327

MM

Neuenbürg.

Neues braunes Bier ist M 8 von heute an zu haben beim M

Miszellen.

Die trockene Hand.

(Schluß.)

Der Sohn hielt den lezten Willen seines Vaters hei­lig, und seine Mutter segnete chn, so ost sic mit einem Andern von ihm sprach. Als aber die Zeit gekommen war, daß er seine Schwester in einen Dienst thun und sich eine andere G-Hilsin unter den Töchtern des Städt- leins suchen wollte, waren die Bretter zu seinem Sarge schon geschnitten, der Immergrün zu seinem Kranze schon gewachsen und der Faden zu seinem Ehrenhemde schon gesponnen. Das Athemholen wurde ihm schwer und immer schwerer, und ob er gleich das Fenstcrlein neben sich weit aufmachte, und der Lenz über die Lin­den auf der Burg seine beste Luft zufließen ließ, war es ihm doch bei Tag und bei Nacht, als wollte ihn wer mit einem Kiffen ersticken. Und im Schlafe war es ihm zuweilen, als träte ihm der Engel des jungen To­bias zu Häupten und winkte ihm.

Darum prüfte er, wie zum Scherz, die Hände seiner Schwester, und als er fand, daß sic trocken wären wie der Sammet an einem Altartuch, ließ er sie etliche Stunden des Tags auf seinen Stuhl sizcn und lehrte sie, anscheinend zum Zeitvertreib, was die vierzehnte Hand an der Vollendung einer Nähnadel zu thun hat. Fehlte aber etwas an dem Rade, das die Mutter trieb, oder an dem langen Riemen, oder an den Steinen und an der Spindel, so brachte er es selbst wieder in Ord­nung.

Und als eines Tages seine Schwester zu ihm sprach: flehe, meine Nadeln sind so schön wie die deinigen," und auch der Fabrikherr keinen Unterschied fand, wen­dete er sich ganz und gar der Ewigkeit zu, und seine Seele zog am fünften Sonntag nach Trinitatis zugleich mit dem Frühling aus der alten Beste, nachdem es ihm die zwei Tage vorher noch so leicht gewesen war wie der Ringeltaube, wenn sie im Herbst nicht mehr aus dem Walde zu Feld fliegt, sondern sich hoch in die Lüfte erhebt, und, nachdem sie sich in dieser Höhe um­gesehen, geraden Weges hinfliegt, wo sie in den heimi­schen Steinklüsten des Morgenlandes wieder ihre Flie­ge! Zusammenlegen und ruhen kann.

Seine Mutter wollte vor Leid ihm nachstcrben, und seine Schwester, um sie zu trösten, sprach:dem Johann ist nun ewig wohl, und das tägliche Brod hat er uns zurückgelasscn.

Aber als sie sich am Morgen nach der Leiche auf sei­nen Stuhl sezte und anhub zu arbeiten, sprang bald der Riemen aus seinem Geleise, bald fing der Stein an ungleich zu gehen und ihr die Nadeln aus der Hand zu schlagen, bald sprang er mit der Spindel gar aus den Löchern, in denen er lüf, und fiel auf die Erde. Und wenn sie die Sache wieder richten und in Ordnung bringen wollte, machte sie das Ucbel nur ärger. Kurz, wer an diesem Tage die Mutter mit ihrer Tochter ge­sehen hätte, der würde sie mit zwei Kindern verglichen haben, die das Spinnrad ihrer großen Schwester in Unordnung gebracht haben und in ihres Herzens Angst den Schaden wieder heilen wollen, aber nur größer machen, bis die Schwester dazu kommt, und sie mit ein Paar Ohrfeigen davon jagt.

Denn der junge Nadler im Thurme hatte seiner Mar­garet wohl gezeigt, wie sie die Nadeln in ihre Hand legen und an den Stein halten und mit ihren Fingern hin und her bewegen solle. Aber wie das Triebrad mit untergelegtcm Filz zu stellen, wie der Riemen um dasselbe je nach der feuchten oder trockenen Witterung kürzer oder län­ger zu schnallen, wie die eiserne Spindel mit dem Steine zu richten sei, das hatte er ihr und seiner Mutter zu sagen vergessen. Darum wußten sie sich nun auch so wenig zu helfen, als der freundliche Leser, wenn die Uhr in seiner Tasche stehen bleibt und nicht weiter ge­hen will, ob er sie gleich schüttelt und ein Mal über das andere Mal an sein Ohr hält.

Am besten und kürzesten wäre cs nun wohl gewesen, wenn die geängsteten Leute im Thurm einen Mitmeister Hres verstorbenen Sohnes und Bruders hätten zu Hilfe rufen und demselben absehen können, wie sie cs machen müßten. Aber es waren nur noch zwei trockene Hände im Siädtlcin, welche sich mit dem Brauniren beschäf­tigten, und diese gehörten einem so brodneidischen und unbarmherzigen Manne an, daß sic gar nicht ver­suchten, ihn um Rath und That anzugeben, weil sie gewiß wußten, daß er nicht kommen, sondern ihr Leid­wesen nur mit harten Worten vergrößern würde.

Also suchten sie sich selber zu helfen, und nach jedem vergeblichen Versuch seufsien sie:wenn nur der selige Johann noch auf ein Biertelstündlein zu uns herunter dürfte!" oder riefen Gott um seinen gnädigen Beistand an. Aber es war, als hätte Er aufgchört, barmherzig und gnädig zu sepn. Die späte Sommernacht kam, ohne daß sie weiter waren als am frühen Morgen, und ihr Kummer war so groß, daß sie sich gar nicht ausgezogen, sondern in ihren Kleidern auf das Bett legten, auf dem der Bruder gestorben war.

Doch drückte ihnen der Kummer die Augen zu. Und eine Stunde oder etwas darauf trat ein Jüngling so schön, wie die guten Maler die Engel malen, an das Lager, und weckte seine Schwester, winkte sie an seinen Stuhl und zeigte ihr Alles, wie sie es machen müßte, drückte ihr noch ein Mal die Hand und verschwand wie­der vor ihren Augen.

Als Margaret mit dem anbrechenden Tag erwachte, meinte sie geträumt zu haben, und der erste Blick, den