überein, daß in ihr» unwillkürlich bange Besorgnisse aufstiegen. Er dachte an den unglücklichen Wallenftein, an welchem er, troz der Verschiedenheit des Glauben», bekenntniffes und des Charakters, fest gehangen hatte, wie jeder brave Soldat in der kaiserlichen Armee, und Abscheu gegen die ehrlose Feigheit und Feilheit ge» dungener Meuchelmörder und gegen einige dem Jesni- tismu- zugethane Generale, wie Verdruß über die Un­dankbarkeit und Schwäche des Hofes bemächtigten sich seiner. Er fand bei tieferer Ueberlegung das ganze Treiben und Getümmel der Zeit verächtlich und sehnte sich nach dem Frieden einer geläuterte« heüleuchtcnden Ordnüng im deutschen Reiche.

So Hatte er sich in eine trübe und schmerzliche Stimmung hineingedacht, welche er vergeblich zu bau« nen suchte.

Er begab sich über einen langen Corridor nach dem rechten Flügel des Schlosses, wo die kranke Bella in Gesellschaft ihrer Kammerfrau und einer Wärterin wohnte, um sich am Schmerzensbett des holden We­sens, das er achte» und lieben gelernt hatte, Ruhe «nd Scelenerquickung zu holen.

Die schöne Kranke empfing ihn mit inniger Freude, denn eS hatte sich zwischen Beiden im Laufe weniger Tage ein snßeS, herzliches Berhältniß entspannen und der Graf erwog mit stiller Lust den Gedanken, durch die liebenswürdige Bella seinen Kindern eine andere Mutter und seinem durch der Prinzessin von Liegniz Tod vereinsamten Herzen eine neue Trösterin zu geben. Klarer den je durchleuchtete dießmal jener freundliche Gedanke seine betrübte Seele. Er sezte sich dicht neben Bellas Lager und ergriff ihre schmale weiße Hand. Seine Betrübniß entging ihr nicht. Sie fragte zärt­lich nach der Ursache. Er schüzte den Leberdruß am wüsten Soldatenleben und die neubelebte Sehnsucht nach häuslichem Glück mit zarter Schonung vor. Da lächelte sie verklärt wie eine Geliebte, wenn der Freund ihres Herzens ihr Bilder des holdesten LiebeSgliickeS vor das geistige Auge zaubert. Er sprach von seinem Kpnast, von dessen somiebeglänzter Höhe er sonst oft mit stillfricdlicher Heiterkeit in das dämmernde Thal hinabgeschaut, von seinem schönen Warmbrunn, dessen Annehmlichkeiten er manchen Sommertag durchkostet.

Bella hörte gern solche Sprache und empfand ein seliges Entzücken in den innigen Andeutungen seiner Zuneigung. Sie führte durch den Trost ihrer schönen Lippen ihn zauberisch dem Lage näher, an welchem er sich wieder nur sich selbst und seinen Lieben angehören würde.

Ruhiger verließ der Graf die Freundin, aber nicht beruhigt, und sein: «Gute Nacht, Bella!" klang heute so wehmüthig, daß die Gräfin nun selber traurig ge­stimmt ward. Sie dachte an die bedrohlichen Erleb­nisse der leztvcrflsffenen Tage-

Graf Ulrich hatte zu eben dieser Zeit den Lehrer und Erzieher seiner drei Knaben, einen vertriebenen evangelischen Geistlichen, Kapillarius, nach Ohlan kom­men lassen, um seinen Bericht über Wohlseyn und Fort­schritte der theuren Sprößlinge zu vernehmen und ihm weitere Instructionen zn geben. Er ließ ihn fezt auf sein Zimmer rufe», um die quälende Leere des Abends durch Handlungen väterlicher Sorgfalt ausziisüllcn.

Mit heiterer Befriedigung vernahm er, als rin rechter Vater, immer von Neuem das Lob seiner treff­liche» Kinder aus des strengen Informators Munde und fühlte sich stolz als den Träger seines wackeren Adelsgcschlechts, weil er Körperkraft und geistige Reg. samkeit in seinen Nachkömmlingen herrlich vereinigt wußte.

»Du sollst mir«, sprach er zu Kapillarius, »meine Söhne zwar in Gottesfurcht und in den guten Lehre» der Kirchenväter und Moralisten erziehen, aber sie vor dem alten Sauerteig und Schlendrian bewahren und empfänglich machen sür^den Fortschritt und die Grund- säze der Reformation. Meine Kinder sollen als gute Protestanten leben, wie ich dermaleinst als getreuer Protestant sterben will. Halte sie fern von eitlem Wortgezänk und falschem Schein und leite Du sie wahrer, überzeugter Frömmigkeit und gediegener Auf­klärung entgegen. Beim Unterricht folge nur weise den Grundsäzen des Wolfgang Ratig, der beim Reichstag zu Frankfurt leine neue lichtvolle Lehrme­thode vorgebracht hat und eine leichtere Erlernung der alten Sprachen auf den Grund der Muttersprache, und hiermit Verbindung der Sachkenntnisse, so er Realia nennet, will. Auch den ComenluS von den böhmisch-mähriiche» Brüdern, der sich dem Ratig an- geschlvffen, lasse nicht außer Acht. Meine Kinder sol­len, hoff' ich, mir dereinst keine Schande machen."

Der Graf war, er konnte sich selbst nicht erklären warum, schmerzlich bewegt, als er diese Anordnung traf und konnte, als der Informator ihm gute Nacht gewünscht und sich zur Ruhe begeben hatte, nicht aus dem engen Kreise düsterer Vorahnungen herauskommen.

Unruhig maß er sein Gemach mit starken Schritten, bis er endlich ermattet, ohne sich zu entkleiden, sich zum Schlummer niederließ. Die Thurmuhr schlug elf; bald darauf schlummerte er ein. Kein Laut rings­um unterbrach die nächtliche Stille. Es war die Stille vor einem Sturme.

Plözlich fiel, etwas entfernt vom Schlosse, ein SigNälschuß. Der Graf fuhr erschreckt aus seinem leisen Schlafe empor und lauschte. Es war wieder still. Einige Minuten später aber, als er sich kaum wieder aufs Polster zurückgeneigt hatte, näherte sich das rasche Traben vieler Pferde. Er verließ sein La­ger. Das Geräusch näherte sich dem Schlosse immer mehr. Sein Herz schlug heftig. Er trat an's Fenster und blickte hinaus. Sein Auge traf auf die dunklen Umrisse einer Reiterschaar, die jezt am Schloßportale in Front hielt. Er vermochte das Flinker» der Kürasse zu erkennen. Nur leise schnaubte hie und da ein Pferd, noch leiser ertönte der Commandoruf zu ihm herauf:

"Zwölf Mann abstzen! Degen heraus! Vorwärts marsch!« Ein Trupp stieg hierauf die Schloßtreppe empor und verschwand im Hause.

In diesem Augenblicke stürzte todtenbleich und ver­stört Jobst mit Licht ins Zimmer seines Herrn.

Was bedeutet dieser Lärm?" fragte der Graf mit gezwungener Fassung.

»Gnädiger Herr", flüsterte Jobst beklommen, »es naben geharnischte Männer mit blanken Waffen. Im Schloßflur vernahm ich den leise gesprochenen Befehl, daß die Thüren besezt werden sollen. Das Portal ist umringt.«

»Ich weiß nicht, wer sich unterfängt-", sprach

Graf Ulrich stockend.

»Die Hinterpforte ist noch frei", keuchte der Die­ner. »Rettet Euch, gnädiger Herr. Ich will alle Thüren verriegeln und verrammeln. Flicht, ich bitte Euch, gnädiger Herr!"

«Wozu denn fliehen?" entgegnete Schaffgotsch, seine männliche Fassung wieder gewinnend. »Ich bin mir nichts Schlimmem bewußt. Stecke mehr Lichter an, Jobst. Wir wollen die nächtlichen Störer, wer sie auch seycn, mit Gebühr empfangen."

(Fortsezung folgt.)