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»icht schon geschehen, sofort binnen 2 Tagen anher zu liquidieren, widrigenfalls solche nicht mehr zum Ersatz kommen würden.

Calw, 18. November 1895.

K. Oberamt.

Voeltrr.

Die Avtsvorstehev werden auf den Ministerialerlaß vom 28. Okt. 1895, betreffend den Verkehr der dem Ministerium des Innern unterstellten Staats- und Gemeindebehörden mit Gesandtschaften, Konsulaten und reichsausländischen Behörden (MinisterialamtSblatt S. 412) zur genauen Nachachtung hiemit hingewiesen.

Calw, 18. Nov. 1895.

K. Oberamt.

Voelter.

K. Amtsgericht Calw.

Bekanntmachung.

Die Reihenfolge, in welcher die für das Jahr 1896 gewählten Hauptschöffen an den einzelnen ordent­lichen Sitzungen Dienst zu leisten haben, wird durch Ausloosung in der am

Samstag, den 23. Novbr. 18S5, vormittags 11 Uhr,

stattfindenden öffentlichen Sitzung des K. Amtsgerichts bestimmt werden.

Den 16. November 1895.

Oberamtsrichter Deckinger.

HbevclmL KcrLw.

Die Gemeinden des Oberamtsbezirks werden hiemit benachrichtigt, daß die Staatsstraße von Calw nach Hirsau etwa in der Zeit vom 5. bis 20. Mai k. Js. mit der Dampfstrastenwalze eingewalzt werden soll und daß die Walze, soweit es ohne Störung der Arbeiten an der Staatsstraße möglich ist, zum Einmalzen von Etterstaatsstraßen, von an­deren wichtigen Ortsstraßen in der Nähe des zu be- walzenden Staatsstraßenzugs gegen Ersatz der Selbst­kosten mietweise abgegeben werden wird. Gemeinden, welche die Walze zu benützen wünschen, haben ihre Gesuche unter Angabe der Länge der Straße und der ungefähren Menge des einzuwalzenden Geschlägs innerhalb 3 Wochen bei der Unterzeichneten Stelle einzureichen.

Später einkommende Gesuche können nicht mehr berücksichtigt werden. Von der Möglichkeit und der Zeit der Abgabe der Walze wird jede Gemeinde be­nachrichtigt werden, sobald der Walzenbetriebsplan festgestellt sein wird.

Calw, den 15. November 1895.

K. Straßenbau-Inspektion.

Fleischhauer.

Tagesneuigkeiten.

Herrenberg, 13. Nov. Das Grabdenkmal des verst. Bankkassiers Klaiber, dessen große Unter­

schlagungen viele Leute zu Schaden gebracht haben, wurde heute nacht von unbekannter Hand zerstört.

Cannstatt, 14. Nov. Vorgestern Nacht zwischen 11 und 12 Uhr gerieten die beiden Söhne der Witwe Kuhn in der Fabrikstraße wegen eines im Hause wohnende» Dienstmädchens in Streit, wo­bei der Anton Kuhn von seinem Messer Gebrauch machte und seinem Bruder Friedrich Kuhn einen sehr gefährlichen Stich in die Seite versetzte. Der Thäter wurde gestern vormittag verhaftet.

JnOberroth wurde die von Fabrikant Kurz in Stuttgart erkaufte, neue Feuerspritze erprobt. Dieselbe macht genannter Firma alle Ehre. Zur Anschaffung der Spritze spendete die Magdeburger Feuerversicherungsgesellschaft 300 die Aachener- Münchener 100

Geislingen, 13. Nov. Einen empfindlichen Streich spielten zwei vagande Handwerksburschen ge­stern über mittag dem Gemeindepfleger Geiger in Eybach dadurch, daß sie dessen Kasten erbrachen und 200^ Gemeindegelder mitlaufen ließen. Den Thätern ist man auf der Spur.

Ell wangen, 14. Nov. Der steckbrieflich verfolgte Brauer Karl Sautter von Gaxhardt, Gde. Stödtlen, der den Wirt Oehler in Gmünd erstochen hat, wurde heute nacht in seinem elterlichen Hause festgenommen und dem Gericht überliefert.

Gaildorf, 15. Nov. Gestern wurde unter großer Beteiligung Schultheiß Sannwald von Ocken­dorf zu Grabe getragen. Ein Schlaganfall hat ihm, der noch einige Stunden in gemütlicher Gesellschaft war, ein jähes Ende bereitet.

Mergentheim,13. Nov. Unter den gestrigen Wahlzetteln befand sich auch der folgende:

Guät Wärttäberchisch bin i zwör Dös konn i Aich schon sochä.

DochSchwarz* nochRot", in Bolidik,

Süll konn i net vertrochä!

Drum mehl i kan von dennä zwa.

Die Ihr hait faal thuät haltä;

MeiFraktschion" stähl allweil fescht Und bleibt a schtets bom Altä.

Färscht Bismarck is vor vielä Johr Und a durch alli Zeitä Mei Moü scho gwest und soll es a Für alli Zeitä bleiwä:

Fürst Bismarck.

Konstanz, 7. Nov. Vorgestern hat sich auf der hiesigen Polizeiwache der Buchdrucker Karl Winkler von Pforzheim, welcher im Spätjahr 1890 sich der Einstellung zum Militär durch die Flucht entzog und als Deserteur verfolgt wurde, freiwillig gestellt. Derselbe hat inzwischen 5 Jahre in der Fremden­legion gedient und den Feldzug in Tonking mitge­macht. Winkler erzählt, wie schlecht es ihm in der Fremdenlegion ergangen sei und wie sehr er seinen unbesonnenen Schritt bereut habe.

Der Matrose ließ den Kopf hängen. Er schien ernstlich Reue darüber zu empfinden, daß er ein ehrbares Mädchen, und noch dazu die Tochter seines so heldenmütig ums Leben gekommenen früheren guten Kapitäns, für eine gewöhn­liche Dirne angesehen hatte.

Na. Maat/ sagte er, als sein Kamerad mit weiteren Vorwürfen fortfahren wollte,beruhige Dich nur; ich will mir diesen Vorfall hinters Ohr schreiben. Wenn Du das schöne Fräulein triffst, so sage ihm nur, daß Dirk Thoms ein Esel sei und um Verzeihung bitten lasse. Oder Keffer, ich gehe morgen selber hin. Wo wohnt die Kleine denn? Es scheint ihr 'en Bischen power zu gehen, sie sah in ihrem alt­modischen Wmterjackett und dünnem schwarzen Rockfähnchen nicht wie unseres ein­stigen stolzen Kap tänS Tochter aus."

Wo das Fräulein wohnt, das weiß ich nicht. Ich habe sie nach langen Jahren heute zum ersten Male wicdergesehen. Im Übrigen hast Du Recht, es scheint ihr schlecht zu gehen; nur das schön« Gesicht und der stolze Blick erinnern an ihren Vater. Wird ihr wohl so gehen, wie so vielen Kapitänstöchtern, die ihren Vater verloren; kenne das', meinte der Maat mit ernstem Gesicht.

Der Vorfall schien die übermütige Stimmung bei den Matrosen plötzlich ver­flachtet zu haben. Die eben noch überlauten Seeleute setzten ihren Weg jetzt zum Hafen in bedeutend ruhigerer Unterhaltung fort.

Das junge Mädchen war unterdeß in einen kleinen Laden in der Neben­straße getreten, hatte hier schnell einige Eßwaren gekauft und ritte bald darauf wieder die Hauptstraße entlang bis zu einer Brücke, welche die beiden Städte Bremer­haven und Geestemünde mit einander verbindet. Hier blieb Hedwig Helms tiesauf- atmend stehen und starrte nach unten in die dunkle gurgelnde Flut des zur Zeit hochangeschwollenen Geesteflusses, welcher in einiger Entfernung sein braunes, mooriges Wasser der Weser zuführt.

Es waren trübe und sorgenvolle Gedanken, di« dem jungen Mädchen durch den Kopf zogen. Und bei einem dieser Gedanken, daß nämlich an sie, die mittellose

Berlin, 15. Nov. In dem ehrengerichtlichem- Verfahren gegen den Ceremonienmeister v. Kotze liegt, wie derLok.-Anz." meldet, das gefällte Urteil- an höchster Stelle zur Bestätigung vor. Dem äußeren; Eindruck nach, den die Schrift macht, scheint die Ange­legenheit einen für den Angeklagten ungünstigen Gan§- zu nehmen. Der oberste Kriegsherr hat das Recht/, das Urteil umzustoßen und die Sache einem andern- militärischen Gerichtshöfe zur Aburteilung zu übertragen.

Berlin, 15. Nov. DerVorwärts" meldel­aus Breslau, daß gegen das Urteil wider Lieb--- knecht sofort Berufung eingelegt werden wird. . DerVorwärts" bemerkt dazu, daß die Verurteilung/ Liebknechts sowie die Urteilsgründe über das hinauL- gegangen sind, was man bisher für möglich gehalten hätte. Erlange dieses Urteil Rechtsgültigkeit, dann-, werde vogelfrei, wer bei irgend welchen mißtrauischen Patrioten in den Verdacht einer Majestätsbeleidigung., gerate.

Berlin, 16. Nov. Dem Lokalanzeiger zu­folge erhielt die neugeborene Tochter der Zarin den- Namen Olga.

Wien, 15. Nov. Heute erschoß sich der Chef einer Wechselstube, namens Friedrich Freund.

Rom, 16. Nov. Der Secolo meldet aub Konstantinopel, daß in den armenischen Wirren bis­her 20 000 Personen umgekommen seien. Bei Erzerunr wurden 10 Armenier von Türken an Bäumen auf­geknüpft, mit Petroleum überschüttet und dann an­gezündet.

Paris, 18. Nov. Die Blätter sehen in der Verhaftung Artons eine kühne, politische Thal des Kabinets Bourgeois. Der Verhaftung wird deshalb - eine große Bedeutung beigelegt, weil Arton eine Liste von 104 Abgeordneten besitzt, die im Panamaunter­nehmen von Reinach Geld erhalten haben.

Sofia, 18. Nov. Die Fürstin wurde gestern Mittag von einem Prinzen entbunden. Der Prinz erhält den Namen Cyrill.

Constantinopel, 17. Nov. Die Stimmung im Palast ist eine äußerst gedrückte, da sich fortgesetzt das Gerücht erhält, daß die Mächte es auf die Ab­setzung des Sultans abgesehen hätten, als einziges Mittel, um die Türkei vor einer Zerstückelung zu retten. Die Palastpartei bestürmt den Sultan, sich aufzuraffen und den heiligen Krieg zu erklären. Bei der Pforte herrsche großer Geldmangel; alle Kaffen sind erschöpft, weshalb die Einberufung der Reserven sehr langsam vor sich geht.

Permischtes.

Beleuchtet die Treppen! Vor etwa Jahres­frist stürzte in einer Elber selber Wirtschaft ein Gast des abends infolge ungenügender Beleuchtung einige Treppenstufen hinab und zog sich solche Verletzungen zu, daß er an deren Folgen starb. Die Frau des Verunglückten verklagte den Wirt auf Entschädigung, -

Waise innerhalb einer Stunde zweimal in schamloser Dreistigkeit die Zumutung ge­stellt worden war, ihre Jugend, ihre Schönheit, ihre Ehre für Geld zu opfern, über­lief sie ein Schauder. Ja sie mußte in ihrem Äußern doch wohl jene Dürftigkeit und abhängige Stellung zur Schau tragen, der gegenüber gewisse Männer, sich jede Freiheit erlauben zu dürfen glauben. Vorhin der schamlose hartherzige Ladenbesitzer, für den sie arbeitete und der von ihr mehr verlangte, als sich mit der Ehre und Würde eines unbescholtenen Mädchens vereinigen ließ und dessen niedrige Gesinnung nicht davor zurückschreckte, derWiderspenstigen" heute die Hälfte des Lohnes angeblich wegen mangelhafter Ausführung der abgelieferten Handarbeit zurückbehalten, und hier soeben der halbbetrunkene Matrose, den ihre schöne Gestalt reizte: sie alle pochten auf die Macht des Geldes, für das sie glaubten, alles haben, alles erreichen zu können. Wie lange würde eS noch dauern, bis sie der immer lauter an sie heran- ttetenden Sorge um das tägliche Brot für sich und die arme leidende, deren Pflege sie übkrommsn, erliegen würde? so fragte sich die heute so Tiefgekränfte. O wie waren die Menschen doch so kalt und lieblos! Was nützte es, daß ste von früh bis spät über dem Strickrahmen gebückt saß und die Augen bis zur Erschöpfung an­strengte? Ihr Fleiß, ihre Geschicklichkeit wurden doch nur mit wenigen Nickeln be­lohnt, die kaum ausreichten für Feuerung und Licht in diesem bösen, harten Winter. Frauenhandarbeit! Wie oft schon hatte sie erfahren, daß sie von aller Arbeit am Schlechtesten bezahlt wurde. Und welche Klippen drohten doch denjenigen, welche, wie sie, ganz von der Gebelaune mancher Ladeninhaber abhingen? Wenn weibliche Schönheit ein von Gott verliehenes Geschenk sein soll, o dann halte sie bis heute wenig Ursache gehabt, dem Schöpfer dafür dankbar zu sein; bislang war sie ihr nur stets verhängnisvoll gewesen insofern, als ihr, der armen Waise, überall Fall­stricke gelegt wurden, in denen ihr das höchste Gut, die Ehre, um scheinbar äußerer / Vorteile willen geraubt werden sollte.

(Fortsetzung folgt.)

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