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sind im Laufe des gestrigen Tages in und aus­serhalb Paris vorgenommen worden. Die Hauptführer der focialistischen Partei sind auf das strengste überwacht. Der Gedanke an ein gewaltsames Unternehmen scheint deshalb bei dieser Partei mehr und mehr aufgegeben zu werden.

Großbritannien.

Englische Blätter sind ordentlich stolz darauf, wie am 1. Mai in London Alles, was zum anständigen Eintritt eines Prinzen in diese Welt gehört, so rund und schön sich abgespielt hat. Der Erzbischof von London ließ die Glocken lauten, der Herzog vvn Welington die Kanonen lösen, 800 Personen von Rang hielten in der ersten Stunde die gebührende Nachfrage nach der hohen Wöchnerin und diese selbst hielt nach dem Bulletineine ausgezeichnete" Nacht. So­gar das rechnende Unterhaus, das an die Apa­nagen dachte, faßte sich schnell wieder und er­ließ eine Beglückwünschungsadresse, worin es fein der Königin seine steigendeBewunderung" und Anhänglichkeit aussprach. Man sieht doch, was die Uebuag thut.

Türkey.

In Konstantinopel sind drei deutsche Hand­werksbursche, die krank daselbst ankamen, auf der Straße elendiglich umgekommen, weil sich Niemand ihrer annahm. Die Türken giengen gleichgültig vorüber, weil es Christen, und die Christen hatten keine Barmherzigkeit, weil es deutsche Protestanten waren.

Amerika.

Die Fabriken zu Lowell im Staate Maffachusets in Nordamerika in soeial-gewsrblicher Beziehung.

(Schluß.)

Es gibt in Lowell 23 regelmäßig geleitete Kirchengemeinschasten: eine bischöfliche, vier or- ihodorvereinigte, eine unitarische, drei baptistische, drei universalistische, zwei bischöflich-methodistische, zwei Wesleyan-methodistische, zwei römisch-katho­lische, zwei Free-Will-baptistische, zwei altchrrst- liche und eine sogenannte freie Gemeinde. Diese Kirchengesellschaften haben 19 Kirchen errichtet und dafür 308,000 Dollar ausgegeben, und noch 2 andere waren 1848 angefangen. Sie werden durch 22 Geistliche geleitet, deren Gehalt, die Nebenverdienste nicht gerechnet, 21,000 Dollar (52,500 fl.) beträgt. Durch diese Gemeinden werden außerdem noch die Leh­rer für 6123 Sonntagsfchülcr gehalten, was beweist, daß der volle fünfte Teil der Bevöl­kerung sich an diesem Unterrichte betheiligt. Da die meisten der Gemeinden lediglich aus Arbeitern bestehen, worunter größtentheils solche aus den Fabriken, so ist die Höhe der auf Kir­chen und Schulen verwendeten Gehalte in der That bedeutend. Es sind öfters Geschenke von 400 Dollar an eine Kirche behufs der Miffions- zwecke gemacht worden, ja eine der Gemeinden

verwendete zwei Jahre hinter einander jedesmal 1000 Dollar zur Anschaffung einer Kirchenbib­liothek. Eine andere hat in wenig Jahren eine Bezirksbibliothek von vorzüglichen Büchern er­richtet und sie bereits zu einer Höhe von 2600 Bänden gebracht und gab auch noch 800 Dollar jährlich, um einen Missionsprediger zu erhalten. Ich hörte versichern, daß die verschiedenen Re­ligionsgenoffen, abgesehen von den Kosten ihres Gottesdienstes, zu milden Zwecken im vorigen Jahre über 10,000 Dollar verwendet haben.

Ich habe schon früher erwähnt, daß in Amerika im Vergleich mit unseren Zuständen ein bemerkenswerther Friede unter den verschie­denen religiösen Sekten herrscht.

Die beste Seite der in Lowell bestehenden Neligionsgesellschaften ist ihr Bestreben, jene höhere Art des Mitleidens mrt den Armen zu bethätigen, welche der Apostel als die schönste Pflicht des Besizenden bezeichnet. Nicht oft wird man einen Ort treffen, wo man so wenig Un­duldsamkeit , Scheinheiligkeit findet, wie hier, und wo es so selten verkommt, daß man sich im religiösen Eifer eine kleine Verfolgung und Mißachtung zu Schulden kommen läßt. Die Geistlichen kommen oft zusammen, um gemein­schaftlich zu berathen und zu handeln, wenn es einem sittlichen Ziele gilt, und dieses Einver­nehmen bringt unter den der Form nach ver­schieden Glaubenden gemeinsam edlere Gefühle hervor. Das Fabrikmädchen findet, wenn sie nach Lowell kommt, eine Kirche, in welcher der Glaube gelehrt wird, in welchem sie erzogen ist; die Mädchen besuchen die Sonntagsschule, wer­den vertraut mit ihren Geistlichen und erinnern sich mit Dank an die Stadt, in welcher der Keim einer edleren Lebensanschauung in ihr Herz gelegt wurde.

Die Spinnereien und Webereien geben nicht mehr Nuzen, als sich durch gewöhnliches Ausleihen auf Zinsen erreichen läßt; allein diese Rente betrachtet man auch als sicher, und aus diesem Grunde werden überall, wo man Wasser­kräfte findet, neue Fabriken angelegt. Theila rechnen die Kapitalisten auf höhern Schuz, theilS auf die Einwirkung der 10 Stunden Bill (eng­lisches Gesez, blos 10 Stunden arbeiten zu dürfen), indem sie der Meinung sind, daß ihre amerikanischen Mädchen, die 12 Stunden ar­beiten, nicht verlangen werden, dies auch nur 12 Stunden zu thun, weil sie sonst 6 Jahre bleiben müßten, um ihre Aussteuer zu ersparen, was jezt in 5 ohne Aufopferung geschieht.

(Gewerbl. a. Württemb.)

* ES ist auf diese Schilderung um so mehr Werth zu legen, als Amerika nur zu häufig als das Land unbegränzter Freiheit angesehen, und bei uns der Hauptwerth des Menschen, die Sittlichkeit, beson­ders bei der Klasse der Fabrikarbeiter vielzuwenig be­achtet wird. Auch für dieinnere Mission" dürfte diese Mitthcilung interessante Winke enthalten.

Redaktion, Druck und Verlag der Mee h'schen Buchdruckerei in Neuenbürg.