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Ein frevelhafter Streich wurde Herrn Kronenwirt Hanselmann in Ma rtin smoos ge­spielt. Er befand sich am Donnerstag in Bracken­heim, um seinen Weinbedarf einzukaufen. Da be­kam er plötzlich ein Telegramm von zu Hause, lautend: Die Krone in Martinsmoos ist abgebrannt!" Mit dem nächsten Zug, ohne seine Geschäfte abgewickelt zu haben, reiste H. in größter Besorgnis nach Hause, sein Haus war glücklicherweise nicht vom Brande ver­sengt, dagegen mußte er die ärgerliche Wahrnehmung machen, daß irgend ein boshafter Mensch mit ihm einen Schabernack getrieben hatte. Der Absender des Telegramms ist noch nicht ermittelt.

Herrenberg, 7. Nov. Gestern Nachmittag stürzte Herr Domänenpächter Ruoff von Sindlingen so unglücklich vrm Pferde, daß er an den Folgen des Sturzes nach kurzer Zeit gestorben ist.

Stuttgart, 6. Novbr. Nach heute aus Meran cingetroffener telegraphischer Nachricht ist da­selbst Stine Königliche Hoheit der Herzog Wilhelm Nikolaus von Württemberg heute früh noch längerem Leiden im 69. Lebensjahre verschieden. Das König­liche Haus ist durch diesen Todesfall in tiefe Trauer versetzt worden.

Stuttgart, 7. Nov. Wie wir vernehmen, sind Seiner Majestät dem König aus Anlaß des Ablebens Seiner Königlichen Hoheit des Herzogs Wilhelm u. a. auch warme Beileidsbezeugungen von Seiner Majestät dem deutschen Kaiser, König von Preußen, und von Seiner Majestät dem Kaiser von Oesterreich zugegangen.

Stuttgart, 5. Nov. Lotterieglück. Bei der heute erfolgten Ziehung der großen Geld­lotterie der Ausstellung für Elektrotechnik und Kunstgcwerbe in Stuttgart, wurde das Loosgeschäst von Herrn I. Schweickert daselbst wieder von besonderem Glück begünstigt, indem die beiden ersten Haupttreffer Nr. 88292 mit 100000 und Nr. 6257 mit ^ 30000 in besten kollerte fielen.

Stuttgart, 7. Novbr. Strafkammer. In Lstündiger Nachmittagssitzung wurde gestern eine An­klage wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den verh. Handschuhwascher Karl August Hochersen von hier verhandelt, welche diesem aus der am Nach­mittag des 8. Juli d. I. im Hause Calwerstr. 20 hier stattgehadten BenzmgaSexMsion erwachsen ist. Es ist bekannt, daß durch diese Explosion die Korb­macher sehefrau Sofie Staig er schwere Brand­wunden erlitt und längere Zeit in Lebensgefahr schwebte, ebenso deren 16jährige Dienstmagd Christiane Jlg und ihr lOjähriger Sohn Albert Staig er. Auch wurde der zufällig am Hause vorübergehende Chorsänger Burkhard Schätzte durch Glassplitter verletzt. Die Explosion entstand durch Benzingase in dem Augenblick, als Frau Staiger mit der Jlg und ihrem Sohne Albert im Keller waren und elftere ein Lämpchen auf den Boden zu stellen im Begriffs war. Als Ursache der Explosion wurde angenommen, daß an einer 15 LZ Benzin haltenden Blechflasche der Hahnen schadhaft war und nicht mehr luftdicht schloß, so daß das herausfließende Benzin verdunstete. Das Verschulden des Angeklagten wurde darin ge­funden, daß er entgegen der Ministerialversügung vom Jahr 1888 Benzin in solchem Quantum seit lange

im Keller aufbewahrte, die vorgcschriebene polizeiliche Erlaubnis zur Aufbewahrung größerer Quantitäten nicht cinhalte, auch unterließ., die Beschaffenheit der zur Aufbewahrung dienlichen Blechflaschcn genau zu untersuchen. Hocheiscn gab an, diese Vorschriften seien ihm unbekannt gewesen. Die Aerzte Or. Seeger und vr. Mangold sprachen sich dahin aus, daß die noch nicht ganz geheilten Wunden der Frau Staiger und ihres Sohnes eine gewisse Steifheit zurücklosien dürsten. Der Sachverständige Prof, der Chemie vr. Abel fand die Entflehungsweise der Explosion in Dunkel gehüllt, doch zweifellos auf Durchsickerung und "mangelhaften Verschluß der Flaschen zurückzusühren. Staatsanwalt Romeick beantragte eine 5monotl. Ge­fängnisstrafe, der Verteidiger Rechtsanwalt Steiner die Freisprechung' wegen fehlenden Kausalzusammen­hangs zwischen dem Verhalten des Angeklagten und der Explosion. Diese sei als ein Unglück anzusehcn. Man befinde sich darüber im Dunkeln. Die Straf­kammer fand Hocheiscn im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte ihn zu 6 Wochen Gefängnis und sämtlichen Kosten.

Tübingen, 8. Nov. Der zu lebenslänglichem Zuchthaus begnadigte Mörder Joachim von Ober­thalheim ist nunmehr in das Zuchthaus nach Stutt­gart eingeliefcrt worden. Derselbe erwartete noch den Besuch seiner Kinder, welche aber nicht eintrafen.

Fellbach, 5. Novbr. Morgen geht das Ge­schäft in der Kelter zu Ende und damit ein Herbst, dessen Ausfall man nicht geahnt hätte. Der Verkauf gmg sehr rasch und die Preise waren in jeder Be­ziehung annehmbar. Diese starke Nachfrage ist na­mentlich dem Umstand zuzuschreiben, daß das Obst Heuer sehr rar war. Dem entsprechend wurden Heuer Weine mittlerer Qualität, die vornehmlich an die Stelle des Mostes treten, im Verhältnis besser bezahlt als bessere Weine. Von elfteren ist der Durchschnitts­preis etwa 72 von letzteren nur 114. Da hier gegen 3000 Eimer erzeugt wurden, so hat unser Ort immerhin auf eine Gesamteinnahme von einer Viertel- Million Mark zu rechnen.

Von der badischen Grnze, 6. November. Zeitgemäß im vollsten Sinne des Wortes und von wirklich aktuellem Interesse ist ein soeben im Verlag von Ernst Haug in Pforzheim erschienene Schrift: Herr und Volk Offizier und Bürger" von Aug. Allgaier; Preis 60 Pfg. Das sauber ausgestattete Büchlein nimmt in angemessener Ausführlichkeit Bezug auf den vielbesprochenen Karlsruher Vorfall, über dessen Möglichkeit und Konsequenz es sich in allgemeiner interessierender Darstellung verbreitet, ebenso über das Verhältnis zwischen Militär und Bürgertum, hier zwischen Offizier und Steuerzahler, welchem Verhältnis eine eingehende Betrachtung gewidmet ist. Was der Verfasser in Anknüpfung an das Vorausgegangene überdenMilitarismus" und denbewaffneten Frieden" schreibt, ist lehrreich und anziehend zugleich und nicht minder beachtenswert und einleuchtend sind die von ihm gemachten Vorschläge zur Beseitigung von Miß­ständen, die mit der Zeit immer drückender empfunden werden. Die Sprache ist freimütig aber maßvoll und fern von parteipolitischer Voreingenommenheit. Der Verfasser läßt lediglich die Thatsachen reden und zieht aus ihnen seine mitunter unwillkürlich über­

feine Thätigkeit zu beaufsichtigen; cs sei ihm eine peinliche Pflichterfüllung, in diesen fremden Papieren und Geldern zu wühlen, sie werde sehr erleichtert, wenn die Tochter des Besitzers sie kontrolire.

Eine Viertelstunde mochte etwa vergangen sein, da ertönten Schritte auf dem Gange draußen; die Thür wurde geöffnet, Werder trat ins I mmer.

Gott sei Dank, daß Sie endlich da sind!" rief Jda. Sie hatte den Freund so sehnsüchtig erwartet, von ihm hoffte sie Hilfe, Rat. Sie eilte ihm entgegen, unbe­wußt folgte sie dem Drange ihre» Herzen», als sie seine Hand ergriff und sich an ihn lehnte.

Er drückte ihr sanft die Hand.

Fassen Sie sich, liebe, liebe Jda! Wir sind nicht allein," sagte er leise.

Fast beschämt zog sie sich zurück.

Der Polizei-KomiffariuS Dunkelword war ein zu gut geschulter Beamter, um seine Verwunderung über den zärtlichen Empfang seines Vorgesetzten durch die Tochter de» Mörders auch nur durch einen Blick zu verraten.

Er begrüßte Werder durch eine respektvolle Verbeugung.

Ihre Befehle sind pünktlich erfüllt, Herr Polizeirat," sagte er.Herr von Heiwald ist mit der größten Rücksichtnahme verhaftet worden und ist auf dem Wege nach Beutlmgen; das Dienstpersonal wird durch den Sergeanten Letke beaufsichtigt. Mit der Durchsicht der Papiere de« Verhafteten habe ich in Gegenwart des gnädigen Fräuleins begonnen."

Ich danke Ihnen, lieber Dunkelword. Es geht alles vortrefflich. Haben Eie jetzt die Güte, mich einen Augenblick mit Fräulein von Heiwald allein zu lassen."

Gehorsam entfernte sich jetzt der Beamte.

Jda glaubt«, als sie Dunkelword« Anrede hörte, rin furchtbarer Traum peinige sie. Herr Polizeirat! War eS denn möglich? Steinert, der Freund und Liebling ihres Vaters, der Mann, dem sich ihr Vertrauen und ihr Herz so schnell zugeneigt hatte, weck sie glaubte, seine edle Menschenfreundlichkeit erkannt zu haben, eS war

raschenden Schlüffe. Daß die Schrift klärend, aber nicht aufreizend wirkt, kann als ein ganz besonderer Vorzug gelten.

Paris, 8. Nov. DieAgence Havas" meldet: Nach Eingang des Berichts über die Dienstagssitzung der franz. Deputiertenkammer sandte der Sultan einen Sekretär zum franz. Botschafter Cambon, um ihn über die vom Minister Hanotaux gegebenen In­struktionen zu befragen. Cambon ließ den Sultan wissen, daß es vor Allem dringend erforderlich sei, aus freien Stücken eine gewisse Anzahl von Maß­nahmen zu ergreifen, um die öffentliche Meinung zu beruhigen und Europa eine erste Genugthuung zu geben. Der türk. Botschafter in Paris Zia Pascha hat nunmehr den Minister Hanotaux in Kenntnis gesetzt, daß der Sultan unverzüglich folgende Punkte geprüft und angcordnet hat: 1/Die Entlassung aller in den Gefängnissen befindlichen Personen, gegen welche nichts belastendes vorliegt; 2. die Polizei wird Anweisungen erhalten, um zu verhindern, daß fried­liche Armenier verfolgt werden; 3. unverzügliche Be­rufung der armenischen Nationalversammlung behufs Vornahme der Wahl des Patriarchen; 4. der Oberst Hagha-Bei, welcher für die Ermordung des Paters Salvator verantwortlich ist, wird vor ein Kriegsgericht gestellt; 5. Der Walt von Diarbekir, welcher als bei den Unruhen besonders beteiligt bezeichnet wird, wird abberufen; 6. den Walis werden zur Unterdrückung neuer Gewaltthätigkeiten klare Anweisungen erteilt; 7. der Minister des öffentlichen Unterrichts wird für die Ausbesserung der Schäden sorgen, welche die katho­lischen Priester in Kleinasien während der letzten Un­ruhen erlitten; 8. dem Teil der Bevölkerung, welcher hauptsächlich zu leiden hat, wird Hilfe geleistet; 9. ein Dekret, betr. die schleunigste Anwendung der im vorigen Jahre für 6 Vilajetts bewilligten Reformen und deren Ausdehnung auf andere Provinzen soll veröffentlicht werden. Bereits bekannt ist, daß der Polizeipräsident von Constantinopel, welcher seit den Unruhen der Schwäche beschuldigt worden war, ab­gesetzt worden ist. Der Minister Hanotaux dankte dem türkischen Botschafter und ließ ihn wissen, daß er dem Botschafter Cambon genaue Anweisung senden werde, um die Anwendung dieser Maßnahmen zu überwachen.

London, 8. Nov. Gestern abend brach in der Dampfspritzenbau-Anstalt im Black-Friarsbezirk Großfeuer aus. 300 Dampfspritzen und 37,000 Fuß Schläuche wurden vernichtet.

Osl«e. kivongensium.

Deffentlicher Vortrag

von Herrn I. Hesse:

Was ists mit öen Armeniern?

Freitag, den IS. Nov., abends 8 Nhr, wozu jedermann freundlich eingeladen ist.

Georgenäumsrat.

LLl1-2siäsnLto§s v. §0

Met. xorto- rmä. steaerksi ins llsue an Private. Muster umgehend.

Lvicken-fsbriken 6. Hvnnedkrg st.l>.s.^°sl.)2üriek.

der gefürchtete Polizeirat! Er Halts sich unter falschem Namen in das gastliche Haus eingeschlichen, er hatte das Vertrauen des Vaters, die Liebe der Tochter er­schlichen, um schnöde Spionsdiensts zu thun. Ja. es war möglich, es war nur zu gewiß! Unter diesem furchtbaren Schlage brach ihre Kraft. Sie wankte, eine Ohn­macht wandelte sie an, sie wäre zusammengesunken, hätte Werder sie nicht in seinen Armen aufgefangen.

Seine Berührung erweckte sie wieder zum Leben. Sie riß sich los, mit tiefenr Widerwillen stieß sie ihn zurück.

Fort von mir ! Wagen Sie cs nicht, mich anzurühren!" rief sie mit schneiden­der Stimme.

Ihr Auge flammte, nie hatte Werder geahnt, das es so viel Haß, eine solche Verachtung outdrücken könne.

.Jda!"

Sie verschwenden ihre Worte, Herr Polizeirat! Da ich Sie jetzt kenne, werden Sie nicht mehr den Spion spielen können."

Wie kalt und schneidend war der Ton ihrer Stimme, und doch brach ihr fast das Herz im tiefsten Schmerze; ihre Augen füllten sich mit Thränen, ihre künstliche Fassung verließ sie.

Mit dem Schmerzensruf«:

Mein Gott, dies ist furchtbar, ich ertrage es nicht!" sank sie nieder in de»- Lehnstuhl deS Vaters.

Sie verbarg das Gesicht in den K ffen und weinte bitterlich.

Werder war tief erschüttert. Auch in sein Auge trat eine Thräne. Er wagte lange Zeit nicht, die Geliebte in ihrem Schmerze zu stören, endlich aber nahte er ihr-.- Jda, ich flehe Sie an, hören Sie mich I Gestatten Sie mir nur einig« Worte!"' sagte er leise, zärtlich bittend.

Ein tiefes, krampfhaftes Schluchzen war ihre einzige Antwort, oft». (Fortsetzung folgt.)