Samstag Beilage z» Ue. 28. 7. Mär; 1896.
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In Kcrß erstarrt.
Novelle von K. Sommer.
(Fortsetzung.)
In dem kleinen, freundlichen Kirchdorf Buchenhain gab cs noch sehr einfache, altmodische Häuser auS Machwerk, mit Schindeln gedeckt, die sich recht wunderlich aus- nahmen inmitten der reizvollen, waldigen Landschaft. Mx das Herrenhaus, das nach dem Dörfchen seinen Namen führte, erhob sich in stolzem, imposantem Bau auS dem Dunkel der umliegenden Waldungen. ES war ebenfalls nicht im neuesten Stil, aber dennoch geschmackvoll und mit reichen Ornamenten gebaut.
Am Ende des Dörfchens befand sich ein Haus» das sich von allen anderen nur dadurch unterschied, daß ihm ein kleiner Erker sozusagen angeklebt war, und überdies noch nach neuer Fa<M. Man mußte fast lachen übcr solche barocke Idee; aber wer in dem kleinen Erkerstübchen saß und den Ausblick genoß über die waldigen Höhen, auf das stolze Schloß und weiter links auf den silbernen Spiegel eines Flusses, der lachte nicht mehr, sonder» sagte sich, daß es kein dummer Kopf gewesen sein müsse, in dem die Idee entstanden sei, auf diese Weise sich die Reize der Landschaft voll zu nutze zu machen. Einen schöneren Punkt gab eS nicht, und das wußte auch die Bewohnerin des ErkerS. das alte Fräulein Bitter, wohl. Es war ihr ganzer Stolz, alle Besucher auf diesen besonderen Teil des Hauses hinzuweisen, der sein Entstehen ihrem klugen Kopf verdankte. Ihr Bruder, der Doktor Bitter» hatte freilich gewaltig dagegen gelärmt, er war konseivatw und wollte durchaus keine Neuerungen. Er nannte es eine Verrücktheit, eine romantische Schwärmerei und was dergleichen Schlagworte mehr waren. Aber was Fräulein Bitter sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, das setzte sie auch durch. Sie stellte ihrem Bruder die Alternative: entweder einen Erker, oder sie ziehe fort aus seinem Hause. Sie konnte sich ja jeden Tag verheiraten, wenn sie wollte. Aber da ihr für solche Verbindung die himmelstürmende Liebe fehlte, und ihr Bruder denn auch schließlich den Erker bewilligte, so blieb sie bei ihm und gab für alle Zeit die Heiratsgedanken auf. Sie sorgte treu für des Bruders Hauswesen und ebenso treu für feine Praxis. Wenn der Doktor übcr Land war und jemand dringend Hülfe begehrte, dann ging das kleine Fräulein kurz entschlossen mit ihren Instrumenten und allerlei Elixirfläsch- chen zu den Kranken, ließ sich ihre Leiden klagen, untersuchte sie und verordnet«, waS für den Augenblick zu geschehen habe.
Sie hatte einmal ein paar Semester Medizin studiert, damals, als die Frauenwelt im Gefühl ihres Wertes und ihres Unterdrücktseins sich emanzipierte.
Das Studium war anfangs sehr amüsant gewesen; als aber die erste Begeisterung verflogen, da war ihr das Unternehmen doch ein wenig unweiblich erschienen. Und als dann die Herren Professoren so wenig dccent gewesen waren in Bezug auf ihre weibliche Zuhörerschaft, da hatte sie schleunigst die Flucht ergriffen.
Damit war sie über die Anfänge denn kaum hinausgckommen; das hinderte aber doch nicht, daß die Leute hier sie für sehr gelehrt hielten und ihr bemahe mehr Vertrauen schenkten als dem Bruder. Sie war unendlich stolz darauf.
ES war noch früh am Morgen, kaum über sieben Uhr, da stand Fräulein Martha Bitter in ihrem Erker beim Kaffeetisch. Ganz ausnahmsweise war hier der Trsch gedeckt, Fräulein Martha gestattete das sonst nicht. Aber e« war gestern Abend unerwartet Besuch gekommen, und dem zu Ehren fand diese Ausnahm- statt. Fräulein Martha stand also in ihrem Erker und freute sich über den köstlichen Ausblick, über den Sonnenschein und über die frischen Semmeln, die Grete, des Hauses Faktotum, soeben hereintrug. Grete war mit dem Herrn Doktor und seiner Schwester alt geworden, sie waren viele Jahre zusammen gewesen und gehörten nun auch zusammen. Sie nahm das Hauswesen wahr, wenn Fräulein Martha auf Praxis ging. Sie teilte mit allen anderen den Glauben, daß Fräulem Martha noch weit
mehr verstände als der Bruder, und deshalb richtete sie jede ärztliche Bestellung erst bei ihr aus.
„Der Waldhüter Gcyler war da, das Kind hat eine schlechte Nacht gehabt; Fräulein möchten doch so bald wie möglich kommen. Die Witwe Brehm hat furchtbare Magenschmerzen, und der Maurer Pölich hat sich mit dem Hammer einen Finger zerquetscht. — Ja, dies muß ich wohl dem Herrn Doktor sagen, so eine Observation ist zu schrecklich."
.Operation, wolltest Du sagen," verbesserte Fräulein Martha lächelnd. „Nun, ich denke, einige kühle Umschläge werden'« schon thun." — „So? Nun ja, Fräulein müssen das wissen." — .Ich werde aber heute wohl meinem Bruder alles allein überlassen müssen, — wir haben ja Besuch."
„Ja gewiß, das war einmal eine Überraschung! Das Fräulein sieht fein auk."
„Ja, ganz so reizend wie ihre Mutter. Du mußt nämlich wissen, Grete, daß die Baronin und ich PensionSfreundinnen waren, und als sie sich verheiratete, da habe ich sie oft monatelang besucht. Und später, als meine Eltern starben, bin ich bei ihr geblieben als Gesellschafterin und habe Fräulein Elsa unterrichtet, als der Herr Baron die Kadettenschule besuchte und der Hauslehrer abgeschafft wurde. Ja, so war's, Grete!"
Die alte Magd nickte ernsthaft zu allem, was Fräulein Martha sagte, und erwiderte nach alter Gewohnheit:
„Ja, Fräulein müssen das wissen."
„Hast Du schon gehört. Grete, ob daS gnädige Fräulein aufgestandcn ist?"
„Nein, ich habe nichts gehört. DaS gnädige Fräulein werden wohl noch schlafen."
„Sie wird wohl müde sein, sie sah gestern Abend sehr matt und angegriffen aus."
„Und so blaß war sie, sie wird gewiß krank sein, — Fräulein muffen sie 'mal untersuchen. Sie hat gewrß von Fräulein ihrer Geschicklichkeit gehört und will nun Fräulein konsultieren."
„Meinst Du, Grete? Ach nein, das denke ich nicht. Sie hat sich einmal meiner vielen Einladungen erinnert, und da hat sie sich loSgemacht und ist zu uns gekommen, daS liebe Kind. Ich freue mich auch gewaltig dazu."
Der Doktor trat eben über die Schwelle, in Schlafrock und Pantoffeln, die Pfeife im Munde.
„Guten Morgen! Was habt Ihr denn so eifrig zu besprechen? WaS giebt'S, Grete?"
„Geylers Kind ist krank, die Wittwe Brehm hat Magenschmerzen, und der Maurer Pölich hat sich den Finger zerschlagen."
„Schon gut, Grete, ich werd's besorgen. Gieb mir jetzt meinen Kaffee, Martha! Ist denn das Fräulein noch nicht da?" fragte er, um sich blickend.
„Nein, sie scheint noch zu schlafen." '
„Fandest Du nicht auch, Ferdinand," fragte Fräulein Martha, „daß die Baronesse leidend aussah?"
„Hm — ja — etwas," murmelte Doktor Bitter.
„Was denkst Du von CHIorosiS?'
Der Doktor lächelte ein wenig spöttisch.
„Ich denke eher ein wenig Seelenleiden, — sieh' zu, ob Du da helfen kannst."
In diesem Augenblick erklang draußen die Klingel. Grete eilte hinaus, um zu öffnen. Es war wieder eine ärztliche Bestellung, die sie anzunehmen hatte.
Nachdem der Doktor ihre Bestellung angehört hatte, nahm er die Zeitung zur Hand, während Fräulem Martha den Kaffee einxoß.
Da klopfte eS leise an die Thür, und nn nächsten Moment trat der besprochene Besuch ein, eS war Elsa v. Bensing. Die beiden Geschwister traten ihr freundlich entgegen und wünschten ihr guten Morgen.
„Ich hoffe, daß Sie wohl geruht haben unter unserem einfachen Dache, gnädiges Fräulein," begann der Doktor mit einer sehr artigen Verbeugung, „und erlaub« mw noch einmal, Sie in unserem Hause willkommen zu heißen."
(Fortsetzung folgt.)
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