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Frankfurt, 8. Nvv. Neuerdings findet das Turnen» welches seit dem Jahre 1843 theilweise in Mißkredit gekommen war, wieder größere Beachtung. Be'onders ist es Oestrcich, welches diesem wichtigen Zweige der Erziehung und nationaler Bildung eine besondere Fürsorge widmet.
Hessen-Kassel.
Kassel, 5. Nov. Dem „Nürnb. Korresp." wird von hier geschrieben: Ein beispielloser Vorfall hat sich gestern Abend bier zugetragen. Der Premierminister Hassenpflug ist, aus dem Theater gerufen, vor demselben von hoher Hand sebr heftig körperlich mißhandelt worden. Herr Hassenpflug soll zu Bette liegen. Der Herr Graf v. Asendurg-Wächtersbach, Schwiegersohn Sr. K. Hoheit des Kurfürsten ist heute früh mit einem Ertrabahnzuge von hier abgc- reist.
Fulda, 7. Nov. Gestern sollte auf höhere Anordnung der Graf von I. auf seiner bevorstehenden Durchreise hier versteiftet werden. Derselbe mochte aber hierüber Nachricht erhalten haben, denn von Hcrsfeld aus folgte er, ungeachtet der auf der Route bestellten Pferde, nicht der Straße nach Fulda, sondern nach dem Darmstädtischen über Nüderaula. (F.J.)
V e st r e i Ä.
Nach Nachrichten aus Wien soll dort in den gouvernementalen ^reisen sich neuerdings einige Mißstimmung gegen verschiedene Maßnahmen der französischen Negierung in der orientalischen Frage geltend machen. Vornämlich soll auch der Gefändtenwechfel in Konstantinopel nicht eben angenehm gewesen sipn.
Ausland.
Frankreich.
Während die Getreidepreise in Paris fortwährend im Steigen begriffen find, kündigt man von Marieille eine ungewöhnliche Zufuhr von allen Getreivegattungen an.
Der „Coustitutionnel" lenkt heute die Aufmerksamkeit auf Schamyl, den bekannten Häuptling der Tscherkeffen hin, der bei dem russisch- türkischen Kriege ihm zufolge eine große Rolle zu spielen berufen ist.
Paris, 10. November. Der Moniteur meldet: 12,000 Türken sind am 3. November über die Donau in die große Walachei bei Olteniza gegangen. Sie wurden von 9000 Russen unter den Befehlen Panloffs angegriffen; nach lebhaftem Kanonenfeuer und Bajonetkampf haben die Türken ihre Stellungen behauptet nach dreistündigem Gefechte. Der Verlust der Russen an Tobten und Verwundeten beträgt 600 Mann, darunter 18 Officiere, 6 obere. Der Verlust der Türken ist unbekannt.
T ü r k e v.
Das Journ. de St. Petersburg enthält ein kaiserliches Manifest vom 21. Ökt., welches verkündet, daß Rußland zum Kampfe von der
ottomannischen Pforte herausgefordert sey und daß ihm nichts übrig bleibe, als dieselbe mit der Macht der Waffen zu bestimmen, die alten Verträge aufrecht zu erhalten und die Beleidigungen auszugleichen, mit welchen die Pforte auf die so gemäßigten Forderungen gcantwortet habe, die Rußland zur Veriheidigung des orthodoxen Glaubens im Orient ausgestellt habe.
Alle Berichte aus der Walachei stimmen darin überein, daß eine große Schlacht bevor- stcstt und daß Omer Pascha eine solche stcrbeizu- führen sucht; eie Gefechte, welche bis jezt statr- gefundea haben, sind nicht zum Vortheile der Russen ausgefallen, «aber auch nicht zu ihrem Nachtsteile oder zum Vortsteile der Türken) und G ist deshalb um so mehr anzunehmen, daß Fürst Gortschaloff einer Schlacht nicht auswei- cven werde.
Fürst Daniel von Montenegro hat einem östrcichi chen Priester aus Zara die Organisation des OnterrichtSwesens in seinem Fürstcuthume anvertraut.
Großbritannien.
London, 5. Nov Irland leidet gegenwärtig an mehreren Orlen an schrecklichen Ue- berschwemmungen. Die Stadt Cork z. B. steht fast ganz unter Wasser, Brücken und Häuier sind weggespült und Menschen haben ibren Tod in den Fluchen gefunden. « Cobl.Z.)
Miszellen.
Nach dem „Durhain Advertiler" hat ein Tischler in North-Shields, Namens William Johnson, eine Nasirma schine erkunden. Sic sieht einem altmodischen Armstiihl ähnlich, in dem sich der Betreffende bequem niederläßt; der Siz weicht allmälig unter ihm, bis er den Boden erreicht, worauf der Betreffende glatt rasirt und ungcschnitten aufsteht. Die Operation wird durch zwei Cylinder verrichtet, die jeder mit 4 Messern der Länge nach in einem Winkel von 60 Grad bewaffnet stnv; zwischen den Messern befinden sich feine Pinsel, so daß das Einseifen und Nasiren nicht nur von selbst, sondern gleichzeitig vor sich geht. Das Gewicht des zu Rasirenden sezt dir Maschine in Bewegung; sobald er aufsteht, schnellt der Siz in die Höhe, und die Operation kann ohne weitere Vorbereitung von Neuem beginnen. Eine Musik-Dose ist mit der Maschine in Verbindung, und spielt, während der Siz sich senkt, eine Anzahl Opern-Arien.
Den Bierbräuern zu Würzbnrg, von denen mehrere sich weigerten, Bier einzusieden, ist in Folge eines Regiernngsreskriptes vom Magistrate durch ein Circular bekannt gegeben worden, daß sie als Ausirber eines öffentlichen Gewerbes so viel Bier einsieden müssen, daß der Bedarf der Konsumenten bis zur nächsten Sudzeit vollkommen gedeckt ist.
Die mächtigen ledernen Kanonen, kn welche sonst die Studenten Füße und Beine steckten, daß sie mythologische Monstra, halb Stiefel und halb Mensch wurden, kommen immer mehr ab. In Tübingen soll unlängst der lezte Kanonenstiefel feierlich beerdigt worden seyn. Zwölf trauernde Füchse, mit schwarzem Flor behängen, trugen ihn, voran mit Fackeln die betrübten Stiefelwichser. In der Grabrede wurde gesagt, daß jezt nur «Schleicher» und «Leisetreter« ihr .Glück machten.
Redaktion, Druck und Verlag der M e eh'schcn Buchdruckerei in Neuenbürg.