet und unberechtigt war. Die Fürstin war mitten in ihren Zweifeln, als der Fürst mit seinem Bruder und Herrn Randeck in den Garten trat, um die Damen zu begrüßen und von seiner Rückkehr zu überzeugen. Randeck verfugte sich nach den ersten Begrüßungen zu den jüngeren Damen, die Stiftsdame machte sich an den Prinzen Heinrich, um von dem alten Junggesellen etwas Näheres über den Gast und den Eindruck zu erfahren, welchen der­selbe auf den Fürsten gemacht habe, und die Fürstin reichte ihrem Gemahl den Arm, um sich von ihm in den Gartensaal führen zu lassen. Sie thcilte ihm so­gleich ihre Befürchtungen über die Folgen seines Scherze» mit, bat idn, dieses Spiel doch baldmöglichst fallen zu lassen. Hiezu schien die Durchlancht jedoch nicht die mindeste Lust zu haben.

»Gib Dich doch zufrieden liebe Seele!" erwiderte er lachend. »Prinz Oscar ist ein so charmanter Mann so voll gesundem Humor und schlichtem, biederem Wesen, daß wir durchaus nicht zu befürchten brauchen, er werde den harmlosen Scherz übel nehmen, der ihn ja nur mit seinen eigenen Waffen schlägt. Nein, meine Liede! er ist in der Thal eine seltene Erscheinung unter der heutigen Männerwelt; gebildet, von festen Grund­sä,en, streng, und von einem praktischen Sinne, einer allseitigen Tüchtigkeit- wie ich noch wenig« Leute, am wenigsten unter unserem Stande, gefunden habe. Männer von solch tüchtigem Korne verlieben sich nicht über Nacht und vom ersten Anschaucn, wie schwärme­rische Jünglinge, und ich halte Fräulein Auguste für keine ko geiahrliche Nebenbuhlerin unserer Laura. Utbcrdem gewährt uns das Jncognito des Prinzen den doppelten Borthcil, ihn näher kennen zu lerneo, weil er sich unbefangener gehen lassen kann, und pon der entsezlich langweiligen Etikette Umgang zu nehmen, we'che bei seinem offi/clle» Besuch doch mehr oder weniger eingehalten werden müßte. Darum bin ich fest entschlossen, den Scherz, der uns Allen so bequem und nüzftch ist, so lange fortzukezen, als es der Prinz selber für rätblich erachtet, sein Jncognito beizubehalten. Und Du wirst Dich überzeugen, meine Liebe, daß wir diese kleine Contremine nicht zu bereuen haben wer­den! F hren wir also fort, einstweilen o» kamillo zu leben, und improvisircn wir heute Abend einen kleinen Tanz oder ein Cvnceet!"

- »Ich füge mich gerne, allein meine Zweifel und Bangigkeiten sind mir nicht genommen, lieber Rudolph!" entgegnete die Fürstin. »Ich wünschte, es fände sich «in« Gelegenheit, den Scherz zu beendigen!«

tiommt Zeit, kommt Rath, m-» oköee! Einst­weilen wollen wir uns alles Grübelns entschlagen!"

(Fortsezung folgt.)

LL* Wegen des Christfestes wird nächsten Mittwoch kein Enzthäler, dagegen der heutige, ausgegeben

>» ML». >

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