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er, wie überall, wo er sich für etwas intereffirte, das Ding ganz gut und ließ sich durchaus kein X für ein U machen. Er hatte seine Lieblingsstücke, die ihn, so oft er sie hörte, elektrisi'rten, und er gab dann sein großes Wohlgefallen daran auf seine Weise zu erken­nen, indem er sich den Schnurrbart strich, die Müze schief ruckte, keck um sich schaute, und, wo er rauchen durfte, den Rauch stärker ausblies als in der Regel.

Wer seine Lieblingsstücke komponirt hatte, wußte er gewiß nicht zu sagen, es waren nicht wenige von Mozart darunter, besonders aus dessen »Zauberflöte.«

Nun, entweder zu Paris oder zu Aachen war's wo bei einer großen Fete, bei der alle hohen Alliirten zugegen waren, die Signora Catalani sich hören ließ.

Signora Angelika war damals gerade eine eben so schöne Frau, als sie eine große Sängerin war; kein Wunder, daß sie ihre Bewunderer unter den höchsten und allerhöchsten Häuptern zählte. Der ga­lante, für Frauenschönheit so empfängliche Kaiser Ale­xander stand zur Zeit an der Spize der Catalani-En- thusiasten. Aber Signora Angelika war ein capriciöses Weib, und nicht der schöne männlich blühende Alexan­der, sondern unser alter Marschall Vorwärts war ihr erklärter Liebling, dem sie eine so zarte Aufmerk­samkeit wie keinem andern Manne bewies. Die Ca- talani sang ihre 5 bis 6 Piecen, welche sie noch 13 Jahre später in dem kleinen Flensburg an der äußer­sten Spize Nordholsteins hören ließ, bevor sie sich zur Ruhe sezte, und daß sie großen Beifall von der glän­zenden Versammlung erhielt, versteht sich natürlich von selbst. Nebst ihrem großen6oä savo tlw leinx" (von welchem sie beiläufig überzeugt war, daß es nur von Händel komponirt seyn könne) sang sie auch be­sonders gerne Variationen über Papageno's »Klinge Glöckchen, klinge!» und Marschall Vorwärts war ent­zückt über den Vortrag dieser ihm so lieben Melodie. Er sagte ihr das und forderte sie auf, noch wasvom Papageno« zu singen.

Die Catalani gerieth darüber natürlich in nicht geringe Verlegenheit und sah sich endlich genöthigt, dem alten Helden zu gestehen, daß sie vom »Papageno« Nichts mehr einstudirt habe.

»Ich kann es Ihnen lehren, versczte Blücher, »ich kann Alles singen!«

»Was?« rief Alexander, der dies gehört hatte, «was, Blücher kann singen? da muß er uns etwas zum Besten geben.«

»Na, warum denn nicht!« versezte Blücher, stellte sich in Positur und begann mit seiner knurrigen Stimme jämmerlich falsch denn für's Selbstsingen hatte er kein Ohr aber doch erkennbar:

»Der Vogelfänger bin ick ja,

Stets lustig, hciffa, hopsasa!»

Man hat mir erzählt, daß der gute, selige Kaiser Franz dem Gesänge des alten Vorwärts mit sichtlicher Rührung gelauscht habe, der ernste König von Preu­ßen lachte still vor sich hin, Alexander aber lachte herzlich und gab das Zeichen zum Applaus, der dann auch in reichlichem Maße erfolgte, und Marschall Vorwärts, ermuntert durch diesen Beifall, gab noch

»Ein Mädgen oder Weibcken Wünscht Papajeno sich!»

so wie:

»Vivat Bachus, Bachus lebe!

Bachus is een braver Mann!» und endlich gar:

»Jung'n Kochsalat jungen Kochsalat Und jrüne Petersillje,

Un jrüne Petersillje,

Mit harte Eier drin!» zum Besten.

Diese lezte Nummer soll förmlichen Lindjubel er­regt haben.', wenigstens sagte mir die Catalani lachend selber: »Mit dem alten Blücher konnte ich's nicht auf­nehmen ! Er hat mich richtig damals geschlagen und wurde mehr applaudirt, als ich.«

(Schluß folgt.)

Folgendes Nachtbild wird aus London, 19. Juni gemeldet: Gestern Abend wurde über der Leiche von Jonathan Nicholls, alt 51 Jahre, Todtenschau gehalten. Der Verstorbene, dessen Körper einem Skelett glich, war Schullehrer gewesen und ernährte sich in seinen lezten Tagen dadurch, daß er den Krämern die im Schaufenster ausgehängten Zettel schrieb. Dies Ge­werbe brachte ihm aber nicht mehr als einige Pence die Woche. Da seine Frau an Lähmung litt, unter- stüzte ihn das Kirchspiel mit Einem Laib Brod wö­chentlich l Ein ganzes Jahr fristete Nicholls auf diese Weise sein Leben und tröstete sich mit der Hoffnung auf ein kleines Vermögen, das ihm zukam und im Prozeß war. Diese Aussicht hielt ihn bis vergangenes Sonntag aufrecht. Montag früh fand ihn seine Frau todt im Bette, und am Dienstag wurde er Beflzer von 120 Pf. St. (1440 fl.) baar und eines Einkom­mens von 60 Pf. St. (720 fl.) jährlich. Der Spruch der Todtcnschaugeschwornen lautete: Gestorben vor Hunger und Lungenschwäche.

Vor Kurzem starb in Luxemburg in einem hohen Alter ein Fräulein v. Marschall, in deren Nachlaß sich ein uneröffnetes, mit 5 kaiserlichen Siegeln bedecktes Schreiben an Ludwig XVI. vorfand, welches demselben übergeben werden sollte, falls er auf seiner Flucht die luxemburgische Grenze glücklich erreichen würde. Der Vater des Fräuleins war östrcichischer Generalsteuer­empfänger dort. Ein Korrespondent der »Deutschen Volkshalle» folgert daraus, daß das Schreiben wahr­scheinlich eine Geldanweisung für den flüchtigen König enthalte. Die Gerichte in Luxemburg haben entschie­den, daß der Brief keinem Andern als dem Grafen v. Chambord, als rechtmäßigem Erben Ludwigs XVI. übergeben werden dürfe.

Im steten Schmerze wird die Seele selten alt:

Bon harter Kraft zergeht die schönste Perle bald.

Wann hat ein Pferd so viel Beine als Tage im Jahr? 'rvnuvJ uspsia mzx

Wann zeigt sich der Mensch muthig und kraftvoll? 'uougpx usa )nv orvvH as zog vq )knä sugvx s;q as uuogx

Welcher Baum hat zuweilen gute Wurzel und den­noch schlechte Früchte? 'mnvgmmviA »T

Redaktion, Druck und Verlag der M eeh'schen Buchdruckerei in Neuenbürg.