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und indem er seine lezten Kräfte aufzubieten schien, begann er mit gebrochener Stimme zu sprechen, indem sie eine Math von Lhränen fast erstickte.
»Gottes Strafgericht bricht über mein Haupt herein! — Ich kann nicht, —ich kann ihm nimmer entgehen! Leyden! Sie haben schrecklich wahr gesprochen: Ich bin ein Räuber und Mörder! Meine Herren, ich übergebe mich durch Ihre Hände der Justiz! Unter fremdem Namen und Charakter warb ich um die Hand jenes Bauernmädchens, und erhielt sie zur Frau. Allein nach wenigen Tagen, als der erste Taumel verflogen war, bereute ich es, mich für Lebenszeit an ein Weib von geringer Herkunft und Erziehung gefesselt zu haben, ja, sie wurde mir um so lästiger, als ich hörte, Clara Hartmann sey die Erbin eines großen Vermögens, und ich sah von der Zeit mein Weib als das einzige Hinderniß an, das meinen Bewerbungen in dem Hause des Barons im Wege stand. So kam es, daß ich ihr Mörder ward! Durch manche Jniriguen brachte ich es dahin, daß mein früherer Nebenbuhler, den sie um mich verschmäht hatte, vor Verhör gezogen wurde, und so lenkte ich den Verdacht von mir auf jenen. Wäre ich nicht entflohen, und hätte dadurch nicht seine Unschuld deutlich bewiesen, morgen hätten Sic ihn gerichtet. Was meine Räubereien betrifft, so stehe ich seit lange einer kühnen Bande vor, mir in allem ergeben und die ich auch jezt noch nicht verrathe, obwohl sic mich verlachen und ausstoßen werden, wenn sie hören, wie thöricht ich in's Satans Neze gicng und nicht Macht genug hatte der heutigen Versuchung zu widerstehen, da mir doch ein schönerer Preis zu Kaufe gestanden wäre. Jedoch ich konnte nicht anders, es war mir bestimmt mit der Dose mein Verderben zu erbeuten. — Doch wozu die Klagen? für mich ist es zu spät! — Gemeine Verbrecher enden auf dem Pfahle, der Tod ist mir zu schändlich! und so lache ich des Verhängnisses, ich bin nicht unvorbereitet!"
Und ehe sich noch eine Hand regen konnte ihm zu wehren, hatte er eine kleine Phiole geleert, und kurz nachher zeigten sich die scheußlichen Folgendes Trankes an seinem Leichnam.
Als ihn die Agenten der Behörde, die sogleich berufen wurden, entkleideten, erkannte man an den bekannt gegebenen geheimen Zeichen den Schreckensbewvhner des Schwarzwaldes, den berüchtigten Sand.
Als Baron Hartmann sich von der ersten Aufregung der verwichenen Katastrophe erholt hatte, schauderte er erst vor dem Gedanken zurück, an die Gefahren, in die ihn seine Verblendung fast schon gestürzt hätten, wäre nicht Leyden's schüzender Genius um ihn ge
wesen in dem Augenblicke der entscheidenden Nothwend- igkcit. — Es war ein Sonntag Morgens, als ihn Clara in solcher Stimmung überraschte und mit lieblicher Besorgnis um sein Befinden fragte. Der Vater fühlte sich fast beschämt, mit der Tochter über das Vorgefallene reden zu müssen und er bat: »Sende mir doch nach dem Doktor, mein Kind, ich meine nach Leyden.
Freudig überrascht erwiderte Clara: „Eben wollte ich seine Ankunft melden und dich auf ihn vorbereitcn. Er scheute sich bis jezt vor dich zu treten, weil seine Bescheidenheit es nicht zuläßt, deinen Dank anzunehmen."
Und heiter lächelnd führte sie Leyden herein, dem der Baron freundlich entgegenkam.
„Willkommen, Herr Doktor," nahm er das Wort, „scheuen Sie nicht meinen Dank, denn ich kann Ihnen doch nie vergelten; aber ich kenne einen Ihrer leisen Wünsche und somit bitte ich Sie noch einmal, Herr Phrenolog, untersuchen Sie die Organe meines Kopfes, sehen Sie zu, ob Sic den Charakter der Nachgiebigkeit und Erkenntlichkeit darin entdecken? Sie haben ihr Diplom und — eines solchen Schwiegersohnes darf sich kein Fürst schämen!" und gerührt legteer Clara in seine Arme.
Den folgenden Tag sandte von Olscbach dem Doktor die verhängnisvolle Dose zum Andenken an jene merkwürdige Begebenheit mit der Devise:
pi'iee ok Plirenoinx^!
(Preis der Schädellehre.)
Logogripl).
Nimm zwei Zeichen! sie sind, was jedes Huhn einst
gewesen,
Seze ein Zeichen dazu, bist du nicht weit mehr davon.
Noch ein Zeichen, so ist's ein Metall und dienet zum
Morde,
Noch eins, wirst du es selbst, wenn dich das Vorige
trist.
Noch ein Zeichen, so denkst du dir blank wallende Tücher;
Ein's weg, lasse doch nie so mich der Himmel Dich sehn.
Noch eins weg, und zieht cs dich jezt zum grünenden
Walde,
Tilge noch zwei, und du siehst, wer dich begleitet mit
Lust.
Und wenn geschickt du verbindest und trennest und rufest
die Ersten
Freudig am Ende, so ists mir für mein Näthsel genug.
Auflösung des Näthsels in Nro. 76.
Die Sckreibfeder.
Redigirt gedruckt und verlegt von C. Meeh in Neuenbürg.