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keilL weniger beschädigt. Bei der vor einigen Tagen an Ort und Stelle vorgenommenen gerichtlichen Schätzung wurde von dem beigezogenen Sachverständigen ein Schaden von ungefähr 330 festgestellt. Ein der Beschädigung dringend verdächtiger Bewohner von Neuweiler befindet sich bereits in Haft.

Stuttgart, 18. Sept. Ein vielbestrafter Dieb, der 29jährige ledige Schneider Jvh. Sam. Maurer von Hohenfeld bei Kitzingen in Bayern, welcher im letzten Monat 3 mal nacheinander zur Tageszeit aus einem Tuchlager in der Schloßstraße 3 Stück Buxkin im Wert von über 200 M. stahl, wurde angesichts seiner Vorstrafen wegen einfachen Diebstahls im Rückfalle zu einer Zuchthausstrafe von 2 Jahren 6 Monaten nebst bjährigem Ehrenverlust und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht verurteilt.

Stuttgart, 20. Sept. Je näher der Schluß unserer Ausstellung heranrückt, desto zahlreicher treffen die Besucher derselben hier ein, namentlich an Sonn­tagen. Heute wimmelt die Landeshauptstadt von Fremden. Eine ganze Reihe von Extrazügen, und zwar alle von gewaltiger Länge, brachten Tausende hierher. Dazu kommt, daß wegen des 38. Verbands­tags der Württemb. Gewerbevereine auch noch zahl­reiche Mitglieder dieser Vereine, kenntlich an besonderen Festabzeichen, hier eingetroffen sind. Die Wirtschaften machen glänzende Geschäfte und in den beiden Aus­stellungen ist kaum durchzukommen.

Untertürkheim, 16. Sept. In den König­lichen Weinbergen sind von Montag auf Dienstag Trauben gestohlen und eine größere Zahl von Reben abgeschnitten worden. Die Thäter sind bis jetzt noch nicht entdeckt. Eine seltene Preissteigerung hat die hiesige Bahnhofrestauration erfahren, die 1872 um 20000 1892 um 47000 ^ und gestern um

65 000 v/ö (an die Tivoli-Brauerei in Stuttgart) ver­kauft worden ist. Am Montag machten die hies. Schulen von dem schätzenswerten Anerbieten der Aus« pellungskommission Gebrauch, das den Volksschulen freien Eintritt in die kunstgewerbliche und elektro­technische Ausstellung gestattet.

Aldingen, 14. Sept. DerSchwarzw. Bote" berichtet: Der etwa 20jähr. Sohn des Oberinspektors Werner von Rottweil wollte sich am Sonntag abend von Neufra her auf den hiesigen Bahnhof begeben, um den Abendzug zu benützen, als ihm in der Nähe der Untrrmühle 3 junge Fabrikarbeiter von Schwen­ningen begegneten und einer derselben ihm ohne jede Veranlassung oder vorangegangenen Wortwechsel ein Messer in die Brust stieß. Blutüberströmt konnte sich der Verwundete noch bis zum Gasthof zurSonne­schleppen, wo er bewußtlos zusammenbrach. Der her­beigerufene Arzt erklärte die Wunde für sehr schwer, doch nicht lebensgefährlich. Da in der Wirtschaft zufällig Landjäger Ochs von Spaichingen anwesend war, wurden die drei Burschen sofort verfolgt und in Neufra eingeholt.

Lauffen a. N-, 20. Sept. Ein fein ge­

schniegelter sehr elegant ausstaffirter Reisender von orientalischem Typus mit dem angeblichen Namen Stein, Vertreter der Berliner Firma L. Schloß - mann, hat hier eine ganze Reihe von Beamten und besseren Privatleuten in großartiger Weise beschwindelt. Der wackere Mann offerirt nämlich echte Indische Pflanzenfaserhemden, ein Geheimnis seiner Firma, welches nicht verraten und durch den Zwischenhandel nicht verteuert werden dürfe, weshalb die ehrenwerte Firma 65 Reisende unterwegs habe. Sogar der deutsche Kaiser habe sich für die Ware interessirt und bei der außerordentlichen Leistungsfähigkeit der Firma, welche eine Menge Medaillen besitze und 600 Arbeiter beschäftige, sei es nur noch sine Frage der Zeit, daß vom Kaiser abwärts jedermann bloß Jndia Faser­hemden trage. Der Biedermann gibt als Referenzen hauptsächlich Tierärzte und den Radfahrer Fischer in München auf. Verlangt man von ihm Musterab­schnitte, so bekommt man sie nur eingesäumt, damit kein Faden herausgezogen werden kann. Diese wunder­baren Hemden gibt der menschenfreundliche Hausirer zu 7.50 pro Stück ab. Eine genaue Untersuchung eines solchen Hemdes ergab aber, daß es ein ganz gewöhnliches baumwollenes sogen, beige 2fach-Hemd ist mit einem wahren Wert von ^ 2.30 höchstens ^ 2.50. Von der Jndiafaser, die es überhaupt nicht gibt, ist natürlich gar keine Rede und zahlreiche Geistliche, Lehrer, Aerzte, Fabrikbeamtcn u. s. w. sind mit dieser Schwindelware gründlich hereingelegt. Da die Justiz gegen derartige Betrüger nicht von einem Tage auf den andern fertig werden kann, so mögen sich die Leser vor derartigen Haufirern oder Detail­reisenden, namentlich in Tricot-Waren aller Art in Acht nehmen und denselben die Thüre weisen.

Rottweil, 18. September. (Strafkammer.) Am 6. Juni d. I., abends, kam die verheiratete ZeitungSausträgerin Elisabeth Bechtle in Freudenstadt in daS Haus des Metzgermeisters Schwarz und holte Fleisch. Nach Verlassen des Hauses kam ihr der Ge­danke, sie könnte sich dort Geld holen und begab sich, als sie sah, daß niemand um die Wege war, in die im oberen Stock befindliche Wohnstube. Dort nahm sie aus einer Komode, in welcher der Schüssel steckte, 190 vA, welche sie bis zu ihrer am 25. Juni erfolgten Verhaftung vollständig aufgebraucht hatte. In straf­erhöhender Berücksichtigung der bei Ausführung des Diebstahls an den Tag gelegten Keckheit wurde die bis jetzt nicht vorbestrafte Bechtle zu 6 Monaten ver­urteilt, wovon 2 Wochen der erlittenen Untersuchungs­haft abgehen.

Ehingen, 16. Sept. Bahnwärter Reusch von Untermarchthal, zwischen diesem Ort und Rechten- stein stationiert, ca. 60 Jahre alt, ist Sonntag nacht, als er von dem nahegelegenen Weiler Neuburg nach Hause gieng, eine circa 20 Meter hohe senkrechte Felsenwand herabgestürzt, andern Tags mit eingefallenem Brustkorb und Kopfverletzungen gefun­den worden und bald darauf gestorben. Seit etwa 25 Jahren hat Reusch den kritischen Weg

unzähligemal gemacht. Reusch war ein nüchterner Mann.

Ravensburg, 18. Sept. Am 14. d. Mts. wurde Forst wart Hermann in Zußdorf von seinem Oberförster auf der Hühnerjagd aus Unvor­sichtigkeit in den Unterleib geschossen; erliegt schwer verletzt darnieder. In der Nacht vom Mitt­woch auf Donnerstag wurden einem Steinhauer in Weingarten 130 M. gestohlen. Derselbe gab dem Dieb aus Gutherzigkeit Nachtquartier. Als er morgens aufstand, war der Dieb mit dem Geld ver­schwunden.

Berlin, 20. Sept. Im Bürgersaal des Rathauses fand heute die Eröffnung des internatio­nalen Kongresses für Frauenwerke und Frauenbestre­bungen statt. Ueber 500 Teilnehmerinnen aus den verschiedensten Ländern sind anwesend. Besonders stark sind Amerika, Frankreich, England und Italien vertreten. Auf der Tagesordnung des morgigen Vor­mittags steht die Frage der Kindergärten und der Jugendhorte.

Kopenhagen, 20. Sept. Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland haben nach Verab­schiedung von der dänischen Königsfamilie heute mittag gegen 12'/- Uhr auf demStandard- die Reise nach England angetreten. DerPolarstern" begleitet den Standard."

Nermischtes.

Bei der herannahcnden Zeit der Obstmost- bereilung wird imSchwäb. Merk." auf die in den vergangenen Jahren gemachte Beobachtung, daß aus auswärtigem Obst bereiteter Most zuweilen einen mehr oder weniger starken Karbolgeschmack und -Geruch zeigte, hingewiesen. Im städtischen chemischen Laboratorium Stuttgart ist eine nicht unbeträchtliche Zahl solcher Moste zur Begutachtung gelangt. Dieses Verhalten war ohne Zweifel auf den Versandt bezw. auf das Lagern des Obstes in mit Karbolpräparaten desinfizierten Eisenbahnwagen zurückzuführen. Ein derartiger, durch kein Mittel, auch nicht durch Umgähren wieder herzustellender Most ist für Menschen mit normalem Geschmackssinn ungenießbar; im Sinne deS Nahrungsmittelgesetzes fällt er unter den Begriff des Verdorbenseins. Da auch jetzt eine Partie MosteS beobachtet werden konnte, dessen Geschmack und Ge­ruch an Karbol erinnert, so werden die Käufer von Obst und Most darauf aufmerksam gemacht, daß die Händler, bezw. zurückgreifend auch die betr. Bahn­verwaltung, unter Umständen zum Schadenersatz heran» gezogen werden können. Soweit bekannt, war dies bei einer österreichischen Bahnverwaltung vor einigen Jahren der Fall.

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steusrkrsi ins Usus an Private. Muster umgehend.

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Der Weg über den Damm war ziemlich belebt, Eteinert begegnete wohl fünf bis sechs Fuhrwerken, meist Bauernwagen. Er empfing manchen höflichen Gruß den er freundlich erwiderte. Alle di« Begegnenden schauten ihm mit einer gewissen Neugier noch, sie fanden eS offenbar höchst wunderbar, daß ein Fremder in der be­kannten Kalesche des Herrn von Heiwald noch so spät auf der Reise sei.

Di« Sonn« war eben untergegangen, als Steinert auf dem Stern, dem KreryungspUvkte der verschiedenen Wege, eintraf. Der Wagen hielt vor einem zwei­stöckigen Hause, dem Sternkrug. Mächtige, massiv gebaut« Scheunen, Ställe und andere Wirtschaftsgebäude, welche den Hof hinter dem Kruge umschlossen, zeugten für den Reichtum des Besitzers.

Steinert sprang aus dem Wagen.Sie können auSspannen und füttern," rief er dem Kutscher zu. .Ich bleibe etwa ei» Stündchen hier."

Zu befehlen!" war die kurze, soldatisch« Antwort.

Vater Grawald, der Besitzer des Kruge«, empfing unfern Ressenden auf der Schwelle des Hauses.Willkommen im Sternkrug l" sagte er mit tiefer, aber ange­nehm freundlich klingender Stimme; er öffnete eine Thür auf der linken Seite deS Flurs, welche mit grcßen Buchstaben die InschriftHerrenstube" trug; auf der gegen­überliegenden rechten Seite war eine Thür mitGaststube" bezeichnet.

Steinert trat in ein geräumiges vierfrnstriges Zimmer, wächeS di« Aussicht nach dem Stern hatte. Die blendend weißen Fenstervorhäng«, der mit feinem weißen Sand bestreute Fußboden, die glänzend blank polirten Tisch« machten den wohlthuenden Eindruck der peinlichsten Sauberkeit. In dieser Herren stube mußten sich die Gäste wohl fühlen, zumal wenn sie von einem so freundlichen Wirt bedient wurden.

Vater Grawald entsprach ganz dem Bild«, welches sich Steinert nach den Schilderungen des Herrn Braun, des Ratsherrn und alle der anderen Herren in Wridenhagen, welche in seinem Lobe übereinstimmend gewesen waren, von ihm ge­macht hatte. Er war ein Mann von mindestens sechzig Jahren, aber noch jugendlich Kräftig und frisch. Sri» von schneeweiße« Locken umrahmtes Gesicht, trug dir ge­

sunde Farbe eines Mannes, der sich viel im Freien bewegt. Vater Grawald war noch immer ein stattlicher, fast könnte man sagen ein schöner Mann; sein lebendiges, kluge«, blaue« Auqe blickte so heiter und treuherzig. daS Lächeln, welche« den wohl­geformten Mund umspielte, war so wohlwollend und gutmütig, daß man unwillkürlich Vertrauen zu dem Manne fassen mußte, dem die Volksstimme recht bezeichnend derr allgemein angenommenen NamenVater Grawald" gegeben hatte; war doch Gra­wald, wie Steinert heute in Weidenhagen von allen Seiten gehört hatte, in Wahr­heit der Vater aller derer, welche sich in seiner Nachbarschaft irgend in Not befanden»

W llkommen noch einmal im Sternkrug!" sagte Vater Grawald freundlich» Nehmen Sie Platz, mein Herr! Womit krnn ich Ihnen arsswarten?"

Ich möchte bei Ihnen etwas zum Abendbrot» essen und ein gutes Glas Bier trinken. Ihr Bier ist ja weit und breit berühmt, Herr Grawald."

W-ll's memen!' schmunzelte der Wirt.WaS man im Sternkrug bekommt, jss gut und billig. DaS ist mein Stolz, und dadu-ch habe ich den Sternkrug zu dem gemacht, was er ist. Große Delikatessen können Sie in dem einsamen Kruge nicht nickt verlangen, heute aber kann ich Ihnen einen Hirschbraten Vorsitzen, wie Sie ihn Kiffer noch nicht gegessen haben!"

.Den bringen Sie mir, und eine tüchtige Portion, denn ich habe ordentlich Hunger. Zuerst aber ein Glas Bier, damit ich den Staub hinunter spüle."

Während Vater Grawald hinauSging, um dar Bier zu besorgen, schaute sich Steinert in der Hrrrcnstube um. Die genauere Prüfung bestätigte den ersten an­genehmen E »druck. Das große Zimmer war einfach, aber höchst anständig möblirt. In einer Ecke stand ein GlaSlchrank mit spiegelblanken Scheiben, er enthielt mehrere auffallend schöne Gewehre. Die Wände waren mit einer billigen aber geschmack­vollen T°p te bekleidet. Mehrere gute Kupferstiche in schwarzen Rahmen schmückte» sie. Kein Stäubchen lag auf den Rahmen, kein Stäubchen auf irgend einem der Möbels die peinlichste Sauberkeit war der höchste Schmuck dieser Herrenstube.

(Fortsetzung folgt.)