290

Dienste an. Der Irländer mußte zum zweitenmal vor dem Magistrat erscheinen; dort wurden ihm seine frühe­ren Antworten vorgelesen und man suchte einige Mit- theilungen über den dermaligcn Aufenthaltsort des Kna­ben aus ihm herauszubringen; aber auf alle Fragen beobachtete er ein hartnäckiges Schweigen.

Der kleine Cesi wollte den Angeklagten nicht wieder erkennen. Dieser jedoch, immer mehr in's Gedränge kommend und wahrscheinlich in der Hoffnung, die Haupt- anklage von sich abwälzcn zu können, wenn er gestehe, was er nicht länger zu leugnen vermochte, gab endlich zu, daß er den Brief wirklich geschrieben, fügte aber bei, daß er es nur gethan habe, um von dem Vater Geld zu erpresse». Während der Protokollführer dieses Gcständniß niedcrschrieb, wendete er sich gegen Clarke und lagte mit einem spöttischen Hohnlächeln halblaut zu ihm:

Ihr habt mir einen bösen Streich gespielt, aber ich weiß Euch doch noch unglücklicher zu machen, als ich cs bin;" und bezcichnete ihm zugleich Ort und Stelle, wo er die Kleider finden könne, die sein Sohn getragen.

Von einem Konstabler begleitet, begab sich der Va­ter an den bezeichneten Ort, fand dort in rer That die Kleider seines Kindes und kehrte damit nach Natchez zurück. Der Angeklagte wurde auf's Neue vor die Schran­ken geführt und gestand nach einer Menge von Aus­flüchten und widersprechenden Angaben, daß das Kind noch lebe, daß eS aber Hungers sterben müsse, wenn man ihn länger im Gefängniß sizen lasse. Mehr anzu- gebcn weigerte er ssch hartnäckig.

Die Zeit des Affisscngerichts war gekommen. Eine ungeheuere Menschenmenge, durch das Interesse und die Eigentümlichkeit dieses Criminalfallcs angezogen, war von allen Seiten herzugeströmt. Alle Mittel wurden an- gcwendct, um den Angeklagten zu vollständigeren Ge­ständnissen zu vermögen; man ging so weit, ihm die Freiheit zu versprechen, ja ihm eine Belohnung zuzu- sichcrn; er bcharrte auf seinein Schweigen. Schncre Verdachtsgründe, überwältigende Judicien schienen mo­ralisch keinen Zweifel mehr aufkominen zu lassen über seine thätige Mitwirkung bei dem Raub des Knaben; aber cs fehlten positive Beweise wie sic das amerikanische Gesetz fordert Viele und bedeutende Rechtsgelehrtc spra­chen die Ansicht aus, daß dieser Mann, von äußerster Noth getrieben und in der Verzweiflung, den Brief wirklich nur zu dem Zweck geschrieben haben könne, Geld zu erpressen. Der Angeklagte hatte das Gesetz für sich und wurde nur als Schreiber des Brieses und als Landstreicher zu mehreren Monaten Gefängniß verurtheilt.

(Schluß folgt.)

Wie vor Alters der Hexenglaube entstand und genährt wurde.

Schon vor Alters ist cs üblich gewesen, in den wichtigsten Rechtssachen, besonders in schweren Krimi­nalfällen, das Gutachten der JuristcnFakultät irgend einer Universität einzuholen, weil man einmal der Mei­nung war, am Sitze der Weltweisheit und der Rcchts- gelehrsamkeit bekomme man sein Recht in lauterer, un­

verfälschter Waare, gleichsam aus erster Hand- Aber wie der Wein nicht immer da am besten getrunken wird, wo er wächst, so mag es oft auch mit diesen an der Quelle gefaßten, rechtlichen Gutachten gegangen scpn; zum Beweise hiefür mag Folgendes dienen. Bei den Akten eines Hexcnprozesses, gegen eine Frau von Sin- delfingen, bei Böblingen, geführt, liegt ein in aller Form unter dem 12. Oktober 1616 ausgestelltes, vom Dekanus und den Professoren der JuristcnFakultät ge­meiner Hochschule zu Tübingen" untcrzcichnetcs Rechts- Gutachten, wvrnach des Zachar Heininger Hafners Weid in Sindelfingen, Katharina, der Hexerei allerdings und schwer verdächtig sei; dennoch soll mit ihrer Justi- fikation (d. h. mit ihrer Verbrennung) noch inne ge­halten und die Beklagte erst an einem Strick auf den Richtplatz geführt und daselbst vom Nachrichierscharf befragt", d. h. zu deutsch gefoltert werden. Hieraus würde sich erst ergeben, was weiteres, rechtlicher Ord­nung gemäß, zu thun sei. Aus den Akten gehl hervor, daß genannte Heininger den ersten Grad der Folter überstand und hartnäckig läugnete, ein krankes Kind, bei welchem sic wachte, durch Hexerei gctödtet zu haben- Ja sie bestand darauf, daß sic bei seinem Verscheiden ein christliches Vaterunser für dessen Seelenruhe gebetet habe; als aber noch schärfer befraget und mit dem zwei­ten Grad der Folter vorgcfahren wurde, da bekannte sic sich als diejenige, die das kleine Kind verhext und um das Leben gebracht hätte-

Das Sindelfinger Gericht hätte auf bloßen Verdacht hin die Unglückliche zu Staub und Asche verbrannt. Wie viel beruhigter konnte sie nun sterben, nachdem sie durch freies Bekenntniß ihr Herz erleichtert hatte! Und welcher Trost für ihre Angehörigen und für die Be­wohner der guten Sladt Sindelfingen, die Ueberzeu- gung zu haben, daß die Hingerichtete doch nicht unschul­dig den schrecklichen Feuertod erlitte» habe!!! In der That, so dachte man damals: müssen wir nicht Gott danken, daß unsere peinlichen Gerichte anders geworden sind? Jetzt wird Niemand mehr zur Hexe gefoltert, und so hat auch der Glaube daran aufgehört. Mit vie­len andern Dingen dürfte es ähnlich scpn.

Warum macht ein Mensch, der das Lockere liebt, keine Verse? Weil er kein Freund vom Dichten ist. Welche Geschöpfe müssen sich die ungerechtesten Vorwürfe gefallen lassen? Die Thiere, denn täglich wird ihnen ihr Futter vorgeworfen. Warum ist Derjenige, welcher viele Gelübde in seinem Leben gethan hat, nicht zum Tadeln geneigt gewesen? Eben, weil er Vieles gelobt har. Waram fehlt es den Portiers meist an guter Unterhaltung? Weil sie immer vor Thoren stehen.

Große Kinder. Die türkischen Schulmeister werden von den Gerichten nicht zu Zeugen in Streitsachen zu­gelassen, weil sie der gesetzlichen Annahme nach, durch den fortwährenden Umgang mit, den Kleinen selbst zu Kindern werden.

Redigirt. gedruckt unde vrlegt von C. Me eh in Neuenbürg.