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Miszellen.

Der Schiffsjunge.

(Fortsezung.)

Peterchen erhielt, als er auf dem stattlichen Kauf- fahrcr anlangte, sofort im Zwischendeck seine Hänge­matte angewiesen, darunter stand sein Koffer, mit Al­lem, was er zur Ausrüstung für eine lange Seereise bedurfte, reichlich versehen, und der Bootsmann las ihm eine lange Liste vor von Allem, was im Koffer enthalten und ermahnte ihn, alles wohl zu erhalten; den Schlüssel zum Koffer bekam Peterchen vorerst noch nicht und das war gut, denn der Junge würre in sei­ner Bosheit gewiß Alles über Bord geworfen haben.

Eine weichmüthige Mutter wird der Meinung seyn, es sep die größte Grausamkeit gewesen, ein eilf- jähriges Kind so plö'zlich unter wildfremde Menschen, unter rohe Matrosen hinauszustoßen, es den Launen und grausamen Handlungen dieser Menschen zu über­geben, und sie werden sich dabei an die schrecklichen Geschichten in den Seeromanen von Cooper und Capi- tain Marryat erinnern; diese Mütter mögen aber be­denken, daß der Held unserer Geschichte weder auf einem französischen, noch auf einem englischen Flotten­schiffe diente, sondern auf einem deutschen Kauffahrer, wo dergleichen Grausamkeiten nie vorkamen noch Vor­kommen! daß das "Endchen» mitunter in Anwendung kommt, ist wohl wahr: allein was will das sagen ge­gen die empörenden Mißhandlungen, welchen die un­glücklichen Lehrbuben der Handwerker an vielen Orten ausgesezt sind, so daß oft das Theuerste, Gesundheit und Leben der Lehrlinge gefährdet ist s Auf einem or­dentlichen Schiffe wird keine Strafe nach Laune und roher Willkühr ausgetheilt, die Strafe fällt oft derb aus, selten hart und grausam auf deutschem Schiffe nie- Peter Schaade hatte in Hamburg von seinen Lehrern ohne Zweifel doppelt so viele Prügel erhalten, als er im schlimmsten Falle auf dem Kauffahrer hätte erhalten können; diese Prügel hatten aber den Jungen nur verstockt und tückisch gemacht, denn seine Lehrer hatten ihn meist im Zorn geprügelt und Peterchen wußte schon recht gut, ehe er das Schiff betrat, wie viele Prügel der Rücken eines hoffnungsvollen Tauge­nichtses zu ertragen vermag, ohne daß sie dem Inha­ber des Rückens etwas nüzen oder schaden. Das wußte aber auch der wackere Schiffskapitain, Peters jeziger Mentor, und er beschloß, wo möglich unfern Helden auf eine ganz andere Art, als durch Prügel zu ziehen. Aus diesem Grunde hatte er dem Quartiermeister so wie sämmtlichen Matrosen streng untersagt, den Jun­gen vorerst zu schlagen, er möge versuchen, zu thun, was er wolle; sie aber angewiesen, alle Versuche des Rangen, Ungebührliches vorzunehmen, zu vereiteln. Dazu fand sich denn nun Gelegenheit vollauf.

Peterchen saß eine gute Weile auf seinem Koffer unter seiner Hängematte tückisch und trozig da, und pfauchte, wenn Einer ihn anredete, wie ein gefangener Hamster. - Ihm gegenüber saß ein junger Matrose, der zu seinem Wächter ernannt war, gleichmüthig ein Primchcn kauend, aber alle Bewegungen des Jungen

mit Falkenblicken verfolgend. Nach einer guten Weile ward unserm jungen Herrn die Zeit lang, und um sie sich zu verkürzen, zog er ein Taschenmesser her­vor und machte Anstalt, damit allerlei künstliche Figu­ren in die Naumplanken zu schneiden,,wie er solches zu Hause an allen Thüren und Möbeln genugsam geübt hatte.

»Du darfst nicht in die Planken schneiden i» sprach der junge Matrose ruhig und freundlich; der liebe Kleine schnitt dem Wächter ein schiefes Maul und stieß sein Taschenmesser in die Raumwand. Der junge Matrose erhob sich und hatte im Nu das Taschenmesser erwischt und als gute Priese erklärend in seine Tasche geschoben, aber auch fast im selben Moment von Pe- terchens zarten Händchen zwei schreckliche Ohrfeigen erhalten, so daß ipm, wie man zu sagen pflegt, die Funken aus den Augen sprangen.

»Du bist ein verdammt hiziger Junge,» sprach der junge Matrose, »doch dafür wissen wir Rath!» und mit kräftiger Faust packte er den Kleinen beim Kragen, trug ihn auf's Deck und berichtete an den Meister Steward, wie sich der Kleine gegen ihn be­nommen und ehe Peterchen ffch's versah, hatte er einen Eimer frisches Elbwaffer über den Kopf, welches ihn allerdings gewaltig abkühlte, aber damit war'S noch nicht aus; man führte ihn an eine Schiffspumpe und hieß ihn, unter Androhung, die Elbtaufe zu wie­derholen, wenn er nicht hübsch folge, pumpen. An einer Schiffspumpe arbeiten, ist eine ganz gesunde, aber beschwerliche Arbeit und Peterchen hatte schon nach den ersten vier Zügen alle Lust dazu verloren, aber der zum Ueberschweppen volle Waffereimer, wel­chen ein neben ihm stehender Matrose bereit hielt, flößte ihm so viel Res pckt ein, daß er pumpte und pumpte, bis er wirklich völlig zusammenbrach, ohne jedoch nur eine Thräne zu vergießen. Alsbald nahm ihn sein Aufseher wieder beim Kragen, trug ihn unter das Deck zurück, wo er trockene Kleider anlegen mußte, und sodann die Erlaubniß erhielt, sich in seine Hänge­matte legen zu dürfen, was er denn auch that und alsbald tüchtig schnarchte.

Als der Knabe nach einem ziemlich langen Schlaf erwachte, verspürte er einen wahren Wolfshunger; er hatte ober die gewöhnliche Essenszeit verfehlt und mußte wohl oder übel um Speise bitten. Er erhielt Thee und trockenen Schiffszwieback, womit er daheim auf keine Weise zufrieden gewesen wäre, doch auf dem Schiffe ließ er sich ihn trefflich munden, und da ihm sein Aufseher sagte, wenn er die Mittagsstunde nicht verschliefe, würde er so gut, wie die übrigen Matro­sen, Erbsen, Speck, Kartoffeln und Pöckelfleisch, Klöße und Pflaumen erhalten, so nahm sich Peterchen gewal­tig in Acht, nichts mehr zu thun, was ihm einen Eimer Wasser über den Kopf und eine neue Pumpstrafe zu­ziehen könnte. Verstockt und inngrimmkg blieb er noch immer, aber daran kehrte sich Keiner auf dem Schiffe, denn alle wußten, was dem jungen Herrn ohne ihr Zuthun noch bevorstünde.

(Schluß folgt.)

Redaktion, Druck und Verlag der Me e h'schen Buchdruckerei in Neuenbürg.