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bcfa? einen schlauen, kazenähnlichen Mulh, der vor nichts zuruckichreckte - und io ging er denn nach Paris Für Leute seines Schlages gab eS hier allerhand Aussichten; er machte sich dieselben zu N»ze »nd eS gelang ihm vollkommen. Er zog die Aufmerksamkeit des schrecklichen Fouquier Tinvllle auf sich und erhielt eine Stellung im Bureau der geheimen Polizei.
Unterdessen hatte sich Danvillcs Zorn abgekühlt: er entschloß sich, zu seinem listigen Verfahren, das ihm bisher so gute Dienste geleistet, zurück;,ikehren und schickte nach dem entlassenen Verwalter, um ihn wieder in seinen Dienst zu nehmen. Aber es war zu spät, Lomaque befand sich bereits in einer Stellung, um ihm Troz bieten, — ja, um möglicher Weise seinen Hals unter das Beil der Guillotine bringen zu können Noch schlimmer als dicß war es, daß er anonyme Briefe erbielt, die ihn dringend aufforderten, durch unbezwcisclte unzweideutige Opfer seinen Patriotismus zu beweisen und seine Mutter zum Schweigen zu bringen, deren unkluge Aufrichtigkeit ihr in kurzem das Leben kosten würde. Danville kannte sie zu gut, um zu wissen, daß eS für sie, und demnach auch für ihn, nur einen Rettungsweg gebe. Sie hatte sich stets geweigert, auszuwanocrn; aber jezt bestand er darauf, daß sie die erste günstige Gelegenheit, die er herbeizu- sührcn im Stande scy, ergreifen und Frankreich verlassen müsse, bis ruhigere Ze ten eingetreten. Wahrscheinlich würde sie zehnmal lieber ihr Leben aufs Spiel gesczt, als auf ihn gehört haben; aber unter den ob- waltenden Umständen batte sie nicht den Muth, das Leben ihres Sohnes in Gefahr zu bringen, und seinetwegen, folgte sie seinem Rathe; thcils durch geheimen Einfluß, thcils durch schamlosen Betrug gelang cs ihm ihr solche Papiere zu verschaffen, die es ihr gestattete», Frankreich auf dem Wege über Marseille zu verlassen. Aber auch jezt wollte sic nicht eher adretten, bis sie über die künftigen Pläne ihres Sohnes Gewißheit habe. Er zeigte ihr einen Brief, den er eben an Robcspierre abzukenden im Begriff war; er vertheidigte darin seinen verdächtigten Patriotismus und forderte mit einem gewissen Grade von Entrüstung, daß man ihm Gelegenheit bieten möge, denselben durch Einsezung in ein Amt, wie klein und gering dasselbe auch seyn möge, unter dem furchtbaren Triumvirate, das Frankreich damals regierte, oder vielmehr in beständigem Schrecken erhielt, auf das Unzweideutigste zu beweisen. Die Durchsicht dieses Schreibens beruhigte Madame Danville. Sie sagte ihrem Sohne Lebewohl und reiste endlich, in Begleitung eines treuen Dieners nach Marseille ab-
Danvillcs Absicht bei Absendungj seines Briefes nach Paris bestand einfach darin, sich durch eine pa- iriotiiche Prahlerei aus der Gefahr zu bringen. Er war wie vom Bliz getroffen, als er eine Antwort erhielt, die ihn beim Wort nahm und ihn nach der Hauptstadt zu kommen einlud, um unter der bestehenden Re- gicrung eine Stelle einzunehmcn. Es blieb ihm keine andere Wahl, als der Einladung zu gehorchen. Er reiste sofort nach Paris ab und nahm seine Gattin mit sich in den offenen Schlund der Gefahr. Schon damals stand er in offener Feindschaft gegen Trudainc, und je ängstlicher und besorgter er das Herz des Bruders wegen seiner Schwester machen konnte, um so
mehr fühlte sich seine Rache befriedigt. Treu der übernommenen Pflicht und Liebe für die Schwester, troz aller Gefahren und Verfolgungen, folgte ihnen Tru« daine nach Paris, und in derselben Straße, wo Beide in den Tagen der Schreckensherrschaft ihre Wohnung nahmen, miethcte auch er sich eine Wohnung.
Danville hatte sich bei der Annahme seiner angetragenen Dienste auf das Peinlichste überrascht gefühlt — doch diese Ucberraschung stcigeite sich noch in hohem Grade, als er erfuhr, daß man für ihn ein« der JntcndcintensteUcn i» demselben Bureau der geheimen Polizei ausgewählt, in welchem Lomaque als Agent beschäftigt war. Robcspierre und seine Kollegen hatten in Bezug auf Danville absichtlich diese Maßregel ergriffen — sie wußten sehr wohl, daß er Vermögen besaß und von solcher lokalen Bedeutung war, daß cs sich wohl der Mühe lohnte, ihn genauer kennen zu lernen. Sie wußten, wo man ihm nicht trauen durfte, und wie man sich seiner mit Nuzen bedienen könnte. Die Geschäfte der geheimen Polizei waren der Art, daß nur ein schlauer, in der Wahl der Mittel nicht bedenklicher Mann dazu geeignet war, sie mit Geschick zu versehen; und der treuen Ausübung dieser Schlauheit und Unbedenklichkeit im Dienste des Staates versicherte man sich durch die Gegenwart LomaqueS im Bureau. Der entlassene Diener war gerade der beste Spion, um den mit Verdacht belasteten Herrn zu überwachen. So ereignete es sich denn, daß im Bureau der geheimen Polizei zu Paris unter der Schreckensherrschaft LomaqueS alter Herr rem Namen nach wieder sein Herr war — Danville war Intendant, dem Lomaque der Form wegen öffentlich verantwortlich war — Danville stand auch in Verdacht, und seine geheimsten Worte und Handlungen hatte Lomaque im Geheimen pflichtschuldigst zu überwachen.
Immer trüber unv finsterer wurden die Mienen Lomaque's, als er je;t allein die Wechsel und das Mißgeschick der verflossenen fünf Jahre erwog. Eine Thurmuhr in der Nachbarschaft, welche die siebente Stunde verkündigte, weckte ihn aus seinen Betrachtungen auf. Er ordnete die verwirrte Masse Pariere, die vor ihm lag, sah nach der Thüre, als ob er erwartete, daß Jemand eintretcn würde, und nahm, als dirß nicht geschah, jenes besondere Papier wieder zur Hand, das zuerst jene Reihe trüber Gedanken in ihm hervorgerufen hatte. Es enthielt nur wenige Zeilen in Chiffcr- schrisl utidjZautetc alio:
»Sie wissen, daß Ihr Intendant Danville vergangene Woche Urlaub erhalten hat, um einige seiner Angelegenheiten in Lyon zu ordcn, und daß er erst in ein oder zwei Tagen zurückcrwartei wird. Während er abwesend ist, betreiben Sie die Sache Trukaines. Sammeln Sie alle Beweise und halten Sie sich bereit, sofort zu handeln, sobald Ihnen die Weisung zugeht. Verlassen Sie das Bureau nicht, bis Sie wieder von mir gehört haben. Wenn Sie noch eine Abschrift der Privaiinstruciionen in Bcmg auf Danville besizen, die Sie für mich geschrieben habe», so sende» Sic mir dieselbe ins Haus. Ich will mein Gcdächtniß auffrischen. Ihr Originalbrief ist verbrannt worden."
(Fortfezung folgt.)