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er daran dachte, gewaltig an seinem Innern. Und daß der gute Mann so gar beharrlich das Haus hütete, war ihm troz dem Wilde auf dem Felde doch aus anderem Grunde noch gar nicht geschickt, im Gegentheil:

'S ist ja schon über ein Jahr her, daß er mit Sophie, eben des Waldschüzen Tochter, Bekanntschaft hat. Seit­dem ihn der Alte zweimal hintereinander vor ein paar Monaten mit der Flinte in dem Wald erwischt hatte, durste derselbe freilich gar nichts mehr davon wissen: er hatte seiner Tochter bei Enterben die Liebe zu einem so entarteten, elenden Menschen, wie einem Wilderer, verboten und diesem selbst auf BetretungSfall Entsezliches androhen lassen. Mußten also die jungen Leutchen sich ein Stündchen Wiedersehen immer geschickt aus der Zeit der Abwesenheit vom gestrengen Herrn herausschneidcn. Und damit hatte es eben jezt hie und da sein Leiden. Den Provisor genirte das nicht wenig, und er mußte sich dabei immer sagen : in deiner Hand läge es, Alles in's Reine und wieder in's alte Geleise zu bringen. Aber, aber, deckte er die ganze Geschichte auf, ganz abzusehen vom Waldschüzen selbst er hat's ja der Sophie so fest versprochen gehabt, vom Jägdeln ganz zu lassen; was dächte, sagte, thäte diese dann? Nein, das wäre zu riskirt: aber doch sollte eS eben sepn! Jezt ging der Herr Provisor erst recht ge­lehrt in seiner Schule auf und ab, und stolperte vor lauter Nachdenken bald hier, bald dort über einen Fuß oder Stuhl. Denn offenbar mußte es noch irgend einen andern, etwas versteckteren Weg geben, auf dem man rS dem alten Manne beibringcn konnte. Endlich, er scheint gefunden der Provisor fährt wie der Bliz in seine Hosentaschen hinein, wühlt in beiden eine Weile umher, zieht ein Federmesser glücklich heraus, springt auf seinen Katheder, macht hurtig Alles zum Schreiben bereit und fängt es auch gleich an. Aber den Schul­kindern kommt Allen das Lachen, während sie ein Lied aus dem Gesangbuch abschrciben müssen: der Herr Kilian so müssen sie nemlich sagen, da er seinen Namen lieber, als seinen Titel hört hält den Arm, die Hand und Feder ganz anders als sonst, ganz ver­zwickt und sie ahnen nicht, warum und wozu. Aber wir wiffen's schon: Herr Kilian schreibt mit verstellter Handschrift einen anonymen Brief, heißt das einen Brief ohne Unterschrift. Derselbe ist bestimmt, den Waldschüzen über jenen verteufelten Hergang in's Klare und Ruhige z» versezen und soll ihm irgend wie in die Hände gespielt werden. Der Provisor schont nicht das Papier und nicht die Tinte: Die Auseinandersezung füllt fast einen Bogen. Wie bringt man sie nun ganz unbemerkt und doch sicher an den Mann? das macht Herrn Kilian nicht bange. Er kennt aus schöneren Zeiten her noch jeden Schritt und Tritt im Hause des Waldschüzen. Also geht er die Nacht darauf mit seinem Briefe, schiebt den Schieber am Stalle herum, geht hindurch, steigt barfuß die Treppe hinauf und klemmt das Papier ganz leise in die Schnalle der Stubenthüre. Und so wieder zurück: keine Maus hatte sich gerührt. Der Provisor schlüpfte seelenvcrgnügt daheim in sein Bett hinein und schlief herrlich.

Der Waldschüz mußte den folgenden Morgen frü­her als sonst aufstehen: er war zu einer Verhandlung

beim Forstamt in die Stadt bestellt. Er zieht sich an, greift nach einem Kruge alten KirschengeisteS, trinkt ein Gläschen daraus statt des Frühstücks, und sagt zum Abschied seiner Sophie, es sey jezt auch bald Zeit für sie zum Füttern. Wie er nun die Stubenthüre aufmacht, fällt das Papier rauschend hinab. Das Ding macht ihn doch aufmerksam und er bückt sich darnach mit einem seiner Flüche. Als er aber sofort die dick­leibige Briefschast, gar mit schwarzem Sigel vermacht, in der Hand wog, überlief ihn bereits eine Ganshaut und er brummte vor sich hin : Gott sey mir gnädig wie kam das wieder da herein; ich glaube als, der Teufel will auf mir fortreiten! Er blieb einen Augen­blick stehen. Im Hause ist's noch nicht hell genug zum Lesen. Aber seine Brille, den Nasenklemmer, muß er doch holen: sie liegt im Kalender auf der Himmels­bettlade droben. Die Sophie ruft aus der Kammer heraus, warum er denn noch einmal komme? Er geht aber ohne Antwort wieder hinaus, und fort.

(Fortsezung folgt.)

Professor Sedillot in Strasburg, einer der Kory­phäen vcr französischen Chirurgie, hat folgende merk­würdige Operation durchgeführt: Der Umstand, daß bisher viele Kranke in Folge von Verengungen des Schlundes den Hungertod starben, brachte ihn näm­lich auf den Gedanken, diesem organischen Nebel durch Oeffnung des Unterleibs zu begegnen, indem er einen Bauchschnitt zu dem Zwecke anbrachte, die Nahrungs­mittel direkt durch diese Höhlung, statt durch den vom Munde in den Magen führenden Kanal beizubringen. Sedillot hat nun wirklich einen Kranken operirt, wel­cher von einer unüberwindlichen Verengung des Schlurr des ergriffen und zu W-traurigen Perspektive verur­teilt war, Hungers zu sterben. Dem Unterleib wurde eine Oeffnung und dem in der Wunde strikten Magen des Operirten Nahrungsmittel beigebracht.

Neuenbürg.

Aufruf zur Uebernahme armer Kinder.

Da die Wittwe des Schmieds Walter hier, die von ihr angetrelenen erstehelichen Kin­der desselben

Karoline, 18 Jahre alt,

Pauline, 9 Jahre alt,

Marie, 6 Jahre alt,

nicht mehr versorgen mag, selbst gegen die ihr verwilligt gewesene Unterstüzung nicht, so wer­den diejenigen, welche diese Kinder in Kost und Verpflegung übernehmen wollen, aufgefordert, sich deshalb bei Herrn Stiftungspfleger Rauser dahier innerhalb 8 Tagen zu melden und ihre Anträge zu stellen. Die 18 Jahre alte Karoline Walter solle kränklich seyn und wird deshalb noch nähere Erhebung gemacht werden.

Den 11. Februar 1853.

Stadtschuldheissenamt.

Meeh.

Redaktion, Druck und Verlag der M e eh'schen Buchdruckerei in Neuenbürg.