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Baden.

In Karlsruhe ist aus Helgoland die Trauer­botschaft von dem Tode des durch seine Wetter- prophezeihungen auch in weitern Kreisen bekannten Professors Stieffel eingetroffen. Vor kurzem erst auf dieses Eiland gereist, wo er, wie vor 18 Jahren Heilung von einem langwierigen Leiden zu finden hoffte, ereilte ihn der Tod da­selbst am 13. d. M.

Ausland.

Rußland.

Aus Warschau wird geschrieben, daß bis sezt die Cholera dahier 5000 Personen hinweg­gerafft hat. Obwohl die Krankbeit bereits im Abnehmen begriffen ist, sterben täglich von 400 Erkrankten mehr als 200. Im Jahr 1851 be­trug die Bevölkerung Warschaus 164,115 Per­sonen.

Miszellen.

Die bayerische Kellnerin.

(Fortsezung.)

»Ich heiße Rodrich,» antwortete zögernd der Graf.

»Rodrich,» wiederholte sinnend das Mädchen, »ich werd' den Namen nicht vergessen, werd' immerfort an heut denken. Schaut mir noch einmal recht treu in's Auge, auf daß ich mir Euer Gesicht recht einprägen möge so und nun lebt wohl wir sehn uns nicht wieder.«

»O doch, doch!" betheuerte Amberg, »in Nürn­berg.»

Das Mädchen schüttelte elegisch den Lockenkopf, riß sich los, und schlüpfte davon, Rodrichs sehnsüchti­gen Nachruf unbeachtet lassend. Sie kehrte nicht wieder.

Noch an demselben Abend verließ der Graf Mün­chen. Wenige Meilen von Nürnberg warf der Wagen um die Achse war gebrochen. Der Postillon spannte fluchend und wetternd einen Gaul aus und sprengte nach der nächsten Ortschaft, um Beistand zu holen. ES war Nacht, und der Regen goß in Strömen her­nieder. Erst nach Stundenfrist kamen die Bauern herbeigeschlendcrt, und dann dauerte es wieder eine geraume Weile, bis nach gemächlich.breitem Diskurs, nach dem Austausch der verschiedenen Meinungen und Aufzählung aller seit Großvaters Zeiten zerbrochenen Achsen und Räder, der Schaden nothdürftig wieder hergestellt worden war, und der Graf die Reise wieder fortsezen konnte. Mitternacht war längst vorüber, als er in Nürnberg anlangte. Eine Ewigkeit verging, eh' die Hausglocke den verschlafenen Knecht ermuntert hatte, eh' der durchnäßte, frostschauernde Gast eine Unzahl von Treppen und Stiegen hinauf hölzerne Kor­ridore entlang geleitet worden war, eh' das Lager für ihn in Bereitschaft stand. Er fühlte sich recht ernst­lich unwohl. Die ungewohnten Anstrengungen der Reise, die geistige Aufregung der leztern Zeit hatten sein Nervensystem gewaltig erschüttert, die nächtliche Erkältung die Zerrüttung vollendet. Der am folgenden Morgen herbeigerufene Arzt wirbelte einen fünf Mi­nuten langen Triller auf der goldenen Spanioldose,

i und eröffneke dann freundlich schmunzelnd, wie ein ganz charmantes Nervcnfieberchen im Anzuge sep. Er hatte sich nicht geirrt. Schon nach einigen Tagen wa­ren der erschlafften Hand des Kranken die lenkenden Zügel der Vernunft entglitten, und die Phantasie stürmte, dem toll gewordenen Roß vergleichbar, un- gebänvigl durch die glühenden Steppen des Irrwahns einher; sieberschwüle Wochen vergingen, eh' sie von der rasenden Jagd ermattete, eh' der dämonische Spuck der Träume den Kreis öffnete und das bewußtlose Opfer wieder frei gab.

Die Strahlen der Frühfonne blizten durch die Kattunblumen der dicht zusammengezogenen Vorhänge auf den Erwachenden. Er riß die Gardine zurück und erblickte sich staunend in einem niedrigen, ihm fremden Bodenstübchen. Dem altfränkischen Geräth sah man es an, daß es schon seit langer Zeit aus den Puzstu- ben verwiesen worden, und sich weiter und weiter in die entlegenen Kammern habe flüchten müssen. Die bleigefaßten Scheiben der niedrigen Fenster schillerten in allen Farben des Regenbogens. Am Fuß des Bet­tes nickte ein verschlafener Mensch in liederlichem Nacht­kostüm. Rodrich strich sich verwirrt die Haare aus der feuchten Stirn; er strebte vergeblich, sich über die Vergangenheit und Gegenwart Rechenschaft abzulegen. Der gegenüberhängende Spiegel zeigte ihm ein bleiches, verstörtes Gesicht, tief in den Höhlen liegende Augen. Der erschrockene Blick fiel auf die Hände sie waren fahl und abgemagert. Ucber dem Bette hing seine Uhr: Minuten- und Stundenweiser waren längst ab­gelaufen, der Datumzeiger gleichfalls. Er riß an der Schelle der Krankenwärter taumelte schlaftrunken aus und rieb sich gähnend die Augen.

»Um des Himmels Willen,» rief Amberg, »sagt mir, Mensch, wo ich bin und wie ich hierher gekom­men, und wer sepd Ihr?»

»Wo Sie sind, Herr Rodrich,» erwiderte faul und schleppend der Kerl, »nun ich denke, das kann Ihnen ziemlich gleichgültig seyn, wenn Sie nur gut aufgehoben sind; und für die Paar lumpigen Gulden sind Sie's noch viel zu gut. 'S wird aber wieder einmal Zeit seyn einzunehmen." Damit rüttelte er die braune Flasche um und reichte dem Grasen den vollen Eßlöffel.

Rodrich drängte ihm die Hand ab. »Was soll dieser impertinente Ton heißen!» rief er gereizt. »Ich will wissen, wo ich mich befinde und was Ihr hier zu schaffen habt! Noch einmal, wer sepd Ihr, Mensch?»

»Der Wärter,» erwiderte dieser phlegmatisch, »und dem muß Ordre parirt werden, Herr. Also hurtig die Medizin geschluckt und keine Flausen gemacht, Herr Rodrich.»

Amberg fügte sich fast willenlos der rauhen Mah­nung: er glaubte zu träumen. »Nur das eine sagt mir, wcßhalb ruft Ihr mich beim Vornamen, woher kennt Ihr mich?»

»Ach was Vor- und Hinternamen,« knurrte der Grobian. »Die Kellnerin hat gesagt, Sie heißen Rod­rich, und damit holla; und wenn die den Herrn nicht bei Namen genannt, so lag' er schon längst im Se- baldus-Spittel und unser einer hätte nicht die Schee- rerei gehabt.»