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Miszellen.

Die Zucht der Thiere in England.

(Schluß.)

Tiverlon, ein kleines Städtchen (etwa wie Höchst am Main), war mit Bahnen, Triumphbogen, Blumen, Gesträuchern festlich geschmückt, ganz so wie Frankfurt bei der Ankunft des Reichsverwesers. Omnibusse und Fiacres aus größeren Orten, für die Tage der Aus­stellung herbeigezogen. brachten die Ankommenden nach dem Orte derselben Um ein ansehnliches Stück Feld war eine Bretterwand gezogen, im Innern mit einem Häuschen für das Comiiee, vielen Buden, Zeiten und Schuppen versehen, in welchen stch die verschiedenen Tbierklassen befanden. Im Freien standen die Pflüge, Säemaschi>en, die Karren, Wagen, transportablen Dampfmalchi en zum Dreschen und Pflügen und alle anderen, zu dem Ackerbau nöthigen Werkzeuge, von der einfachsten Hacke und Schaufel bis zu den compli- cirteren Geräthschaftcn, welche die Hände vieler Ar­beiter ersparen oder auch die Arbeit erleichtern, in den Neuesten, vollkommensten Mustern, jedes den Namen des Verfertigers und den Preis tragend

In mehreren langen Schuppen waren die Schale, die Schweine, die Pferde, die Kühe, Rinder und Ochsen ausgestellt, bereits mit den Preisen geschmückt; neben den Thieren ihre Wärter mit zufriedenem Gesicht, weniger wohl wegen des gewonnenen Geldes, alS mehr in dem Bewußtleyn, das Beste zur Ausstellung gebracht zu haben. Wer sie je ges hen hat, die Deoonshirer Schale, Schweine oder Ochsen, welche jährlich ,u vielen Tausenden auf den Markt von London gebracht werden, kann sich einen Begriff von den Thieren machen, welche man würdig gefunden hatte, mit dem ersten Preise zu schmucken. Den Schaken, welche voraussichtlich um dir ersten Preise concurriren würden, batte man ei» elegantes Muster auf dem Rücken elngeschoren, aus dem Unken Schulter­blatt aber stand noch eine Büschel Wolle, um auch die Länge und Feinheit derselben prüfen zu können. Den Ochsen aus Devon mit ihrem seinen Kopf- und Knochen­bau idenn auch darauf steht der Engländer, daß er nicht unnüze Knochen, sondern Fleisch erzielt) sah man auf den ersten Blick an ihrem munteren Wesen an, daß sie gewohnt waren, stch lange Zeit auf der Weide ohne Aufsicht »ach freiem Willen zu bewegen. Die Arbeits­pferde, im Gegeniaze zu den Rinvvlehartcn mit starkem Knochenbau, erschienen als wahre Ideale von lebendigen Arbeitsmasvinrn. Laut kündigten sich die Orte an, wo die Poulkri, die Ausstellung von Hühnern, Tauben, Truthähnen. Enten »nv Gänsen stalisand; das Krähen von Hunderten von Hahnen zeigte den Weg. In sauberen Gitterkasten, alle von gleicher Größe, waren die Hübner ausgestellt, immer ein Hahn und zwei Hennen zusammen, was der Engländer eine p-m nennt, und alle nach den verschiedenen Rasen und Spielarten geordnet. Die durch ihre Gröne und Körperfülle rem Deutschen auf­fallenden CochinCbina. rn acht Spielarten, die Brahma Prontra, noch größer wie die vorhergehenden, die Game oder Streitbühner in vielen Spielarten, die noblen spanicben, schwarzen Hübner mit weißem Gesicht und Bartlavpen und großem, rotdem Kamm, die Malov'icben, die Dorking, die eleganten wunderschönen Polanvs und Hamburgs, die kleinen muntern BantamS, sie alle waren vertreten in Hunderten von Eremplaren, ie nach der vorgczeichneten Farbe ihrer Federn, als weiß, schwarz, gelb, rebhubnfarbig, nach Gold oder Silber gefleckt, nach Gold oder Silber eingefaßt und geordnet- Dabei war üderdieß vor Allem die Gestalt des Kogels, die Größe und das Gewicht bei den Cochin, Brahma und Dorking^rn Betracht gezogen; ebenso die Füße, der Kopf, Schnabel und Brust der Sireithühner u s. w. Die Preisrichter entscheiden mit großer Snbtiliiät, bis sie einer pen Hühner den Preis zuerkenncn; jeder Tbeil der Thiere, jede Feder wird gevrü't; aber darin geübt und Kenner, finden fie sicher das Beste und Schönste Heraus.

Nicht leicht kann man sich einen Begriff von der Schönheit solcher Preisvögel machen. Für einen Deut­schen ist es etwas ganz Unerwartetes, in dieser Gattung von Thieren, deren Zucht bei uns total vernachlässigt ist und weicher bis heute noch kerne Aufmerksamkeit ge­schenkt wird, solche Vollendung in so abweichenden Ge­statten und verschiedener Färbung des Gefieders za sehen. Dabei sind alle die hier aufgezählten Hühner- arlen gute Leger und schmackhaft für den Tisch, waS am Ende doch auch eine Hauvtsache ist. Man würde sehr irren, wollte man der Spekulation bei der Be­werbung um die Prelle, welche bei einer Poultri ver­theilt werden, einen Anlheil geben. Dem ist nicht io; es ist das uneigrnnüzigste Streben nach möglichster Ver- vollkommnng einer Thiergaitunq, welche jo verschieden­artige Nahen hat, wie vtrle andere.

Der PretS rer Vögel ist nach unseren Begriffen okt ein enormer, denn es ist nichts Seltenes, daß für ein vorzügliches Eremplar, sep eS H>nne oder Hahn, viele L. St. bezahlt werden, ja oftmals steigt versrldr bis auf 100 L. St. und manche find um keinen Preis zu haben.

Mit großer Bereitwilligkeit wurde uns Auskunft über alles Wissenswerihr gegeben, so das wir durchaus die Meinung ver.orcn haben, als seyen die Engländer unzugängliche Leute; ja, als ich einer ausgezeichneten Hühnerart eine besondere Aufmerksamkeit schenkte, deren Eigenthümer, ein reicher, unabhängiger Mann, nicht zugegen war, hatte man die Gefälligkeit, denselben zu veranlassen, daß er, ohne mit mir bekannt geworben zu scyn und ohne daß ich darum gebeten batte, an mich schrieb, und kann ich mit vollem Rechte sagen, daß mir die lebvafte Correiponvenz, welche unterdessen zwischen uns über die Hühnerzucht geführt wurde, schon manche angenehme Siunke bcreitct hat. Ein wahrer und voll­kommener Gentleman, hat mich dieser Herr damit be­kannt gemacht, wie man in England bei d»r Zucht oieier schon-n Hühner verfährt, und ich habe dadurch eine wohl mit Recht hohe Meinung von der Kennlniß, der Geduld und Ausvaner erhallen, mit welcher die Engländer ein vorgestecktes Ziel zu rreichen suchen. AehnliM, wie bei rer Zucht der Hühner, verfahren sie am Enoe bei der Zucht ihrer anderen Tbiere.

Am Nachmittage der Ausstellung kam von allen Seiten die noble Welt aus der Umgegend von Tiver- lo» in ihren Equipagen angefahren und nahm den regsten Aniheil an dieicm nüzlichen, schönen und heiteren Volksfeste; am Abend war Ball im Freien, wir aber eilten zurück nach London.

Den nächsten Morgen ging ich auf den Londoner Hühnermarkt, fand aber dawlbst nicht einen Kogel, welchen ich werth gehalten hätte, zu einer Ausstellung zu schicken, denn eS waren nur schäbige, auSgeanete Thiere vorhanden.

Ebensowenig kann ich den Bestzern von Cochin­Cbina graiutiren, welche sic vor einigen Jahren auf der Versteigerung -n Köln und Frankfurt erworben haben, denn auch sie waren bereits ausgeartete Vögel.

Den deutschen Oekonomen aber wünsche ich, sie mochten ein gleiches Interesse an der Veredlung ihrer Thirre nehmen, wie die Engländer; es würde sicher nur zu ihrem Vortheii ansfallen. Ein Gleiches aber von den -ö eren Schichten dcr Gesellschaft in Deutsch­land zu verlangen, wage ich nichi, ohne k,r einen Thoren erklärt zu weroeu, obschon es der reichste Eng­länder nicht unter seiner Würbe hält, auch ven Haus- thieren und ihrer Vervollrommung ein Interesse zu widmen, welches sich auch bei uns in Deutschland in jeder Beziehung lohnend zeigen dürfte.

China ist nach einem im Organ der k. asiatischen Gesellschaft zu London erschienenen Aufiaz Sir John Bowrings so stark bevölkert, daß Millionen, welche auf dem Lande keinen Plaz mehr finden können, auf dem Waff rieben. Bonder Bevölkerung Kantons allein haben etwa 300.000 Seelen ihre Wohnungen auf dem Flusse aufgeschlagen.

»tktütrio«. Lruil «Nt Lcrlait der M e e h'schcu Luchdruckeret t» Rkuenblirv.