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fern findet. Wie in allen jungen Freistaaten ist Politik der Gegenstand aller Unterhaltungen. Die freie, aber sehr zügellose Presse, für deren Verirrungen die Regierung, die erste in Süd­amerika eine eigene Jury niedersezte, unter- stüzt diese Neigung. Von eigentlicher wissen­schaftlicher Bildung kann unter solchen Umstän­den weniger die Rede seyn. Sie floh vor dem politischen und merkantilischen Geräusch in die «üdprovinzen, die fast allein die Vertreter der Gelehrsamkeit senden.

Für wissenschaftliche Anstalten wird sehr viel gethan. Die Schulen blühen auf, wenn auch leider noch immer nach dem altklassischen, jesuitischen Muster der europäischen Erziehung. Der Klerus hat aber ebensowenig Einfluß auf sie als auf die Gewissen. Der spanische Fa­natismus ist längst vertrieben oder doch auf wenige Klöster und Hospitäler confinirt. Die Weltgeistlichen sind aufgeklärt und entschiedene Anhänger des neuesten röKime, der Aufklärung und Freiheit. In keinem Lande kann man die Kirchen einfacher und schmuckloser sehen, als in Chile. Es scheint, als verabscheue die Natur selber den Dienst des Aberglaubens, ihr Groll stürzt seine Tempel, sie leibet keine Pracht. Die Kirchen Chile's stehen schmucklos da als Trümmer; an ihren Altären fehlen die Diener, auf ihren Bänken das gläubige Volk. Wie die Regierung über die kirchlichen Angelegen­heiten schon im Jahr 1826, also vor der lezten Constitution dachte, geht aus der berühmten Botschaft des Oberdirektors Roman Frcyre her­vor.Zunächst," sagt dieser freisinnige Mann, beschäftigten mich die kirchlichen Korporationen. Der Verfall derselben, die gänzliche Vernach­lässigung der Absicht ihrer Stifter, der guten Sitten, der Frömmigkeit und des Anstandes, zwangen mich, sie zweckmäßiger umzugestalten, ohne die großen Besizthümer zu veräußern, welche Bigotterie und falscher Eifer für die Seelenseligkeit zum unermeßlichen Schaden des Erwerbfleißes, der nur bei weiser Vertheilung der liegenden und fahrenden Habe gedeihen kann, ihnen zugehäuft halten. Die Verwandlung der Kirchengüter in National-Eigenthum ist der Grund, daß Frankreich jezt blühend, mächtig

und angesehen ist-Auch Chile muß einen

Theil dieses noch nicht wesentlich geschmälerten Fonds seiner künftigen Wohlfahrt widmen und sich durch die Veräußerung eines Theils der Kirchenguter die Tilgung der Staatsschuld er­leichtern. Seitdem sind die Kirchengüter fast sämmtlich National-Eigenthum, die Geistlichen werden vom Staat besoldet und ihre Besol­dungen sind stark beschnitten. Der Bischof von San Jago erhielt statt 40,000 nur 7000 Piaster. Auf die Missionen, deren Molina im Süden 12 zählte, wovon jezt nur noch 6 dürftig ere- stiren, wird wenig mehr verwendet. Man er­wartet die Ueberwindung der Indier nicht mehr vom religiösen Fanatismus. (Forts, folgt.)

Miszellen.

Ueber die Entstehung und Bedeutung des Wortes Camarilla entnehmen wir dem Staatslerikon für das Volk von Rob. Blum (1847) Folgendes: »Camarilla" ist ein spanisches Wort, das zu deutsch Kämmerchen heißt. Man bezeichnet damit die Höflings- und Grinst- lingspartei, welche kdie Person Ferdinand's VH. von Spanien umgab und in einem kleinen Gemach oder Kabinet neben den königlichen Sälen die Regierungs­sachen geheim mit ihm zu verhandeln Pflegte. Sie war es, die ihn zur Verfolgung aller rechtschaffenen Frei­heitsfreunde, zu Treubruch, zu Grausamkeiten und Ver­brechen trieb. Seit dieser Zeit nennt man jeden engern volksfeindlich gesinnten Höflingskreis, der sich einen be­deutenden Einfluß auf die Staatsverwaltung zu ver­schaffen gewußt hat und hinter der eigentlichen Regie­rung (den Ministern) wieder eine geheime Regierung bildet, eine Camarilla. Ein Staat ist allemal zu bedauern, dessen Fürst in die Hände einer Camarilla fällt, die meist aus Mätressen, Beichtvätern, hoch- adligen Jntriguanten und ihren Creaturen besteht. Diese Menschen, die, unbekümmert um das Wohl oder Wehe des Landes, nur ihren eigenen Vortheil anstreben, suchen die Schwächen des Fürsten zu erlauschen und seine Leidenschaften anzufachen, um ihn mit Hülfe der­selben und durch Kabale desto sicherer am Gängel­bande führen zu können. Sie wissen ihm ihre Ge­danken und Wünsche geschickt unterzuschieben, und wäh­rend der Fürst nach seinem eigenen Kopf zu handeln glaubt, vollführt er nur den Willen der Camarilla. Vergebens sind dann die Mahnungen aller wahren Freunde des Throns, vergebens die Vorstellungen der Volksvertreter, vergebens der Ruf der Presse. Der Fürst sieht die Dinge nur durch die Brille seiner Cama­rilla, versteckt sich gegen die Stimme der Ehre, wie gegen den Nothschrei seines Landes, thut Schritte, die ihn bei seinem Volke verhaßt und lächerlich machen müssen, und büßt nicht selten, wie die Geschichte in vielfachen Beispielen lehrt, mit seinem Sturze die un­selige Verblendung weniger Jahre.

Verinuthliche Witterung im Juni 1849.

Anfangs hell, zunehmend warm und heiß bis

4., zu Gewitcr und Regen geneigt, Trübung und ab­nehmende Wärme bis 8., heiter und wärmer gegen 12. gern Regen am 13., 14. warm bis heiß am 15., daraus Gewitter und Abkühlung vom 16. bis 19., hei­ter, warm bis heiß vom 20. bis 23., etwas Regen

24., 25, heiß am 26., 27., Gewitter, regnerisch und windig mit Abkühlung bis 30.

Im Allgemeinen abwechselnd, ziemliche Regen­menge, doch nicht anhaltend regnerisch, mehrmals Ge­witter mitj baldfolgender Heiterkeit, Barometer und Thermometer normal, weniger heiße Tage als ge­wöhnlich, kaum sehr heiße, West-Süd-Winde etwas vorherrschend.

(Prof. Steffels Zeus.) (Mit einer Beilage.)

Redaktion, Druck und Verlag der Meeh'schen Buchdruckerei in Neuenbürg.