Reiche und Arme, Adelige und Bürgerliche, ernste und heitere Männer warben um sie und suchten einander > den Rang vor ihr abzulausen Wenn sie auSfuhr, sah sie sich von einer Cavalcade von Dienstbeflissenen Ca­valiere» umgeben, und auf den Bällen war sie die ge­suchteste Tänzerin. Leute aller Rationen, Franzosen, Engländer und Russen warben am sie.

Unglücklicher Weise fiel Helenens Wahl auf einen ihrer am wenigsten würdigen Mann. Gaetano v. M. war zwar ein hübscher junger Italiener mit schönen blauen Augen und langem Ichwarzen Haar, der sich in gesellschaftlicher Beziehung gut zu benehmen und Mädchen zu fesseln wußre, es fehlten ihm jedoch die sittlichen Eigenschaften, welche dem Manne Werth ver­leihen. Er war ein Spieler von Profession und hatte Neapel wegen scandalöser Vorfälle verlassen, in die sein Spiel ihn verwickelt hatte.

Sobald der alte Graf W- dies erfuhr, beschloß er seine Tochter um jeden Preis vor dem Ehrlosen zu be- wahren. Er machte ihr Vorstellungen über ihre Nei­gung und warnte sie; das junge Mädchen war jedoch zu naiv und unerfahren, um den Worten ihres Vaterö Glauben zu schenken. Sie meinte, der Geliebte sey bei ihm nur verläumdet worden, weil er eS verstand, sich bei ihr stets in dem vortheilhaften Lichte eines tief und zärtlich empfindenden Liebhabers darzustellen. Sie fuhr daher fort, ihm ihre Liebe zu schenken, und Gaetano benuzte die Gelegenheit, sich die reiche Erbin zu sichern. Der Graf ließ sich jedoch dadurch nicht irre machen, sondern beschloß, dem Unwürdigen seine Tochter um keinen Preis zu überlassen, und müßte er selbst dazu schreiten, ihn zu vernichten. Er war noch nicht zu alt und noch kräftig genug, um den Kampf mit dem weichlichen Italiener nicht zu scheuen, dem er keinen Muth zutraute.

Es währte nicht lange, so siel dem Grafen ein Brief Gaetano's in die Hände, in welchem er Helenen zur Flucht aufforderte und sie zu diesem Zwecke um eine heimliche Zusammenkunft zu der Zeit bat, wenn ihr Vater nach seinem Whist-Club im Conversations- Hausc gegangen seyn wurde Zum Zeichen ihrer Einwilligung sollte Helene eine Rose an der Brust tragen. Helene erhielt diesen Brief nicht.

»Stecke heut' diese Rost vor," sagte ihr Vater, als sie sich zum Ausgehen rüsteten.

Helene gehorchte lächelnd und nahm ihres Vaters Arm. Auf ihrem Spaziergange begegneten sie Gaetano, dessen Augen vor Freude glänzten, als er die Rost er­blickte. Dann brachte der Graf seine Tochter zu einem Bekannten und bar sie, dort auf ihn zu warte». Er selbst ging nach dem kleinen Hause in der Lichtenthalcr Straße, das sie bewohnten, zurück, schickte seine Die­nerschaft fort und blieb allein.

Zur vorgeschlagenen Stunde erschien Gaetano, sprang über die Gartenmauer und stieg, als er die Thür verschlossen fand, durch cms der Fenster zur ebenen Erde. Dann ging er die Trcpve hinauf und ging freudccrfüllt in Helenens Zimmer, das ihm be­kannt war. Da trat ihm statt ibrer jedoch der Vater mit ein Paar Pistolen in der Hand entgegen. Der Graf verschloß die Thür und sagte zu dem zitternden Gaetano:

Ich könnte Euch erschießen, denn ich habe das Recht dazu. Ihr styd bei Nacht in mein HauS gedrun­gen und ich könnte Euch als Verbrecher behandeln."

»Aber, mein Herr," stammelte Gaetano, »ich bin kein Dieb.»

»Und was sepd ihr sonst?" fragte der Graf. »Ihr wolltet meine Tochter eine Erbin und ein Vermö­gen stehlen. Hier rst Ihr Brief, welcher Ihre ver­brecherische Absicht enthüllt. Ich werde keine Gnade gegen Sie üben, doch will ich Ihnen das Leben schen­ken. Sie kennen die Geschicklichkeit meines rechten Armes. Ein Duell würde mich bald von Ihnen be­freien, ich werde von diesem äußersten Mittel jedoch nur Gebrauch machen, wenn Sie sich weigern mir zu gehorchen.«

»Und was verlangen Sie von mir, mein Herr?»

»Sie müssen Baden-Baden verlassen und zwar nicht erst in wenig Tagen oder morgen, sondern so­gleich. Es müssen zweihundert Meilen zwischen mir und Ihnen siegen und Sie dürfen sich nie wieder mei­ner Tochter oder mir nähern. Als Preis für diesen Gehorsam zahle ich Ihnen die Reisekosten. Ich werde Ihnen 20,000 Fr. geben «

Gaetano wollte sprechen.

»Kein Wort!« rief der Wraf mit donnernder Stimme. »Sie kennen mich! Verstanden? Ihr Leben ist in meiner Hand und wenn Sie einen Augen­blick zaudern so jage ich Zhnen eine Kugel durch den Kopf«

»Gut, ich gehorche," stotterte der Italiener.

»Das ist Ihr Glück! Ihre 20,000 Fr. liege» dort in dem Schreibtische. Nehmen Sie sie!"

«Erlauben Sic mir, Ihr Anerbieten auszuschlagen."

Eine gebieterische Bewegung machte jedoch der falschen Bescheidenheit ein Ende und Gaetano sah wie rin Mann aus, der sich in sein Schicksal ergibt.

Der Schreibtisch ist aber verschlossen," sagte er-

«Ocffnen Sie ihn."

»Es ist kein Schlüssel daran."

Brechen Sie das Schloß auf."

Was, Sie wollen ich soll ?«

»Brechen Sie das Schloß auf oder ich schieße Sie nieder.«

Dabei erhob der Graf noch einmal das Pistol, und dieses bot einen unwiderstehlichen Grund dar.

Gaetano gehorchte.

»Es ist gut!« sagte der Graf. »Nehmen Sie die­ses Paquet mit Banknoten, sie gehören Zhnen. Haben Sie eine Brieftasche bei sich?«

»Ja.«

Was enthält sie?«

»Einige Papiere und Briefe, die an mich adressirt sind.«

«Lassen Sie die Brieftasche vor dem erbrochenen Schreibtische fallen.«

»Wozu?«

»Ich muß einen Beweis zu Ihrer Ueberführung haben,«

«Aber «

»Kein Aber, ich muß den Beweis eines Einbruchs haben. Ich muß den Dieb nennen können. Dieb oder Tod! Sie werden vor mir hinausgehen und , ich werde Sie nicht eher verlassen, als dis Sie eine