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Schweiz.
Aus allen Theilen der Schweiz laufen Nachrichten über die täglich bedenklicher werbende Lebensmitteliiotb ein. In Billmergen, im Kanton Aargau, ist vor wenigen Tagen ein Mann Hungers gestorben. Er hatte seit acht Tagen keine warme Nahrung mehr genossen; falsche Scham scheint ihn abgehalten zu haben, fremde Hülfe anzuflehen. Die Hülfe kam zu spät.
Turkey.
Konstantinopel, 15. Jan. Der Boden ist mit Schnee bedeckt und gefroren. Die neue französische Division und die Adrianopeler Husaren und Dragoner werden vier überwintern. Die griechische Flagge wird völlig zugelassen. — Krim, 12. Jan. Troz Frost und Schnee wurden die Belagerungsarbeiten bis 45 Meter von Sebastopol vorgeschoben. Täglich finden Scharmüzel statt. Nock fehlen die schon längst erwarteten Baracken.
Miszellen.
Spieler-Glück.
Mehr als je war im Sommer 18 . . Pyrmont besucht. Von Tag zu Tag mehrte sich der Zufluß vornehmer, reicher Fremden und machte den Wetteifer der Spekulanten jeder Art rege. So kam cs denn auch, daß die Unternehmer derFarobank dafür sorgten, ihr gleißendes Gold in größern Massen aufzuhäufcn, als sonst, damit die Lockspeise sich bewähre auch bei dem edelsten Wilde, das sie, gute, geübte Jäger, anzukörnen gedachten.
Wer weiß es nicht, daß, zumal zur Badezeit, an den Badeorten, wo jeder, aus seinem gewöhnlichen Verhältnisse getreten, sich mit Bedacht hingibt freier Muße, sinnzerstreuendem Vergnügen der anziehende Zauber des Spiels unwiderstehlich wird. Man sieht Personen, die sonst keine Karte anrühren, an der Bank als die eifrigsten Spieler, und überdem will cs auch' wenigstens in der vornehmeren Welt, der gute Ton, daß man jeden Abend bei der Bank sich einfinde und einiges Geld verspiele.
Von diesem unwiderstehlichen Zauber, von dieser Regel des guten Tons schien allein ein junger deutscher Baron — wir wollen ihn Siegfried nennen — keine Notiz zu nehmen. Eilte Alles an den Spieltisch, wurde ihm jedes Mittel, jede Aussicht, sich geistreich zu unterhalten, wie er es liebte, abgeschnitten, so zog er es vor, entweder auf einsamen Spaziergängen sich dem Spiel seiner Phantasie zu überlassen, oder auf dem Zimmer dieses oder jenes Buch zur Hand zu nehmen, ja wohl sich selbst im Dichten — Schriftstellern zu versuchen.
Siegfried war jung, unabhängig, reich, von edler Gestalt, anmuthigem Wesen, und so konnte es nicht fehlen, daß man ihn hochschäzte, liebte, daß sein Glück bei den Weibern entschieden war. Aber auch in Allem, was er nur beginnen, unternehmen mochte, schien ein besonderer Glücksstern über ihm zu walten. Man sprach von allerlei abenteuerlichen Liebeshändcln, die sich ihm
aufgcdrungen, und die, so verderblich sie allem Anschein nach jedem Andern gewesen seyn würden, sich auf eine unglaubliche Weise leicht und glücklich auslösten. Vorzüglich pflegten aber die alten Herren aus des Barons Bekanntschaft — wurde von ihm, von seinem Glück gesprochen, einer Geschichte von einer Uhr zu erwähnen, die sich in seinen Jünglingsjahren zugetragcn. Es begab sich nämlich, daß Siegfried, als er noch unter Vormundschaft stand, auf einer Reise ganz unerwartet in solch dringende Geldnoth gerieth, daß er, um nur weiter fortzukommen, seine goldene, mit Brillanten reich bcsezte Uhr verkaufen mußte. Er war darauf gefaßt, die kostbare Uhr um geringes Geld zu verschleudern; da es sich aber traf, daß in demselben Hotel, wo er eingekehrt, gerade ein junger Fürst solch ein Kleinod suchte, so erhielt er mehr, als der eigentliche Werth betrug. Ucber ein Jahr war vergangen, Siegfried schon sein eigener Herr geworden, als er an einem andern Ort in öffentlichen Blättern las, daß eine Uhr ausgespiclt werden solle. Er nahm ein Loos, das eine Kleinigkeit kostete, und — gewann die goldene, mit Brillanten besezte Uhr, die er verkauft. Nicht lange darauf vertauschte er diese Uhr gegen einen kostbaren Ring. Er kam bei dem Fürsten von G. auf kurze Zeit in Dienste, und dieser schickte ihm bei seiner Entlassung als ein Andenken seines Wohlwollens — dieselbe goldene, mit Brillanten besezte Uhr mit reicher Kette! — Von dieser Geschichte kam man denn auf den Eigensinn, durchaus keine Karte anrühren zu wollen, wozu er bei seinem entschiedenen Glück um so mehr Anlaß habe, und war bald darüber einig, daß der Baron bei seinen übrigen, glänzenden Eigenschaften ein Knicker scy, viel zu ängstlich, viel zu engherzig, um sich auch nur dem geringsten Verlust auszusezen. Darauf, daß das Betragen des Barons jedem Verdacht des Geizes ganz entschieden widersprach, wurde nicht geachtet, und wie es denn nun zu geschehen pflegt, daß die Mehrsten recht darauf ervicht sind, dem Ruhm irgend eines hoch- begabten Mannes ein bedenkliches Aber hinzufügen zu können, und dies Aber irgendwo aufzusinden wissen, sollte es auch in ihrer eigenen Einbildung ruhen, so war man mit jener Deutung von Siegfrieds Widerwillen gegen das Spiel gar höchlich zufrieden.
(Fortsezung folgt.)
(Nom.) Laut einem amtlichen Berichte sind in den lezten Monaten durch die Cholera fast fünfhundert Kinder elternlos geworden. Die Geistlichkeit ist zu deren Versorgung aufgefordert worden.
Nach statistischen Nachwcisungen beläuft sich mit Schluß des Jahres 1853 der Gesammtschuldenstand aller europäischen Staaten auf 15,077,981,119 fl. in Cond.- Münze, von welcher Summe auf den Kopf 55 fl. 38 kr. entfallen, wenn man die europäische Bevölkerung auf 267 Millionen Köpfe annähernd veranschlagt.
Von der Wahrheit spricht Jeder mit Achtung, so lange sie nichts gegen seine persönlichen Jrrthümer und Vorurtheile verlauten läßt.
Redaktion, Druck und Verlag der Meehsschen Buchdruckerei in Neuenbürg.
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