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auf der Insel Sardinien, auf Korsika haben und den europäischen Kontinent bei La Spezia errei­chen. Er wild viermal ins Meer tauchen, zuerst zwischen Bona und Galita, dann zwischen Galita und dem Kap Teulada an der südlichen Spize der Insel Sardinien. Sodann ist er in die Meer­enge von Bonifacio gesenkt und geht sodann von Bastia nach der Küste von Lunigiana und kömmt nach La Spezia. Kein unterseeischer Telegraph liegt in solcher Tiefe, wie jener zwischen Sardi- men und Galita. Jener, der unter der Atlanti­schen See von Neu-Fonndland nach Irland gehen soll, wird wahrscheinlich nicht so tief in den Ab­grund hinadsteigen.

Rußland.

Petersburg, 17. August. Das freudigste Ereigniß der vorigen Woche ist die vorgestern erfolgte Rückkehr der Kaiserin Mutter, zumal dieselbe sich eines Gesundheitszustandes zu er­freuen hat, wie er bei der Abreise der hohen Frau kaum zu erhoffen war. Diese glückliche Wirkung des deutschen Wildbades wird nicht nur im kaiser­lichen Familienkreise, sondern in der ganzen Be­völkerung mit aufrichtiger Thcilnahme gepriesen.

A me rika.

Zu New-Iork befürchtet man wie der Arabia" berichtet ei» Ausbrechen des gelben Fiebers. Dir Präsidentschafts-Chancen Bucha- nan's nehmen zu. Zn San-Domiiigo soll eine furchtbare Revolution ausgebrochen seyn.

Miszellen.

Die beiden feindlichen Wefsire.

(Fortsezung.)

Ich denke, Jeder von uns wirv schon die Entdeckung oder Wahrnehmung gemacht haben, daß in Fällen und Lagen von großer Seelenangst, geistlicher Unruhe oder Furcht die Natur mit all' ihren Schönheiten und Schäzen nur einen sehr geringen Eindruck auf unsere Gefühle macht. Der Sturm der in unsrem Gemüthe tobt, hemmt allen Verkehr, alle Verbindung zwischen der innern uns äußern Welt. Es ist, als entfalte sich vor der Seele ein unabsehbares Reich von Unglück und Verderben, treibe alle unsere geistigen Kräfte auf den höchsten Punkt der Spannung und;e sie im Kampfe mit unsichtbaren und nur allzu ott unwiderstehlichen Gegnern und Mäch­ten gänzlich ab. Die fürchterliche geistige Spannung und Aufregung muß erst im Kampfe 'elbst eine gewisse Er­schöpfung unterer Kräfte herbcigeführt haben, bevor wie­der einige Ruhe bei uns cintrcten kann. So ging es auch bei Abu Meidan; als er sich mit fruchtlosen und unaus­führbaren Plänen zur Rettung lange genug abgequält hatte, sank er endlich ermattet auf den Divan nieder. Der laue weiche Nachiwind drang mit Blüihenduft ge­schwängert zum offenen Fenster herein, die Blätter der Bäume rauschten draußen leise, und der Gesang der Nachtigall, der im hehren Schweigen der Mitternacht im­mer am lautesten klingt, zitterte durch die weiten Hallen des Schlosses. Abu Mcidan erwachte wieder einigermaßen zur Besinnung und begann in männlicher Fassung über

den Stand seiner Angelegenheiten nachzudenken. Cr hatte unstreitig keinen Augenblick mehr zu vergeuden; zu Hoff­nung wie Aufschub war eS zu spät, nur Entschlossenheit und rasches Handeln konnten noch helfen. Binnen weni­gen Stunden wichen jene Mengen von leuchtenden Ster- neu vor der ausgehenden Sonne; dann mußte er sich in den Divan begeben, wo im Augenblick seines Ein­tretens das große Siegel ihm abverlangt werden konnte, und das Geständniß, daß eS ihm abhanden gekommen, seinen alsbaldigen Tod zur Folge haben mußte. Hatte er noch irgend einen Menschen, bei welchem er sich in dieser verzweiflungsvollen, dringenden Lage Raths er­holen konnte? Er überlief iu Gedanken die ganze Liste seiner Freunde, Bekannten und Nachbarn, fühtte aber nicht die mindeste Lust, einem von denselben sich in seiner Verlegenheit anzuvertrauen. Es waren lauter Leute, die nicht mit Gefahren vertraut und daher zu schwach und unerfahren waren, um sich in solchen dringenden Fällen helfen zu können. Zudem zweifelte er sehr, ob er bei den Meisten auf ihre Verschwiegenheit vertrauen konnte. Und wenn sie treulos waren und zu seinem Feinde eil­ten, um demselben sein Geheimnis zu verrathen, weil ihnen dort die Hoffnung auf Lohn oder Beförderung winkte, so mußte er hiedurch nur seinen eigenen Unter­gang beschleunigen.

Endlich sammelten sich seine Gedanken nach manchem Umherschwcifeii gleichsam von selbst auf einem einzigen Brennpunkte unv trieben ihn zu seinem fezigen Geheim­schreiber. Er wußte ja, daß Hussein für seine Jahre un­gewöhnlich weise »nv umsichtig war. Wie sehr er nun in diesem Augenblicke noch einmal genau alle Beweggründe zum Argwohn, zum Zweifel an der Treue Husseins ab­wog, Abu Meidan konnte keinen gewichtig und überfüh- rcnd genug finden. Gerade in dieser lritischen Lage lebte die Liebe und Freundschaft, welche er ehevem für den jungen Mann empfunden hatte, plözlich mit aller Macht wieder in des Siegelbewahrers Seele auf aller Ver­dacht schwand, unv Abu Meidan war entschlossen, sich ihm anzuvertrauen. Er wollte sich deßbalb sogleich zu Husseins Gemach begeben und vor ihm sein Herz aus- schüttcn, gleichviel ob es ihm zum Frommen oder zum Verderben ausschlagen würde.

Der Großsiegelbewabrer mußte beinahe die ganze Länge seines Hauses durchwandern, bevor er zu dem Zimmer gelangte, wo der Geheimschreiber schlief. ES war am fernsten Ecke des Schlosses in einem Vorsprung des­selben unv überschaute den ganzen östlichen Flügel des Gartens. Wie nun Abu Meidan so von Gemach zu Ge­mach wandcrte und die Rcichihümer ankchante, die er gesammelt batte, die prächtigen Möbeln, die kostbaren Teppiche und Tapeten, die hoben Spiegel, die reichver­zierten eingelegten und geschnizkcn Zimmerdecken, da schien er sich zum ersten Mal ihrer Pracht und seines Reichtbums bewußt zu werden. Er warf eine» Blick aus die Lbüre, welche zu seinem Harem führte, und eine noch schmerzlichere Beklemmung bemächtigte sich seiner. Allein nun war nicht mehr die Zeit zu Sehnsucht oder Reue, zu Anhänglichkett oder Trennungsschmerz es galt die wenigen kostbaren Augenblicke zu nüzen, welche ihm noch von seinem Leben blieben, bevor es zu spät wurde, sich noch bei seinem Freunde Raths zu erholen.

(Fortsezung folgt.)

Auflösung des Rebus Ln Nr. 63:

Wachlparake.

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